Süddeutsche Zeitung

Türkenfeld:Bedrängter Stand

Beim Kreisbauerntag geht es erneut um den Frust der Landwirte. Obmann Georg Huber fordert ein klares Signal der Politik, "dass man uns zu Hilfe eilt"

Von Ingrid Hügenell, Türkenfeld

Das Volksbegehren "Rettet die Bienen", die erneute Verschärfung der Düngeverordnung, das Mercosur-Abkommen der Europäischen Union mit Südamerika, die fallenden Preise beim Getreide - Kreisobmann Georg Huber sieht den Bauernstand weiter in Bedrängnis. Beim Kreisbauerntag im vollbesetzten Saal des Gasthof Hartl in Türkenfeld machte der Puchheimer Landwirt aus seinem Unmut keinen Hehl.

Nicht nur viele Landwirte hörten ihm zu, sondern auch die Landtagsabgeordneten Hans Friedl (Freie Wähler), Benjamin Miskowitsch (CSU) und Gabriele Triebel (Grüne), die Bezirksrätin Gabriele Off-Nesselhauf (CSU) sowie Landrat Thomas Karmasin (CSU). Unter den Gästen waren zahlreiche Kommunalpolitiker, was wohl der anstehenden Kommunalwahl im März 2020 geschuldet war.

Beim Volksbegehren sieht Huber nach wie vor die Bauern am Pranger. Darauf, dass die gesamte Gesellschaft sich an der Rettung der Artenvielfalt beteilige, warte er noch, schimpfte er und forderte erneut eine Leinenpflicht für Hunde in der Zeit, in der Hasen und bodenbrütende Vögel ihre Jungen bekommen. "Das wäre ein kleines Signal", sagte er, das zudem keine Mark koste. Mit der Verschärfung der Düngeverordnung werden aus seiner Sicht 95 Prozent ordentlich arbeitender Landwirte bestraft für die Fehler von fünf Prozent "Saubären". Und beim Mercosur-Abkommen solle Rindfleisch aus Ländern importiert werden, "in denen Urwälder verbrannt werden um Weiden zu kriegen. Das ist einfach bloß blöd", kein bayerischer Landwirt könne das verstehen. Unverständlich findet Huber auch, dass trotz der zweiten schlechten Getreideernte in Deutschland in Folge der Preis falle. "Die Transporte sind billig, und irgendwo ist es schon gewachsen."

Seit 25 Jahren sei er im Beruf, sagte Huber, und immer höre er, dass man die bäuerliche Landwirtschaft erhalten müsse. "Seither hat die Hälfte der Betriebe aufgegeben. Das ist doch gar nicht, was die Gesellschaft will." Er erwarte von der Politik "ein klares Signal, dass man uns zu Hilfe eilt." Huber mahnte Taten an. Viele Landwirte kämen auf dem Zahnfleisch daher, arbeiteten doppelte Stunden, seien in den Nebenerwerb gegangen oder buckelten sich blöd. "Wenn wir so weiter machen, brauchen wir uns nicht wundern, wenn wir immer weniger werden." Die deutschlandweiten Demonstrationen der Bauern am 22. Oktober begrüßte Huber deshalb ausdrücklich.

Für das Hauptreferat war Leopold Herz, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler aus dem Allgäu, gekommen. Eigentlich sollte er darüber sprechen, wie die Politik Verbraucher und Landwirte zusammenbringen muss. Das tat er aber nicht. Er redete ebenfalls über das Volksbegehren "Rettet die Bienen". "Jeder könnte etwas beitragen, das muss wehtun", sagte er. Beispielsweise gehörten Coffee-to-go-Becher, die nicht wiederverwendbar seien, und ähnliche Dinge verboten. Herz, der selbst Milchbauer und Eierproduzent war, bis er den Hof 2015 an seinen Sohn übergeben hat, rief die Bauern dazu auf, den Druck auf die Politik weiter zu erhöhen. "Wir müssen uns sehr wortstark melden."

Bei den Verbrauchern brauche es ein "gewaltiges Umdenken", diese sollten nicht "das Billigste aus aller Herren Länder" kaufen. In der Diskussion gab Herz zu, die Politik habe es "verpasst nicht zuzulassen, dass vier Lebensmittelkonzerne den Markt beherrschen". Dieses Oligopol werde man aber auch nicht zurückdrehen können. Die Bauern seien "ein stückweit selber schuld", dass ihre Macht am Markt vergleichsweise gering sei ", sagte der Maisacher Landwirt Willi Müller. "Wir sind nicht fähig, uns abzusprechen und zu bündeln." Er nannte das Mercosur-Abkommen "haarsträubend", es gehe nur um den Verkauf von Industriegütern, "das wird auf unserem Rücken ausgetragen." Das müsse man verbandspolitisch stärker herausstellen. Wenn im südamerikanischen Urwald "gezündelt" werde, seien die Nutznießer auch nicht die einheimischen Bauern, sondern die großen Konzerne.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2019
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