Süddeutsche Zeitung

Hauptversammlung:Corona kostet mehr als tausend Mitglieder

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Der TSV Unterpfaffenhofen-Germering muss einen Aderlass verkraften. Immerhin gibt es einen positiven Nebeneffekt für den von Walter Müller geführten größten Verein des Landkreises: Er steht finanziell gut da.

Von Karl-Wilhelm Götte , Germering

Corona hat bei den Sportvereinen Spuren hinterlassen. Sie verloren nach mehreren Lockdowns und Beschränkungen viele Mitglieder. Auch beim TSV Unterpfaffenhofen-Germering (TSV UG) war das der Fall. Doch der mit Abstand größte Sportverein im Landkreis war schon immer ein Sonderfall. Das ist auch in Zeiten der Pandemie so - jedenfalls finanziell. So kann Schatzmeister Werner Fritzen bei der Mitgliederversammlung des Vereins einen Überschuss von 300 000 Euro für das Pandemiejahr 2021 verkünden, obwohl dem TSV UG mehr als tausend Mitglieder verloren gegangen sind. Geführt wird der Verein jetzt offiziell von Walter Müller, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der VR-Bank im Landkreis.

Die 300 000 Euro Überschuss sind zustande gekommen, weil sich durch Corona die Ausgaben mit 428 000 Euro gegenüber normalen Zeiten mehr als halbierten, jedoch die Einnahmen nicht. Der Verlust von 1088 Mitgliedern, von 5692 auf 4604 Vereinsmitglieder zum 31. Dezember, kostete dem TSV UG zwar fast 100 000 Euro an Beiträgen, die jedoch auch 2021 mit 533 000 Euro noch die Haupteinnahmequelle blieben. Mit Zuschüssen aller Art, darunter die coronabedingte Verdoppelung der staatlichen Vereinspauschale auf 70 000 Euro - und sonstigen Einnahmen kamen 2021 schließlich 728 000 Euro in die Vereinskasse. Für den inzwischen 72-jährigen Fritzen ist sein letzter Bericht als Erster Kassier noch einmal ein Höhepunkt. Der ehemalige Faustballer, seit 50 Jahren oberster Finanzverantwortlicher im Verein, konnte schon immer gute Zahlen verkünden, aber diesmal seien sie sogar "historisch".

Damit hat sich laut Fritzen die "Bar-Liquidität" des 90 Jahre alten Sportvereins auf 824 100 Euro erhöht. Diesen Überschuss von 300 000 Euro setzt der TSV UG in diesem Jahr jedoch nahezu komplett für die Erneuerung der Wasser- und Rohrleitungen in seinem 30 Jahre alten Sportzentrum ein. Wird sich der von ihm vorgetragene Etatplan für das laufende Jahr so bewahrheiten, erwartet er einen Verlust von 351 000 Euro, so dass sich die Bar-Liquidität dann auf 473 000 Euro reduzieren würde. Doch der Kassenprofi Fritzen, der vom Verein mit der Verdienstmedaille in Gold ausgezeichnet wurde und der sich auf den Posten des Zweiten Kassiers zurückzieht, hat dabei die voraussichtlichen Einnahmen eher konservativ veranschlagt.

Der Verein bietet seinen Mitgliedern, die laut Willi Braun, dem Technischen Leiter im Vorstand, zu 80 Prozent aus Germering kommen, für einen vergleichsweise bescheidenden Beitrag ein umfassendes Sportangebot. So können Erwachsene für 212 Euro pro Jahr jeden Sport der zwölf Abteilungen, vom Turnen, Faustball, Kegeln, Badminton, Volleyball über Tischtennis, Skisport bis zum Tanzsport, betreiben. Auch das täglich geöffnete Fitnessstudio ist in der "Goldkarte" des Vereins inkludiert. Turnen und Fitness sind mitgliedermäßig die Standbeine des Vereins. Der TSV UG kennt seit Jahrzehnten ein hohes Engagement seiner ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 250 Übungsleiterinnen und Übungsleiter tragen den Verein. Einen hauptamtlichen Geschäftsführer oder hautamtliche Trainer gibt es beim TSV UG nicht. Ungewöhnlich für einen Club dieser Größenordnung, aber das spart viel Geld. Kostspielige Mannschaftssportarten wie Fußball, Handball oder Basketball bietet der Verein nicht an. Gehobenen Leistungssport gibt es nur als Ausnahme. Der von den 87 Stimmberechtigten einhellig gewählte neue Vereinsvorsitzende Walter Müller, 67, war im Juli 2020 in der Pandemiezeit zunächst zum kommissarischen Vorsitzenden gekürt worden.

Dem Sportreferenten im Germeringer Stadtrat, Christian Gruber (SPD) und der Dritten Bürgermeisterin Sophie Schuhmacher (Grüne) gab Müller mit auf den Weg, dass sie mit dem TSV UG und seinen vereinseigenen Sportanlagen finanziell sehr günstig fahren. "Wir sind für die Stadtkasse ein preiswerter Dienstleister Sport", argumentierte Müller. Wohl wissend, dass die beiden Nachbarvereine SC Unterpfaffenhofen-Germering und der SV Germering auf ihren städtischen Anlagen regelmäßig Investitionen in Millionenhöhe benötigen. "Unser Haus ist im solidarischen Miteinander die Heimat für die Sportler", fügte Willi Kaiser, bisher Zweiter Vorsitzender und jetzt Erster Kassier, hinzu. "Es ist ein Stück heile Welt für alle Mitglieder." Zum Nachfolger Kaisers als Zweiter Vorsitzender wurde Turnabteilungsleiter Wilhelm Embacher gewählt. Willi Braun wurde in seinem Amt bestätigt, ebenfalls Schriftführerin Sabrina Gläß.

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