Tschechische Treibstoffreserve:45 Million Liter Diesel unter der Erde

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In acht Wochen soll das Tanklager bei Germering geleert sein. Die Betreiberfirma will es so schnell wie möglich wieder füllen

Von Carolin Fries, Krailling

Mal spricht Kateřina Radostová von einer "Blackbox", mal von einem "Diamanten". Gemeint ist dasselbe: das ehemalige Nato-Gelände in Krailling. 240 Hektar groß und seit Jahren wie das Schloss von Dornröschen versteckt hinter Stacheldraht-Zäunen und Dornen liegend. Wie es hinter den Zäunen aussieht und was dort passiert, weiß kaum jemand. Dabei betont Radostová , die Geschäftsführerin der Krailling Oils Development GmbH, dass man größtmögliche Transparenz wolle statt ewiger Geheimniskrämerei. Eine Gesellschaft, bestehend aus drei privaten Investoren, hat das Areal im Juli 2016 gekauft, nachdem die Viktoria-Gruppe insolvent geworden war. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Ein wenig pikant damals: Der tschechische Staat hatte in Krailling acht Prozent seiner staatlichen Spritreserven gelagert. Jetzt endlich sollen sie schnellstmöglich zurück in Richtung Pilsen. "Der tschechischen Republik war es wichtig, dass der Transport innerhalb von acht Wochen aktiviert wird", berichtet Rechtsanwalt Nico Skusa, der die Krailling Ölfirma berät. "Für uns war es ein gewisses Risiko damals", bekennt Radostová freimütig.

Zum Kraillinger Tanklager gehört ein Schienennetz mit 14 Kilometer Gleisen. Eine Firma mit Sitz in Hamburg könnte sich dort einen Verladebahnhof vorstellen. (Foto: Nila Thiel)

Wie vergessen liegt das weitläufige Gelände da, mal stärker, mal schwächer bewaldet. Dort, wo unter der Erde die bis zu zehn Millionen Liter fassenden Tanks liegen, wölbt sich die Erde, als begrabe sie einen überdimensionalen Luftballon. Lange Treppen führen hinauf auf die Hügel, auf denen kleine Wartungshäuschen stehen. In den Dachnischen nisten Vögel.

Wer die Größe des Areals abschätzen will, muss mit dem Auto über ein Netz von Feldwegen fahren. Am Straßenrand ein paar ziemlich eingewachsene Autowracks, das Haus des ehemaligen Direktors ist ein baufälliges Gebäude. Einen kleinen Bereich im Norden hat seit 1996 die Flüssiggas Bayern GmbH zur Lagerung von Gasflaschen gemietet. Sonst ist da nur Natur.

Herden von Damwild bewegen sich mit ihrem Nachwuchs sehr selbstsicher auf dem Gelände. "Es muss einmal eingesetzt worden sein", sagt Nico Skusa. Feinde haben die Tiere nicht, die Population muss in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben. Künftig wolle man deshalb eng mit einem Forst- und Jagdbeauftragten zusammenarbeiten, der Ordnung schaffe. Ob und wie die Viktoria-Gruppe die Flächen bewirtschaftet hat, weiß Skusa nicht. Die Krailling Oils Development GmbH jedenfalls plant, in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Forstamt einzelne Flächen ökologisch aufzuwerten und dafür sogenannte Ökopunkte zu bekommen. "Zur Zeit wird geprüft, wo welche Flächen dauerhaft genutzt werden können", sagt Skusa. Wirtschaftlich profitieren kann das Unternehmen dann, wenn es die entsprechend eingestuften Flächen an Bauträger oder die Gemeinde vermarktet, die für Bauvorhaben Ausgleichsflächen nachweisen müssen. Geld, das wiederum in Neupflanzungen oder Schutzmaßnahmen für besonders erhaltenswerte Bäume fließen kann, wie Skusa sagt.

Hauptgeschäft wird die Lagerung von Diesel, Benzin und Jet-Treibstoff bleiben. Insgesamt gibt es 29 Tanks auf dem Gelände, die insgesamt 120 Millionen Liter fassen. Von den tschechischen Reserven sind noch etwa 45 Millionen Liter da, schätzt Skusa. Im Laufe des Junis, spätestens aber im Juli, sollen die letzten Reste zurück in der tschechischen Republik sein.

Zwei bis drei Mal in der Woche rollt mittlerweile ein Zug mit 24 großen Kesselwagen auf das Gelände, die Logistik stellt der tschechische Staat. Die Mitarbeiter in Krailling - insgesamt gibt es neun - haben die Waggons dann zu befüllen. Das Hauptzollamts Rosenheim verplombt diese schließlich, ehe knapp eine Million Liter Diesel das Gelände verlassen. Inzwischen eine Routinearbeit, zu Beginn ein Wagnis - nicht einmal die Gleise waren betriebsbereit. Obendrein handelt es sich um einen Gefährdungsbetrieb: "Es gibt keine Behörde, mit der wir nicht zu tun hatten", sagt Skusa. Das Gelände war von 1934 mit Ausnahme der Jet-Tanks vom Hitler-Regime angelegt worden. Freilich wurde in der angeblichen Schokoladenfabrik niemals Kakao verarbeitet, sondern gezielt der Krieg vorbereitet: Die Stahl-Tanks, zum Schutz tief ins Erdreich eingegraben, entsprechen militärischem Standard. Skusa schätzt die Haltbarkeit auf 450 Jahre. "Es ist bombensicher", versichert Kateřina Radostová . Die Rechtsanwältin hat einst als Strafrichterin gearbeitet, bevor sie sich mit einer Kanzlei selbständig machte. Das Spezialgebiet der ehemaligen Leistungssportlerin ist Sportrecht. Inzwischen habe sie mit dem Ölgeschäft aber eine neue Leidenschaft gefunden, sagt sie; die Kanzlei mit einer Dependance in Sankt Moritz ist nurmehr "Hobby". In diesen Tagen laufen strategische Verhandlungen mit künftigen Geschäftspartnern. "Es gibt nicht viele große Tanklager im Süden Deutschlands", weiß Skusa. Mehr möchte er zu den Interessenten nicht sagen. Lediglich, dass es sich um große Mineralölkonzerne handele.

Der Dornröschenschlaf des Geländes, das in den Händen der Wehrmacht, der Nato und verschiedener Tanklagerbetreiber lag, scheint nun vorüber. "Wir haben nichts zu verstecken", sagt Radostová .

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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