Trend zum Haustier:Auf den Hund gekommen

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Die Pandemie weckt bei vielen den Wunsch nach einem Haustier. Tierschützer warnen vor Billigwelpen aus Osteuropa

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Die Corona-Pandemie hat teilweise unerwartete Folgen. In Zeiten, in denen an Freizeitbetätigungen kaum mehr möglich ist als spazieren zu gehen oder Sport an der frischen Luft zu treiben, geht der Trend zum Haustier. Bereits im vergangenen Juli stellte der Verband für das deutsche Hundewesen (VDH) eine Zunahme bei der Nachfrage nach Hunden um 25 Prozent fest, die Tierschutzorganisation "Tasso", die Europas größtes kostenloses Haustierregister betreibt, verzeichnete zur gleichen Zeit einen auffälligen Anstieg der Neuregistrierungen von Hunden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Aktuell berichten Züchter im Landkreis von einer um mindestens 50 Prozent gestiegenen Nachfrage. Und Tierschutzvereine wie die "Pfotenhelfer" in Puchheim oder die "Tierfreunde Brucker Land" in Maisach warnen vor billigen Zuchthunden osteuropäischer Herkunft; sie fürchten, dass Krankheiten eingeschleppt werden könnten. Außerdem erwarten sie eine Welle von Fundtieren, wenn die Pandemie unter Kontrolle ist und die Menschen wieder verreisen dürfen.

Die viele Zeit, die die Menschen zu Hause oder an der frischen Luft verbringen müssen, scheint bei einer größeren Zahl den Wunsch nach einem flauschigen Mitbewohner zu entfachen. Das merken auch die Hundezüchter im Landkreis. Auf 50 bis 70 Prozent mehr Nachfragen nach ihren Welpen schätzt Inge Konzack aus Eichenau die Steigerung, "Das weiß ich auch von anderen Hundezüchtern", betont die Hobbyzüchterin mit jahrzehntelanger Erfahrung, die zudem darauf hinweist, dass sie keine Anzeigen für ihre Tiere schaltet. Ein Anruf bei einer anderen Hobbyzüchterin aus dem westlichen Landkreis, die nicht namentlich genannt werden möchte, bestätigt Konzacks Erfahrung. Und auch im Internet finden sich etliche Artikel über die gestiegene Nachfrage nach Hunden. Oft verbunden mit der Warnung vor billigen Welpen unseriöser Züchter; der Verein Tasso sprach im Juli von einem "Boom beim Online-Welpenhandel".

Drei geschmuggelte Zwergspitzwelpen hat die Grenzpolizei Selb in Oberfranken Anfang März in einer Kiste entdeckt. Die flauschigen Vierbeiner werden sicher rasch ein neues Zuhause finden. (Foto: dpa)

Auch Kerstin Fannasch von den Pfotenhelfern bekommt den Trend zum Hund, beziehungsweise zum Haustier allgemein, zu spüren. Oft erkennt sie Tierhalter-Neulinge an ihrer Ungeduld, viele Leute würden bei ihr anrufen und sofort ein Tier haben wollen. "Die Leute haben alle keine Zeit mehr. Sie rufen an, habt ihr Welpen. Nein, dann eben nicht." Diesen Menschen versucht Fannasch, die seit 25 Jahren im Tierschutz aktiv ist und aktuell 47 Katzen und ein Dutzend Hunde von Vereinsmitgliedern bis zu ihrer Vermittlung von Ehrenamtlichen daheim betreuen lässt, vor der Anschaffung eines Haustiers zumindest ein paar Fragen mit auf den Weg zu geben. Beispielsweise wie sie sich nach Corona mit Haustier ihre Urlaube vorstellen; eine Hundepension etwa kostet 30 Euro am Tag. Oder wie dann ohne Home-Office der Alltag mit Haustier aussehen soll.

Bei vielen der ungeduldigen Anrufer hat Fannasch nicht den Eindruck, dass sie sie mit ihren Denkimpulsen von der Anschaffung eines Haustieres abbringen kann. Aber sie hat auch positive Erlebnisse, etwa zehn Leute, "die sich bedankt haben, dass ich sie vom Züchter abgebracht habe". Denn oft werden Hundewelpen aus dem Internet nicht artgerecht aufgezogen, etwa aus Profitgier zu früh vom Muttertier getrennt oder mangelhaft versorgt. Fannasch berichtet von Hündinnen mit drei Würfen im Jahr und vier ihr bekannten Hundezüchtern, "die haben aufgehört, weil sie diesen Wahnsinn nicht mehr mitmachen wollen".

Die Tierfreunde Brucker Land um Vorsitzende Andrea Mittermeier kümmern sich um Kleintiere wie Hunde, Katzen, Hasen, Meerschweinchen und Vögel. (Foto: Leonhard Simon)

Die vielen "Wiederholungstäter" freuen Fannasch ebenfalls. Sie meint damit jene Tierbesitzer, die sich bewusst für ein Tier aus dem Heim entscheiden. Und das eben zum wiederholten Mal, zum Teil gezielt während der Pandemie. Die Vorteile eines solchen Tieres sind der Pfotenhelferin zufolge, dass es für längere Zeit bei den Tierschützern war und die deshalb dessen Wesen ganz gut einschätzen können. Zur allgemeinen Situation in der Pandemie erklärt die Vereinsvorsitzende: "Bei uns ist gerade die Hölle los. Es ist kaum schaffbar, es ist viel mehr los als vorher." Sie schätzt, dass sie etwa 30 bis 40 Prozent mehr Anfragen bekomme sowie 20 bis 30 Prozent mehr Fundtiere.

"Die Hundenachfrage ist sehr groß und jetzt warten sie auch schon wieder auf Baby-Katzen", sagt Elfi Brunner. Die Schöngeisingerin kooperiert mit diversen Tierschutzvereinen wie der "Katzenhilfe Deggendorf". Sie nimmt herrenlose Hunde und Katzen bis zur Vermittlung bei sich auf. Aktuell hat sie zwei Pflegehunde, die aber schon vermittelt sind - und drei eigene. "Bei mir war es nur ein bisschen mehr", doch sie habe von vielen anderen Seiten von der gestiegenen Nachfrage erfahren, unterstreicht sie.

Die Katze ohne Ohren hat es bei der Vermittlung schwer. (Foto: Leonhard Simon)

Beim Verein Tierfreunde Brucker Land bemerken sie ebenfalls, dass sich mehr Menschen ein Haustier wünschen als in früheren Jahren. Der Verein betreibt im Ortsteil Überacker eine Tierauffangstation für Kleintiere und Katzen und wird seit Mai 2019 von Andrea Mittermeier geleitet. Deshalb fehle ihr ein bisschen der Vergleich, betont sie. Doch nach ihrem subjektiven Eindruck habe "die Nachfrage schon zugenommen". Ein Beleg dafür war, dass die Tierfreunde unlängst zum ersten Mal ein Zimmer für die Katzen frei hatten. Zwar nur für etwa eine halbe Stunde, dann zogen dort jene Tiere ein, die bis dahin in einem anderen Raum in Quarantäne gehalten worden waren. Aber immerhin: Es war zum ersten Mal kurz frei.

© SZ vom 20.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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