Trauerfeier:Die Herzen sprechen lassen

Trauerfeier am See

Ein kleines Boot mit Abschiedsgrüßen setzen die Freunde des ertrunkenen Asylbewerbers in den Emmeringer See.

(Foto: Günther Reger)

Nach dem tödlichen Badeunfall improvisieren Asylhelfer am Emmeringer Badesee eine Trauerfeier für den jungen Flüchtling aus Eritrea. Die Asylbewerber sind dankbar, ihren Mitbewohner mit Gebeten und Liedern zu verabschieden zu können

Von Gerhard Eisenkolb, Emmering

Bewegende Momente am Emmeringer See am Mittwochnachmittag. Nach einer improvisierten Trauerfeier für den elf Tage zuvor beim Schwimmen in dem Badeweiher ertrunkenen Flüchtling Al Amin setzt Muhammed, 26, einen Behälter mit Zetteln mit Gebeten und Wünschen für den Verstorbenen wie ein Boot aufs Wasser. Dann folgen weiße und rote Rosen sowie Kerzen in kleinen Schwimmbehältern. Muhammed hatte am Abend des 17. Mai miterlebt, wie Al Amin im Emmeringer See untergegangen war.

Dagmar Berkenberg vom Helferkreis Asyl organisiert die Trauerzeremonie mit. Ihr geht es darum, wie sie sagt, die Herzen sprechen zu lassen und den Flüchtlingen eine Möglichkeit zum gemeinsamen Trauern und Abschiednehmen zu geben. Es geht herzlich zu. Die Trauernden, vor allem junge Männer und Frauen aus Eritrea zeigen sich dankbar dafür, dass sich Asylhelfer die Mühe machen, für sie eine solche Zeremonie zu gestalten.

Immerhin finden sich gegen 14.30 Uhr weit mehr als 50 Flüchtlinge und rund ein Dutzend ehrenamtliche Asylhelfer, darunter die beiden Stadträte Gabriele Fröhlich und Willi Dräxler, auf der Badewiese ein. Sie beten und singen gemeinsam. Den Flüchtlingen ist anzumerken, wie gut es ihnen tut, nach dem tragischen Badeunfall öffentlich Beistand und Zuspruch zu erfahren. Der Verstorbene war bereits in der vergangenen Woche nach muslimischem Brauch auf dem Südfriedhof in München beigesetzt worden. Die Beerdigungstermin wurde so kurzfristig angesetzt, dass es weder Mitbewohnern der Erstaufnahmeeinrichtung im Fliegerhorst, noch seinen Freunden und Landsleuten möglich war, daran teilzunehmen, wird berichtet. Dagmar Berkenberg spricht in ihrer Rede die Flüchtlinge aus Eritrea und Syrien direkt an. "Wir sind sehr glücklich, dass ihr hier seid", betont sie. Nach einer schwierigen Flucht seien sie in einem Land angekommen, in dem es für sie nicht immer leicht sei. Aber sie könnten hier in Sicherheit leben und religiöse Freiheit genießen. Die Asylhelferin appelliert an ihre Zuhörer, die Hoffnung nicht zu aufzugeben und sich für eine bessere Zukunft und ein gutes Leben in Deutschland zu engagieren. Das seien sie Al Amin und dessen Familie schuldig.

Und Berkenberg ermahnt die Trauernden, sich künftig so zu verhalten, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt. Deshalb sollten nur diejenigen zum Baden in einen See gehen, die schwimmen können und genug Kraft haben. Die lange Flucht habe viel Energie und Kraft gekostet. Zudem weist die Asylhelferin darauf hin, dass in Zukunft in den Unterkünften Luftmatratzen und Schwimmnudeln zur Verfügung gestellt werden. Alle, die sich unsicher fühlen, sollten diese Hilfsmittel zu Badeausflügen mitnehmen.

Da der Ertrunkene Muslim war, spricht Imam Nurhan Dünder von der Fürstenfeldbrucker Moschee an der Augsburger Straße muslimische Gebete. Dem folgen christliche eritreische Gebete von Youhanns Tekia in der Landessprache Tigrinya und der Wunsch seiner Landsleute, Al Amin möge in den Himmel aufgenommen werden. "Wir sind so traurig", sagt Tekia. Der Beatlesong "Let it Be" wird angestimmt, um, wie Helmut Heins sagt, in einer schwierigen Lebenssituation Überlebenshilfe anzubieten. Bei Beisetzungen in Eritrea wird nicht gesungen, berichtet Yohanns Tekia noch.

Al Amin wollte am 17. Mai um 19 Uhr im 17 Grad kalten Wasser des Emmeringer Sees zur Badeinsel schwimmen. Er kehrte jedoch um und ging unter, als er etwa 20 Meter vom Ufer entfernt war. Nach der Bergung und der erfolgreichen Wiederbelebung starb der 23-Jährige noch am Abend in der Kreisklinik.

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