KulturEskalation beim Familienessen

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Streit am Esstisch: Die Schauspieler Dennis Tschernik (von links), Julian Brodacz,Simone Krischke, Marco Eschrich, Jessica Dauser auf der Bühne.
Streit am Esstisch: Die Schauspieler Dennis Tschernik (von links), Julian Brodacz,Simone Krischke, Marco Eschrich, Jessica Dauser auf der Bühne. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Cecilia Gagliardi bringt die französische  Komödie "Der Vorname" lebendig und witzig auf die Bühne des Roßstall-Theaters in Germering.

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Textlastige Theaterstücke, wie diese Konversationskomödie, lebendig, witzig und spannend zu inszenieren, gehört wohl zu den schwierigsten Anforderungen an die Regie. Dies ist Cecilia Gagliardi mit der Aufführung von „Der Vorname“ im Germeringer Roßstall-Theater rundum gelungen. Das gut eingespielte Ensemble und das ästhetisch ansprechende, freundlich-helle und luftige Bühnenbild von Nina von Schimmelmann tragen dazu bei, dass es, auch wenn die Fetzen fliegen, doch nie allzu gemein oder verbiestert wird.

In der französischen Komödie entzündet sich zunächst eine vehemente Kontroverse daran, dass der werdender Vater Vincent (Julian Brodacz) auf Nachfrage verkündet, dass er seinen Sohn Hitlers Vornamen geben will. Auf Französisch hört sich das mit „Adolphe“ vermeintlich unverdächtig an, sorgt jedoch trotzdem für erste Wortgefechte und die aggressive Stimmungslage zwischen Vincent und seinem Jugendfreund Pierre (Dennis Tschernik), der zusammen mit seiner Frau Elisabeth (Jessica Dauser), der Schwester Vincents, zum Abendessen eingeladen hat. Claude (Marco Eschrich), ebenfalls Freund seit Kindertagen, ist da zunächst im Streit der „Alphatiere“ nur eine Randfigur.

Obwohl Vincent „Adolphe“ als Scherz auflöst, weil sein Sohn den unverdächtigen Namen Henri bekommen soll, wird nicht nur über erlaubte oder verbotene Vornamen gestritten, was das Zeug hält. Motto: Worüber lohnt es sich zu streiten? Elisabeth oder „Babou“, wie sie von ihren Freunden genannt wird, fühlt sich von Pierre zur Hausfrau degradiert und beschwert sich vehement darüber, um doch immer wieder in die gleiche Rolle zu verfallen, wenn ihre kleinen Kinder nebenan aufwachen und schreien. Erst als Francoise, die Mutter von Vincent und Elisabeth, die nur am Telefon aufscheint, zum Thema wird, steht plötzlich der angeblich langweilige Claude im Mittelpunkt und das Familientreffen gerät ganz aus dem Ruder. Auch Anna (Simone Krischke), die schwangere Frau Vincents, die verspätet zum Essen kommt und als einzige aus der Runde von Claudes Geheimnis weiß, hat jetzt ihren nachhaltigen Auftritt. Dass das Ende dann doch noch versöhnlich wird, war bei einer Komödie dann doch zu erwarten.

Julian Brodacz, 34, gehört seit 2017 zum Ensemble und ist einer der prägenden Schauspieler des Roßstall-Theaters. Seit zwei Jahren leitet er auch zusammen mit Gagliardi das Theater. Als Vincent wird er im Stück „Der Vorname“ Verursacher allen Ungemachs beim gar nicht mehr gemütlichen Familienessen. Agil und gekonnt zieht Brodacz alle Register des Konversationstheaters, flott weggesprochen, gleichwohl spitz und deutlich, fliegen Witze und Seitenhiebe durch den Raum und selbst ernstere Vorwürfe werden nie zu schwer für das Genre. Das Tempo und die Leichtigkeit, die er vorgab, wurden nicht den ganzen Abend über durchgehalten, auch eine etwas kürzere Spieldauer hätte nicht geschadet.

Und da, wo lange unterdrückte Wut sich endlich ihren Weg bahnt, hätte es ruhig noch etwas mehr Frauenpower sein dürfen. Denn auch das sagt dieses Stück ja aus: Frauen wollen nicht mehr nur brav Essen servieren und Türen öffnen, sie wollen auch nicht mehr nur kritisch ein wenig herumpiepsen, nein, sie wollen endlich auch selbst mal aus dem Bauch heraus so hemmungslos, glaubhaft und durchsetzungsfähig brüllen wie die schreienden Kinderchen nebenan. Hier darf Frauen – und Schauspielerinnen – noch mehr Mut zu archaischer Wildheit zugetraut werden. Die Männer – und das Boulevard – vertragen das schon. Die nächsten Aufführungen finden am 21., 23., 28. Und 30. März, jeweils um 19.30 Uhr, statt. Karten können unter info@germeringer-rossstall.de reserviert werden.

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