Süddeutsche Zeitung

Theater:Schlussmachen mit Freuden

Die Neue Bühne Bruck zeigt die Boulevard-Komödie "Das Abschiedsdinner" in der Regie von René Oltmanns. Es ist ein Stück über die Brüchigkeit gesellschaftlicher Umgangsformen und spießbürgerlicher Fassaden

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es ist eine interessante Idee: alte Freunde, die man mittlerweile eher als Last denn als Bereicherung empfindet, noch einmal zu sich nach Hause einladen, ihnen einen schönen Abend bereiten und dann: Auf Wiedersehen, Kontaktabbruch, Platz für neue Bekanntschaften. Genau diesen Gedanken spielt das Theaterstück "Das Abschiedsdinner" des französischen Erfolgsduos Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière durch, das an diesem Freitag Premiere an der Neuen Bühne Bruck feiert.

Das Abschiedsdinner ist nach "Der Vorname", der 2018 in einer wunderbaren Version von Frank Piotraschke ebenfalls bereits an der Neuen Bühne zu sehen war, das zweite Erfolgsstück der beiden französischen Autoren - und es knüpft ebenso an die Tradition von Yasmina Rezas "Gott des Gemetzels" an, das die Ära des französischen Spießbürger-Dekonstruktions-Dramas eingeleitet hat und das sich seit etwa 15 Jahren auch auf deutschen Bühnen und sogar auf der Leinwand als die leichte Unterhaltung für den Intellektuellen etablieren konnte. In ihrer reduzierten Kammerspiel-Form - ein Raum, ein Konflikt, (meist) zwei Paare - lassen sie sich noch dazu besonders einfach umsetzen. An der Neuen Bühne hat sich nun René Oltmanns als Regisseur an die Umsetzung gewagt. Im Februar dieses Jahr war der 41-Jährige noch im Missbrauchs-Drama "Zweifel" in der Rolle des Priesters erstmals in Fürstenfeldbruck zu sehen.

"Ich finde es gerade reizvoll, wenn man so ein Stück inszeniert, das quasi schon ein moderner Klassiker ist, noch einmal etwas Neues zu finden", sagt Oltmanns, der als Schauspieler aus Serien wie "Dahoam is Dahoam", "Sturm der Liebe" und "Die Rosenheim-Cops" bekannt ist. Schon wegen der Corona-Beschränkungen musste sich das Ensemble einiges einfallen lassen, um das Stück regelkonform auf die Bühne zu bringen. Will ein Schauspieler dem anderen in der Aufregung zu nahe kommen, dann kann ein Hinweis auf das Abstandsgebot schon mal ganz hilfreich sein und die Maske zur Bühnenrequisite werden.

Und Oltmanns versucht erst gar nicht, der Komödie eine politische oder moralische Ebene zu verleihen. "Es ist brutalstes Boulevard. Ich glaube auch, dass das Stück nicht viel Raum für einen politischen Diskurs oder eine psychoanalytische Figurenanalyse bietet. Es ist einfach gute, schnelle Unterhaltung. Gelingen kann so etwas aber nur, wenn die Schauspieler das Tempo mitgehen können und ihre Pointen treffen. Oltmanns Glück ist, dass er mit Aline Pronnet und Hagen Ullmann auf zwei Laien setzen kann, die an der Neuen Bühne ihr unterhaltsames Talent bereits unter Beweis gestellt haben. Unterstützt werden sie von Benjamin Hirt, einem professionellen Schauspieler. "Die drei sind da Gott sei Dank recht talentiert. Wenn nicht, wäre es schon problematisch. Entweder man hat ein Talent dafür oder eben nicht. Boulevard kann auch nicht jeder gute Schauspieler, ich glaube, dass man das nicht lernen kann. Insofern habe ich mit diesem Trio viel Glück gehabt", sagt Oltmanns.

Der Plot des Abschiedsdinners ist einfach. Clote und Pierre wollen Antoine und dessen Partnerin Bea als Freunde loswerden. Bea allerdings taucht zur Einladung nicht auf, weil sie gerade eine Street-Performance gibt, und Antoine, der alleine erschienen ist, erkennt das Anliegen seiner Gastgeber dank Geburtsjahrgangs-Wein und Lieblingsmusik sofort. Erst ist er wütend und dann schlägt er eine Art Freundschafts-Paartherapie vor, die er sogleich selbst umzusetzen versucht. Genretypisch fällt auf der Bühne schnell die bürgerliche Fassade - und für die Zuschauer gibt es viel zu lachen.

"Das Abschiedsdinner", Neue Bühne Bruck, die Premiere am Freitag, 23. Oktober, ist bereits ausverkauft. Weitere Termine: Samstag, 24. Oktober, 20 Uhr und 6., 8., 14., 20., 21., 28. November

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Quelle:
SZ vom 22.10.2020
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