Fürstenfeldbruck:Allerlei vom Feminismus

Fürstenfeldbruck: Bei der Premiere der Theaterrevue "Rauf und Runter" des Theaters in Gröbenzell inszenieren die Ensemble-Mitglieder (von links) Monika Sailer, Heike Maltan und Barthl Sailer unter anderem alte Werbefilme.

Bei der Premiere der Theaterrevue "Rauf und Runter" des Theaters in Gröbenzell inszenieren die Ensemble-Mitglieder (von links) Monika Sailer, Heike Maltan und Barthl Sailer unter anderem alte Werbefilme.

(Foto: Carim Soliman)

Das Theater in Gröbenzell kehrt mit einem besonderen Best-of zurück. In mitreißendem Tempo widmet es sich Geschlechterrollen, dass einem zum Lachen, zum Heulen und zum Schreien ist.

Von Carim Soliman, Gröbenzell

Die Hausmeisterin nimmt ihre Kritik vorweg. "Mir gefällt das nicht", murrt sie, "so ein Theaterstück aus vielen Schnipseln." Lässig steht sie auf der Bühne, die Hände in den Taschen ihrer Latzhose, dem Publikum zugewandt. "Da kann man gar nicht in die Tiefe gehen", moniert sie stirnrunzelnd. Die Premiere der Revue "Rauf und Runter" des Theaters in Gröbenzell, durch die sie selbst führt, ist in diesem Moment noch in vollem Gange.

Rückblickend, nachdem der sprichwörtliche Vorhang im Bürgerhaus Gröbenzell dann gefallen ist, möchte man ihr widersprechen: Kann man offenbar sehr wohl. Vielleicht sogar noch besser als mit einem einzelnen Stück in voller Länge. Als Frau sicher unbeschwerter denn als männlicher Kritiker - der es sich, sollte das Bühnengeschehen zu ihm durchgedrungen sein, zweimal überlegen wird, Frauen eines Besseren zu belehren. So viel zu fehlendem Tiefgang.

"Rauf und Runter" ist ein fulminanter Ritt durch die volle Palette des Theaters - inhaltlich, formell, inszenatorisch. Regisseurin Luisa Bogenberger hat die liebsten Werke des Ensembles aus den vergangenen zwei Jahren zu einem Stück verwoben, zur Feier der Rückkehr auf die Bühne nach pandemischer Unterbrechung. Kein leichtes Unterfangen, Ausschnitte aus mehr als einem Dutzend Theaterstücken, Liedern, YouTube-Videos und Essays stecken darin, ergänzt und verbunden durch eigene Werke. Es ist ein kreativer Flickenteppich, aber eben der Variation wegen kurzweilig und dabei trotzdem stimmig. Denn zumindest ein roter Faden verbindet alle Flicken.

Putins toxische Männlichkeit auf der Bühne

Aus unterschiedlichen Winkeln - und in unterschiedlicher Brennstärke - beleuchten sie feministische Ideen von Weiblichkeit und Männlichkeit, zuweilen ihr Zusammenspiel. "Lass dich nicht vergewaltigen", heißt es zu Beginn fordernd von der Bühne, "sei nicht schlampig", "sei nicht prüde", "schmink dich", "sei natürlich". Jutta Hatzold, Heike Maltan, Monika Sailer und Barbara Chlumsky rezitieren die gesellschaftlichen Forderungen an Frauen in demselben unerbittlichen Stakkato wie Schauspielerin Cynthia Nixon im Original, dem viralen Video "Be a Lady They Said".

Später spielen Barthl Sailer und David Wenzl ein männliches Pendant: "Sei hart", "sei ein Krieger", "schlag zu", aber "schlag niemals eine Frau!" Diesmal stammt der Text vom Ensemble selbst, vorgetragen mit vielsagenden Unterschieden. Sie stellen die Forderungen nicht ans Publikum, sondern einander im Streitgespräch. Zwischendurch unterbricht Sailer den Dialog. Er wendet sich dem Publikum zu und liest aus Ute Scheubs Essay "Wladimir Putins toxische Männlichkeit: Sehnsucht eines kleinen Mannes". Wenzl salutiert neben ihm, beide umrahmt von den Farben der ukrainischen Flagge. Den ganzen Abend lang hängen sie links und rechts auf Papieren neben der Bühne.

Brachial geht es zu in einigen der Teilstücke, oft zumindest grobschlächtig, wenn einer von Barthl Sailers Kerlen im Spiel ist. Auf Bairisch poltert er dann, typisch Mann, in unbeholfenem Zorn. Einmal als Opa aus dem Theaterstück "Abstellgleis" von Felix Mitterer, hinter dessen Ausbrüchen die tiefe Angst im Alter vor dem Tod, der Einsamkeit und, für Männer wie ihn am schlimmsten, der Schwäche versteckt. An anderer Stelle zum großen Vergnügen des Publikums als unentschlossener Bergsteiger aus Peter Roseggers Gedicht "Der Regenschirm".

Heitere Szenen mit ernstem Unterton

Für lautere Lacher sorgt nur der Versuch Heike Maltans, ein weißes Kabel zu kaufen, im Baumarkt, diesem "letzten heiligen Gral männlichen Druidentums". Verzweifelt kämpft sie dort mit der Ignoranz der männlichen Baumarktmitarbeiter, schließlich ganz wörtlich. Im Fechtduell mit einem vorlauten Baumarkt-Bubi springt sie über ganze Bühne, begleitet von der epischen Musik aus der Filmreihe "Fluch der Karibik".

Ein Kontrast zu Maltans Rolle als "anständige" Hausfrau in den Inszenierungen alter Werbefilmchen aus den Fünfzigerjahren. Statt eines Degens schwingt sie dann den Kochlöffel für ihren geliebten Gatten, dem nach rein männlichen Strapazen wie dem Broterwerb keine weiteren Unannehmlichkeiten zuzumuten sind. Hausarbeit, etwa, oder ein kurzes Gespräch über das Befinden. Wirklich komisch - aus heutiger Perspektive, wohl gemerkt. Damals wurde dieses Rollenbild noch sehr ernst genommen, mahnt Monika Sailers Hausmeisterin. Und weder war es auf Werbeindustrie beschränkt, noch ist es völlig verschwunden.

Die Hausmeisterin begleitet durch die Revue, hilft, bei dem wahnwitzigen Tempo zwischen den Szenen nicht den Anschluss zu verlieren. Meist mit einem Augenzwinkern kommentiert sie, was gerade auf der Bühne geschieht und geschehen wird, mit einem Augenzwingern. Sailers Süffisanz trifft den perfekten Ton zwischen ausgestreckter Hand und erhobenen Zeigefinger. Denn ganz vom Haken lässt sie das Publikum nie, zum Beispiel, wenn sie erklärt, dass überwiegend Frauen an Depressionen leiden. "Nach unserem Stück wissen Sie, warum." Gegen Ende legt sie den Finger sogar einmal selbst tief in die Wunde. Schön, dass wir wieder für euch spielen können, sagt das Theater in Gröbenzell, wir bringen euch gerne zum Lachen. Und wenn es sein muss, tun wir euch weh.

"Rauf und Runter - Ein Koffer voll Theater, voller Leben und uns, TiG - Theater in Gröbenzell", nächste Termine: 18., 19. und 20. März, anschließend weitere Aufführungen. Reservierungen und Informationen unter www.theater-tig.de

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