Tassilo-Preis:Ein Ensemble im Wandel

Tassilo-Preis: Das Theater 4 beschäftigt sich aus der Perspektive junger Menschen damit, was in der Welt nicht so läuft, wie es sollte.

Das Theater 4 beschäftigt sich aus der Perspektive junger Menschen damit, was in der Welt nicht so läuft, wie es sollte.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Theater 4 hat 2021 den Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung gewonnen. Ihre gesellschaftskritische Arbeit setzen Mitglieder der Gruppe in eigenen Projekten fort.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Wie zermürbend Systeme und Strukturen, egal ob gesellschaftlich oder persönlich, sein können, zeigt das junge Theater 4 mit seinen Arbeiten immer wieder aufs Neue höchst eindrucksvoll und eindringlich. Davon war auch die Jury des Tassilo-Preises im Jahr 2021 so überzeugt, dass sie dem Ensemble eine der Auszeichnungen verliehen hat. Seitdem hat sich einiges in der kleinen Gruppe getan, die Mitglieder sind zum Studieren von Fürstenfeldbruck in die verschiedensten Ecken der Republik gezogen, eine Schauspielerin sogar nach Schweden. Trotzdem geht die Arbeit der Gruppe weiter, in wechselnden Zusammensetzungen und teilweise mit eigenständigen Projekten. Das Theater 4 wurde als Jugendensemble des etablierten Theater 5 in Fürstenfeldbruck gegründet, das selbst 2012 mit dem Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet wurde. Dessen Leiter Matthias Weber unterstützt auch die aktuellen Arbeiten der Theater-4-Mitglieder, wann immer er gebraucht wird.

Die bisher letzte große Gemeinschaftsarbeit der Gruppe wurde im November 2021, etwa ein halbes Jahr nach der Preisverleihung, veröffentlicht. Mit "Cement of the Universe" hat das Theater 4 dafür sogar erstmals die Bühne verlassen und einen Spielfilm gedreht, der im Brucker Lichtspielhaus seine Premiere feierte. Er erzählt die Geschichte von zwei jungen Frauen, die aus den Strukturen ihrer Beziehungen ausbrechen wollen und sich dafür in die Fänge einer gefährlichen Ideologie begeben. Damit reiht sich der Film nahtlos ins Werk des Theater 4 ein, denn auch die früheren Stücke haben sich stets aus der Perspektive junger Menschen damit beschäftigt, wie man sich selbst verortet und seinen Standpunkten treu bleibt, in einer Welt, in der vieles nicht so läuft, wie es sollte. Aber immer so, dass jeder, der sich die Arbeit anschaut, etwas daraus ziehen kann - und nie mit erhobenem Zeigefinger oder moralischer Agenda. Vielmehr mit einem nüchternen und eher verzweifelten Blick, der Zustände beschreibt und nach Erklärungen sucht.

Kopf des Ensembles ist die 24-jährige Katharina Holzhey, die aktuell in Tübingen Psychologie studiert und bereits einen Philosophie-Bachelor in München gemacht hat. Sie hat alle Theaterstücke der Gruppe geschrieben und als Regisseurin auf die Bühne gebracht. Das Drehbuch für "Cement of the Universe" hat sie gemeinsam mit der Gruppe geschrieben und dann bei den Dreharbeiten Regie und Kamera übernommen. Aktuell arbeitet sie an ihrem zweiten Film, in dem sie ihre Erfahrungen aus dem Psychologiestudium verarbeitet. "Es geht um eine Aufarbeitung der Maschinerie des stumpfen Auswendiglernens, die sehr blutig wird", beschreibt Holzhey den Inhalt des Films. Sie habe das Gefühl, dass es in diesem Studiengang zu viel ums Auswendiglernen gehe, unter hohem Druck, so dass die Gefühle und Gedanken der Studierenden auf der Strecke bleiben. "Das ist ein harter Gegensatz zum Philosophiestudium, bei dem es auch viel darum geht, sich selbst auszudrücken", so die 24-Jährige.

Aktuell ist es schwer, alle Mitglieder für ein Projekt zusammen zu bringen

Für die Umsetzung hat sie eine Gruppe von Tübinger Studierenden mit wenig Bühnenerfahrung um sich gescharrt. "Ich wollte nicht das institutionalisierte Setting eines Theaters haben. Außerdem geht es mir darum, Leute mit im Boot zu haben, die das gleiche erleben, wie ich." Gedreht wird immer Montagabend im Psychologie-Institut, solange, wie alle Spaß haben. Denn die Arbeit am Film soll einen Gegensatz zum Zwang des Studiums bilden, ohne Abgabedruck, dafür mit viel Freude. Im Sommer soll er fertig werden und nur, wenn alle Beteiligten mit dem Ergebnis zufrieden sind, wird er dann auch öffentlich gezeigt.

Parallel dazu arbeitet Holzhey aktuell in München an einem Theaterstück, an dem auch Mitglieder des Theater 5 beteiligt sind. Allzu viel könne sie darüber aber momentan nicht verraten, weil es eine freie Produktion sei, bei der noch nicht ganz klar ist, wohin die Reise geht.

Dass das Theater 4 in Zukunft noch einmal gemeinsam auf der Bühne stehen wird, schließt Holzhey nicht aus. Nur aktuell sei es eben durch die Studien- und Lebenssituationen der Mitglieder schwer, alle für ein großes gemeinsames Projekt mit Probentagen und Aufführungsterminen zusammen zu bekommen. Im vergangen Jahr habe die Gruppe versucht, über digitale Treffen gemeinsam etwas zu entwickeln, letztlich aber schnell gemerkt, dass es in dieser Form aber nicht wirklich funktioniert.

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