Corona:Wie geht es weiter mit den Testzentren?

Corona: Viele Betreiber von Teststationen wissen nicht, wie sie die neue Testverordnung des Bundes umsetzen sollen - und werden mit ihren Fragen allein gelassen.

Viele Betreiber von Teststationen wissen nicht, wie sie die neue Testverordnung des Bundes umsetzen sollen - und werden mit ihren Fragen allein gelassen.

(Foto: Sebastian Gollnow)

Schnelltests kosten jetzt drei Euro, zumindest in den meisten Fällen. Allerdings gibt es keine Vorgaben dazu, wie die Abrechnung aussehen soll. Weil auch die Nachfrage zurückgeht, schließen einige Stationen.

Von Carim Soliman, Fürstenfeldbruck

Ohrenbetäubendes Schnarren hallt am Dienstagabend durch den Gang der Grund- und Mittelschule Türkenfeld. Tanja Wolf schleift eilig zwei Tische über das Linoleum. "Ich bin ein bisschen spät dran, aber so lange dauert der Aufbau nicht." Gleich werden die ersten Kundinnen und Kunden vor der Tür stehen, um einen Schnelltest bei ihr machen zu lassen. Möglicherweise zum letzten Mal.

Am Freitag schließt das Schnelltestzentrum in Türkenfeld - aus zwei Gründen. Zum einen sei die Nachfrage in den Sommermonaten zurückgegangen, sagt Betreiber David Müller. Zum anderen ist am Donnerstag eine neue Testverordnung des Bundes für Bürgertests in Kraft getreten. Sie sind nun kostenpflichtig, drei Euro werden pro Abstrich fällig. Davon ausgenommen sind nur vulnerable Gruppen, zum Beispiel Kinder bis fünf Jahre und Besucherinnen und Besucher von Kliniken und Pflegeheimen. Der Bund will mit der Änderung Kosten sparen. Mit durchschnittlich einer Milliarde Euro im Monat hätten die kostenlosen Tests bisher zu Buche geschlagen, heißt es. Bis zum Jahresende soll sich der Betrag halbieren, rechnete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der Ankündigung der Verordnungsänderung am vergangenen Freitag vor.

"Ich habe keine Ahnung, wie wir das umsetzen sollen"

Die Rechnung mag aufgehen. Aber zwischen Rechnung und Abrechnung liegt ein großer Unterschied. "Der Verwaltungsaufwand wird gewaltig", sagt Zentrumsbetreiber Müller aus Türkenfeld mittwochs am Telefon, da sei er sich sicher. Sonst weiß er, einen Tag, bevor die neue Regelung gilt: nichts. Gesundheitsminister Lauterbach hat zwar das Ende kostenloser Tests für alle angekündigt. Aber wie das in der Praxis aussehen soll, ließ er erstmal offen. Es gäbe überhaupt keine Vorgaben, sagt Müller, zum Beispiel dafür, wie er die kostenpflichtigen Tests abrechnen soll oder welchen Nachweis er verlangen muss, wenn jemand einen kostenlosen Test fordert. Damit er nicht rückwirkend belangt wird, schließt er seine Teststation bis auf Weiteres.

"Ich habe keine Ahnung, wie wir das umsetzen sollen", sagt auch Muhammed Kaya. Der Bauunternehmer betreibt unter anderen zwei Testzentren in Puchheim. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten schon jetzt viel leisten. Weitere Aufgaben wolle er ihnen nicht zumuten, etwa, wenn sie den Grund für einen Test festhalten sollen. "Wie stellen die sich das vor? Sollen wir ein Foto von der Eintrittskarte machen, wenn jemand sich für ein Konzert testen lassen will?" Er rechnet mit Einbußen. Die Testkits seien im Einkauf zwar mittlerweile günstig. Aber auf der Ausgabenseite stehen für Testzentren auch Personal, Schutzkleidung und Räumlichkeiten. Kommen weniger Kundinnen und Kunden, weil sie kein Geld für einen Test ausgeben möchten, müssen Betreiber an diesen Stellen sparen - oder schließen.

Die kostenpflichtigen Tests verkomplizieren zudem die Abrechnung. Bisher halten Teststationen die Zahl der durchgeführten Abstriche fest und lassen sie sich über die Kassenärztlichen Vereinigungen vom Bund erstatten. Ausgezahlt werden derzeit 9,50 Euro pro Test. Die Pauschale soll unter der neuen Verordnung dieselbe bleiben, nur will der Staat davon künftig lediglich 6,50 Euro übernehmen. Der Rest gilt dann als Eigenbeteiligung. Die Testzentren können aber nicht einfach eine Kasse hinter die Theke stellen und das Geld am Ende des Tages einstecken. "Die Erstattungen durch die Kassenärztliche Vereinigung sind steuerfrei", erklärt Kaya, "aber gilt das dann auch für die drei Euro, die wir abkassieren?" Als Unternehmen seien seine Teststationen grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig.

Eigentlich dient das Gesundheitsamt Fürstenfeldbruck den Testzentren im Landkreis als Anlaufstelle für Rückfragen. Aber weil es ebenso von Vorgaben durch Bund und Land abhängig ist, erfahren fragende Tester dort selten mehr. Trotzdem wünschen sie sich eine aktivere Kommunikation seitens der Kreisverwaltung. "Ich will nicht aufs Landratsamt draufhauen", sagt ein Betreiber. "Frustrierend ist es trotzdem, wenn man nichts hört."

Am späten Donnerstagvormittag hört er etwas. Das Landratsamt informiert die Teststationen per Mail darüber, dass die neue Verordnung nun vorliegt - und bereits gilt. Das Bundesgesundheitsministerium hat sie am Mittwochnachmittag veröffentlicht, nur Stunden, bevor sie in Kraft trat. Erst am Donnerstagmorgen sei man durch das bayerische Gesundheitsministerium direkt informiert worden, erklärt eine Sprecherin des Landratsamts auf Anfrage. "Wir haben mit Corona schon so einiges erlebt. Aber das war wirklich eine Überraschung." Die Kreisverwaltung bedaure, den Betreibern der Teststationen nicht mehr Informationen darüber geben zu können, wie sich die aktuelle Testverordnung umsetzen lässt. Wer mehr erfahren will, müsse "Herrn Lauterbach fragen".

"Eigentlich sind wir genauso schlau wie vorher", sagt Stationsbetreiber Muhammed Kaya am Telefon. Das Amt habe ihnen zum Beispiel bestätigt, dass sie den Anspruch auf einen kostenfreien Schnelltest, etwa ein Besuch in einer Pflegeeinrichtung, prüfen müssen. Nur wird weiterhin nicht erklärt, wie. Außerdem dürften Sie solche Angaben ihrer Kundschaft aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht länger als 14 Tage speichern. "Wie sollen wir der Kassenärztlichen Vereinigung anschließend nachweisen, dass wir den Anspruch auf volle Erstattung haben?"

Es droht trotz allem vorerst kein Ende der Testzentren

Allen Unklarheiten zum Trotz müssen Landkreisbewohnerinnen und -bewohner nicht darum bangen, sich von Juli an nirgends mehr testen lassen zu können. Das Landratsamt betreibt im Auftrag der Landesregierung selbst zwei Testzentren in Fürstenfeldbruck. "Auf Bitte der bayerischen Staatsregierung" bleiben sie zunächst bis 15. Oktober weiter in Betrieb. Allerdings bieten sie auch weiterhin nur kostenlose Tests an. Wer für einen Test zahlen will, muss ab sofort zu einem privaten Testzentrum. Glücklicherweise machen auch einige private Anbieter weiter, auf eigenes Risiko. Muhammed Kaya versucht es wenigstens zu minimieren. Vorsichtshalber lässt er seine Abrechnungssysteme fortan mit 19 Prozent Mehrwertsteuer kalkulieren, 19 Prozent, die ihm erstmal fehlen. Auch die derzeit fünf Teststationen des Anbieters Med 4 bleiben bis Ende Juli geöffnet, sagt Eckart Lutzeier. Sein Unternehmen stellt das Personal für Med 4. "Wir schauen uns das erstmal vier Wochen an."

Für David Müller und die Teststation in Türkenfeld spielt das keine Rolle mehr. Seine Entscheidung zu schließen, lässt sich nicht mehr ändern. Endgültig ist sie womöglich aber nicht. Am Dienstag hat es Tanja Wolf gerade noch rechtzeitig geschafft, alle Bauteile an Ort und Stelle zu rücken. Der Andrang war auch gleich groß, ein Dutzend Menschen legten ihren Ausweis im Laufe der ersten Minuten für einen Bürgertest vor. Das bestärkte sie in ihrer Annahme, dass sie bald wieder hier stehen wird. Wenn im Herbst die Zahlen steigen, müsse die Bundesregierung umlenken. "Jetzt ist erst mal Schluss für uns, stimmt. Aber lange hält das nicht."

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