Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Im Rollstuhl auf dem Tennisplatz

Der TC Puchheim bietet in Kooperation mit den Landesverbänden Kurse für Menschen mit und ohne Handicap an. Das Beispiel Heinrich Enderle zeigt, wie sehr die Menschen von solchen Sportmöglichkeiten profitieren.

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Erst einmal stehen die Rollstuhl-Tennisspielerinnen und -spieler in der Tennishalle des TC Puchheim. Heinrich Enderle wird in Kürze 87 Jahr alt. Nach vielen Jahrzehnten Tennis, zuletzt mit der Puchheimer Ü70-Mannschaft, musste er vor zwei Jahren aus Gesundheitsgründen aufhören. Jetzt ist er sehr dankbar, dass er im Rollstuhl seinem geliebten Sport wieder nachgehen kann. "Den Bezug zum Ball habe ich noch", sagt er, "nur das Schlagen ist eingeschränkt, weil die Bewegung verkürzt ist und man nicht weit ausholen kann." Enderle hat sich einen speziellen Sportrollstuhl gekauft. Er muss mit beiden Händen zum Ball rollen und den Schläger dabei bereithalten. "Das funktioniert", bestätigt Enderle. Mit Tennis blüht er offenbar wieder auf: "Meine Frau sagt, ich habe mich seitdem positiv verändert."

Die Trainerin der noch kleinen Rollstuhl-Tennisgruppe ist Elke Happach. Die Tochter von Heinrich Enderle spielte einst für die Frauenmannschaft des TC Puchheim in der Bayernliga. Mittwochs von 12 bis 13 Uhr trifft sich die Gruppe zum Training. Mit dabei ist auch Rosita Anaya-Rodriguez, die Vorsitzende des Puchheimer Behindertenbeirats. Für sie ist Tennis ein komplett neuer Sport. Die gehbehinderte 65-Jährige war viele Jahre passionierte Reiterin. In der Para-Dressur war sie bayerische und deutsche Meisterin. Auch an den Paralympics hat Anaya-Rodriguez teilgenommen. "Tennis muss ich lernen", sagt sie, "mit dem Rollstuhl klappt es aber schon super." Damit hat sie Erfahrung, mit ihm bewegt sie sich draußen schon seit zehn Jahren. Elke Happach hat große Geduld mit den Anfängerinnen in der Gruppe, die dem gelben Filzball hinterherjagen. Sie hätte gerne finanzielle Unterstützung bei der Beschaffung von Rollstühlen durch Geldgeber und Sponsoren. "Die Sportrollstühle sind anders konstruiert und haben einen Kippschutz", erläutert Happach. Momentan verfügt die Gruppe noch über Leihrollstühle.

Der Puchheimer Tennisverein setzt sich in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Tennis-Verband und dem Bayerischen Behindertensportverband anspruchsvolle Ziele. "Stand heute haben wir eine erste Rollstuhlgruppe realisiert", sagt Pressesprecherin Svenja Habenschaden. "Im Jahr 2023 wollen wir ungefähr 40 Mitglieder in allen Behindertengruppen gewinnen und ihnen ein Kursangebot - ein Ganzjahresangebot mit 35 Einheiten - 15 im Sommer und 20 im Winter - anbieten." Die Kurse sollen "inklusiv", also zusammen mit Nichtbehinderten, stattfinden und werden von zwei fachkundigen Trainern begleitet, die Medaillen bei paralympischen Wettbewerben gewonnen haben. Aufgrund der Tennishalle sei Ganzjahressport und Wetterunabhängigkeit garantiert. Der TC Puchheim soll zum Inklusionsstützpunkt werden, so das langfristige Ziel des Vereins.

Aktuell laufen die Vorbereitungen für die erste Gruppe von Kindern mit mehr oder weniger großen Einschränkungen im geistigen Bereich. Erste Probetrainingseinheiten mit Blinden oder Sehbehinderten sind absolviert und eine enge Zusammenarbeit mit der Blindensportgruppe in Gröbenzell befindet sich in Planung. Im April sind viele Auftritte auf Behindertensporttagen und ein eigener "Tag der offenen Tür" am 29. April auf der Anlage des TC Puchheim geplant. Natürlich können Interessierte auch mal "schnuppern" oder Tennisequipment und Sportrollstühle ausleihen. Bei Interesse bittet der Verein um eine Email an inklusion@TC-Puchheim.de.

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