Diesmal war der Gärtner das Opfer. Doch das konnten Christina Schmiedel und Michael Stadler vorher nicht wissen. Wer ermordet werden würde, wo und womit, wurde erst wenige Minuten vor dem Start der Ermittlungen von den Zuschauern bestimmt. So ein Vorgehen kennt man vom Improvisationstheater, wo die Einfälle des Publikums die Spontaneität der Schauspieler auf die Probe stellen. Impro gibt es an der Neuen Bühne Bruck auch, immer einmal im Monat. Doch "Tatort Fürstenfeld" ist mehr als das: Die von Schmiedel und Stadler für die Neue Bühne entwickelte Krimireihe ist zum Teil geskriptet, zum Großteil aber improvisiert, manchmal gehören die Zuschauer zur Handlung, dann wieder nicht. Das Hybrid, das so entstanden ist, macht nicht nur sehr viel Spaß, sondern beweist auch, dass diese beiden Bühnen-Chamäleons einfach verstanden haben, wie Theater funktioniert.
Es war ein Experiment. Des Ausgangs war sich keiner sicher. Deswegen heißt es auch von einigen Schauspielerkollegen im Publikum vorab: "Ich bin echt mal gespannt, was das wird." Es wurde die Pilotfolge einer Live-Krimi-Comedy-Serie mit aktiver Zuschauerbeteiligung, im Grunde das, was das Fernsehen schon lange realisieren möchte. Die Basispfeiler der Handlung kommen typisch Impro aus dem Zuschauerraum: Der Gärtner Ludwig wurde mit einem Regenschirm im Kino umgebracht. Aus einer anderen Kombination hätte ein mit einer Kettensäge ermordeter Finanzbeamter werden können. Man merkt Schmiedel und Stadler an, dass sie auch weitaus Ausgefallenerem gegenüber nicht abgeneigt gewesen wären. Doch das kann beim nächsten Fall ja noch werden. Schließlich war es auch für das Publikum das erste Mal.
Das nun Folgende erweist sich des Krimi-Genres würdig: Es hat sein eigenes, live gesungenes Titellied - "Zwischendurch trinken sie Radler, hier kommen Schmiedel und Stadler" -, durch Carles Camós am Klavier seinen eigenen Soundtrack und eigene Running Gags. Einer davon ist Schmiedels Brille: Weil sie jene als Ermittlerin Claudia Schmiedel trägt, in ihren anderen Rollen jedoch nicht, kommt es zu unterhaltsamen Verwechslungen, wenn sie einmal vergisst, sie abzunehmen. Doch wie es sich für Impro-Künstler gehört, wird aus jedem Patzer komischer Dialog gemacht. So Stadler als Ermittler Hubert zur verdächtigen Floristin: "Für einen Moment habe ich Sie für meine Kollegin gehalten." Und Schmiedel als Floristin merklich amüsiert zurück: "Wissen Sie, ich brauche jetzt seit Neuestem eine Brille, um im Dunkeln zu lesen."
Was vor dem Mord passiert ist, erfährt man in einem für TV-Krimis typischen Cold Open: Mit Ende 30 eröffnet Ludwig seiner entsetzten Mutter, dass er sich entschieden hat, bei ihr auszuziehen. Seine Chefin im Blumenladen verärgert er, weil er ein besseres Jobangebot bekommen hat. Im Kino diskutiert er mit einer Frau um seinen Platz. Dann ist er tot. Mutti, Mareike oder Magdalena - wer die Mörderin war und wie ein Regenschirm zur Mordwaffe wurde, wird am Ende in einem Flashback erzählt. Bis dahin ermitteln Schmiedel und Stadler.
Schmiedels Polizistin Claudia ist eine unentspannte Workaholic, deren einzige Freizeitfreude die wöchentliche Fagottstunde ist. Stadlers Kommissar Hubert ist ein hartschalig-weichkerniger Möchtegern-Macho, der wie das Opfer noch bei Mama wohnt. Das tote Muttersöhnchen Ludwig war zu allen zu nett, weswegen er in seinem Leben bislang auf der Stelle getreten ist. Mit seiner Mutter hatte er eine wahnhaft ungesunde Beziehung à la Hitchcocks Norman Bates, nur dass - Achtung, Spoiler - sie am Ende ihn umbringt. In kürzester Zeit zeichnen Christina Schmiedel und Michael Stadler so individuelle Figuren mit nachvollziehbaren Persönlichkeiten. Aus Versprechern werden Charaktereigenschaften, aus Erklärungsnot Lebensläufe. Deswegen hat Kriminalkommissar Stadler am Ende auch nicht nur eine zusätzliche Botaniker-, sondern auch eine Ju-Jutsu-Ausbildung.
Selbstironische und metatheatrale Kommentare - "Ein Gärtner? Was für ein Klischee" - und Fürstenfeldbrucker Lokalbezug - ein Besuch im Swingerclub "Burg Ibiza" in der Hasenheide dient als Alibi - runden die Premiere von "Tatort Fürstenfeld" ab. Schließlich kommt zu den vielen Lachern auch noch ein bisschen Liebe: Das Ermittlerpaar schwärmt heimlich füreinander, doch eine Verabredung klappt einfach nicht. Noch nicht. Zu vielen Folgen einer Krimi-Serie gehört zumindest ein kleiner Cliffhanger. Der Fall ist gelöst - aber was ist mit dem Rest? Und da jeder Teil in der Aufführungsreihe anders sein wird, darf man weiterhin mitfiebern und sich fragen: Kommen sie vielleicht doch noch zusammen?
Die nächste Aufführung von "Tatort Fürstenfeld" an der Neuen Bühne Bruck ist am Sonntag, 23. Oktober, um 19 Uhr. Karten gibt es unter Telefon 08141/18589.