Wenn zwei 20-jährige Musiker ihre Debüt-CD einspielen, dann müssen sie in gewisser Weise "wahnsinnig" sein. Sie müssen so verrückt nach Musik sein, dass sie das Gefühl haben, die Welt und zugleich der Himmel gehört ihnen. Die Wege zur großen Karriere sind mehr als steinig, aber zu den unabdingbar notwendigen Schritten gehören Einspielungen auf Tonträger. Der Emmeringer Geiger Tassilo Probst und der in New York lebende Pianist Maxim Lando haben vor wenigen Tagen ihre erste Doppel-CD vorgelegt, die vom Repertoire her auf alle Fälle ungewöhnlich ist. Sie haben ihr den Titel "Into Madness", also "in den Wahnsinn", gegeben. Aber vielleicht muss man ja wahnsinnig oder verrückt sein, um so ein ausgefallenes Programm zusammenzustellen. In diesem Sinn ist die CD auf alle Fälle "einzigartig", wie es sich Tassilo Probst im Booklet-Interview wünscht. Und man kann vermeiden, ständig mit anderen Künstlern und Interpretationen verglichen zu werden. So sehr es eine Ehre sein mag, an den Großen der eigenen Zunft gemessen zu werden, eigentliches Ziel jedes Musikers ist es, individuell als Großer wahrgenommen zu werden. Die Einspielung entstand als Koproduktion zwischen dem Label Berlin Classics und BR-Klassik als erste Aufnahme im neuen Konzertsaal in Haus Marteau in Oberfranken.
Béla Bartóks Sonate für Violine und Klavier in e-Moll op. posth. aus dem Jahr 1903 überrascht zunächst insofern, als die Klangsprache nicht gängigen Erwartungen entspricht. Die Einleitung des Kopfsatzes (Allegro moderato) kommt aus der Tiefe und findet dann in eine lyrische Melodik, die man am ehesten der spätromantischen Brahms-Nachfolge zuordnen kann. Der Ausdrucksgehalt steigert sich zur großen Geste. Eine Begegnung beider Instrumente auf gleicher Ebene, quasi ein Zusammentreffen von Seelenverwandten in der musikalischen Kommunikation, stellt der Mittelsatz (Andante) dar. Das abschließende Vivace beeindruckt durch den spielerischen Zugriff ebenso wie durch die rhythmische Vitalität.
Die Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 in a-Moll op. 25 aus dem Jahr 1926 von George Enescu folgt. In gewisser Weise wie eine Emanzipation von Regeln und Grenzen fassen die beiden Musiker den Eingangssatz (Moderato malinconico) als dankbares Experimentierfeld auf. Sie sind beide mit vielfältigen Impulsen beteiligt und verstehen die Freiräume als kreative Kraftquellen. Während der zweite Satz (Andante sostenuto e misterioso) einen Ausflug ins Übersinnliche bringt, verdichten sich hier gleichzeitig Intensität und klangliche Tiefe. Selbstverständliche Virtuosität, gepaart mit der Kraft der Volksmusik, sind im dritten Satz (Allegro con brio) zu ganz synchronem Zusammenspiel vereint.
Die Sonate Nr. 2 op. 45 für Violine und Klavier von Joseph Achron aus dem Jahr 1918 erklingt hier in einer Ersteinspielung. Obwohl das Werk zeitlich zwischen den beiden anderen Sonaten angesiedelt ist, ist es stilistisch das fortschrittlichste. Der rhythmisch komplexe Beginn des Kopfsatzes (Giocondo) ist mit einer ausdrucksstarken Melodik kombiniert, wodurch ein teilweise schwebender Höreindruck entsteht. Das tastende Suchen im unergründlichen Urgrund der Musik ist Kennzeichen des mit "misterioso e fantastico" überschriebenen zweiten Satzes. Als quirliges Perpetuum mobile in dialogischer Verklammerung der beiden Partner gelingt der dritte Satz (Burla) mit nicht nachlassender Präsenz und luftiger Leichtigkeit. Punktgenaue Treffsicherheit prägt schließlich den Finalsatz (Focoso).
So ebenbürtig gleichberechtigt und gegenseitig inspirierend Tassilo Probst und Maxim Lando auf dieser CD musizieren, so verwunderlich ist es gleichzeitig, dass die Ausstattung des Albums eine klare Priorisierung vornimmt: Schon das Cover-Foto positioniert den Geiger vor dem Pianisten (und damit optisch größer). Das ausführliche Interview findet nur mit dem Geiger statt (sogar in englischer Übersetzung), vom Pianisten finden sich lediglich ein paar Zeilen zum Thema "Madness". Hier ist bedauerlicherweise die so zentrale natürliche Mitte von Kammermusik "verrückt", wie sie sich aus diesen Werken ergibt. Joseph Achrons Sonate wird als "Weltersteinspielung" gepriesen, doch fehlen bedauerlicherweise erläuternde Texte zum weithin unbekannten Komponisten und seiner Musik völlig.
Fraglich scheint nur, ob die beiden Musiker "verrückte Typen" sind, wie es Tassilo Probst im Interview angibt. Genau genommen entsteht hier eher der Eindruck von sehr seriösen jungen Musikern, die die Tiefe der Musik im jeweiligen Kontext ausloten und von da aus überzeugende Interpretationen finden. Der Anspruch an den Rezipienten ist allerdings extrem hoch, es gibt keinen Moment auf dieser Doppel-CD, den man nebenbei oder beiläufig hören könnte. Dafür ist der Höreindruck auch absolut fesselnd. Sollten die beiden Musiker also verrückt sein, dann ist diese Eigenschaft beim Zuhörer in gleicher Weise gefordert.
Das Debut ist eindrucksvoll gelungen, jetzt ist es spannend, die weiteren künstlerischen Wege von Maxim Lando und Tassilo Probst zu verfolgen.