Tassilo:Gesten der Anerkennung

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In der Grafrather Wallfahrtskirche bekommen Musiker kurze, bezahlte Auftrittsmöglichkeiten im Gottesdienst. Hinter der Idee steht der Kulturverein Sankt Rasso, der seine Gründung einem Historienspiel verdankt

Von Florian J. Haamann, Grafrath

In Zeiten, in denen nichts mehr so funktioniert wie gewohnt, sind es die kleinen kreativen Umwege, die manchmal doch ans Ziel führen können. Das beweist der Kulturverein Sankt Rasso seit einigen Monaten eindrucksvoll. Offizielle Auftrittsmöglichkeiten für Musiker gibt es schon lange nicht mehr, seit die Pandemie-Maßnahmen Konzerte verbieten. Erlaubt aber sind Gottesdienste. Und - eingeschränkt - deren musikalische Begleitung. Seit November lädt der Kulturverein deshalb Musiker ein, die Gottesdienste in der Wallfahrtskirche Sankt Rasso zu gestalten. Für die Musiker bedeuten diese kurzen Auftritte nicht nur die Chance, endlich einmal wieder vor einem kleinen Publikum spielen zu können. Die Rasso-Konzerte sind existenziell. Denn alle eingeladenen Musiker bekommen eine Gage. Finanziert wird das Projekt durch Spenden, auch der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung hat den Verein dabei unterstützt. Für sein monatelanges Engagement für die durch die Corona-Pandemie besonders betroffenen Künstler ist der Verein nun für den Tassilo-Preis nominiert.

Die Kirchenkonzerte sind das neuste Projekt. (Foto: Leonhard Simon)

Gegründet wurde er im Jahr 2002 allerdings aus einem ganz anderen Grund. Schon seit mehreren Jahren liefen damals die Renovierungsarbeiten im Inneren der Wallfahrtskirche, für 2004 war die Wiedereinweihung geplant. Und einige Grafrather haben sich überlegt, wie man diesen Anlass gebührend feiern könnte. "Ich habe damals erfahren, dass es 50 Jahre vorher, 1954, ein großes Historienspiel über das Leben das heiligen Rasso gegeben hatte. Und dann haben wir den verwegenen Plan gefasst, das wieder aufzuführen", sagt Maria Leitenstern-Gulden, die seit der Gründung die Vorsitzende des Kulturvereins ist.

Mit 150 Mitwirkenden und einem neu geschriebenen Stück hat man es damals dann auch geschafft, mehrere Freilichtaufführungen auf die Bühne zu bringen. Eigentlich sollte die Geschichte des Vereins danach enden, sein Zweck war ja erfüllt. "Nach den sechs Abenden, die wirklich gut angekommen sind, war die Begeisterung bei uns im Vorstand groß. So groß, dass wir gesagt haben, es wäre eigentlich schade, wenn wir den Verein jetzt wieder auflösen", erinnert sich Leitenstern-Gulden. Also habe man entschieden weiter zu machen. Die Frage war nur: wie? Bald war eine Mehrheit dafür gefunden, dass man grundsätzlich das kulturelle Leben in der Gemeinde mitgestalten wolle, durch ganz verschiedene Veranstaltungen wie Konzerte, Theater, und Ausstellungen. Und einem Rasso-Pilgerweg, den der Verein dann im Jahr 2010 auf den Weg gebracht hat und bis heute pflegt.

"In den letzten drei Jahren haben wir unser Programm wirklich noch einmal ausgebaut, organisieren viel mehr Veranstaltungen. Damit konnten wir pro Jahr 10 neue Mitglieder gewinnen, für eine Gemeinde wie Grafrath finde ich das schon ganz beachtlich", sagt Leitenstern-Gulden. Insgesamt zählt der Kulturverein 90 Mitglieder, viele von ihnen sind seit der Gründung dabei. Eine Baustelle allerdings gibt es da doch. Nach nun fast 20 Jahren würde Leitenstern-Gulden gerne den Vorsitz an die jüngere Generation abgeben. "Ich werde nächstes Jahr 70, da muss man sich schon ernsthaft Gedanken über die Nachfolge machen." Leitenstern-Gulden hatte sogar schon eine Kandidatin gefunden, die die Aufgabe übernehmen wollte. Diese ist nun allerdings aus Grafrath weggezogen und steht damit nicht mehr zur Verfügung. Also sucht die Vorsitzende weiter, bei der nächsten Mitgliederversammlung stehen Neuwahlen an.

Vorerst konzentriert sich Leitenstern-Gulden allerdings auf die Organisation der Konzerte - und darum, das nötige Geld zusammen zu kriegen. Für den Mai sei die Finanzierung weitgehend gesichert. Doch der Verein würde sein Projekt gerne auch im Juni fortsetzen. "Wir gehen davon aus, dass bis dahin immer noch nicht viel anderes möglich sein wird. Deswegen wäre es wunderbar, wenn wir das bis in den Sommer fortsetzen könnten", sagt Leitenstern-Gulden. Existenzen kann der Verein durch diese kleinen Auftritte freilich nicht retten. "Aber es ist eine Geste mit einem kleinen Obulus. Wir wollen zeigen, dass wir die Künstler mit ihrer Situation nicht alleine lassen."

Wer selbst einen Kandidaten für den Tassilo Preis vorschlagen möchte, kann dies bis zum 30. April per Mail an tassilo@sz.de tun.

© SZ vom 22.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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