SZ-Serie: "Vom Malz zur Mass" :Die vier Diven

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Georg Huber beim Ernten seiner Braugerste. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Hefe, Malz, Hopfen und Wasser - mehr braucht es nicht, um gutes Bier herzustellen. Ein Blick hinter die Kulissen verrät aber, dass die vier viel Pflege, Aufmerksamkeit und Sorgfalt brauchen, damit sie im Brauprozess ihr volles Potenzialentfalten können

Von Julia Bergmann

Die Hefe ist der heimliche Star des Bieres. "In ihr steckt meiner Ansicht nach das meiste Potenzial", sagt Wolf Birk. Birk ist einer, der sich auskennt. Bei der Brauereifachschule Doemens in Gräfelfing ist er der Experte für die Bierrohstoffe, und wenn er über Brauhefe spricht, merkt man, dass in seiner Stimme ein Stück weit Begeisterung mitschwingt. Natürlich - Wasser, Malz Hopfen, sie alle sind zum Brauen essenziell. Immerhin zu 94 Prozent besteht Bier aus Wasser. Auf 100 Liter Wasser benötigt man zum Brauen 17 Kilogramm Malz und lediglich ein paar Gramm Hopfen. Diese beiden Zutaten drängen sich gerne in den Vordergrund, wenn es um den vollmundigen Geschmack des fertigen Getränks geht. Das Malz, so heißt es, bestimme den Körper des Bieres. Der Hopfen gibt ihm Aromen und Bitterstoffe.

"Es ist aber die Hefe, die bis zu 80 Prozent des Geschmacks ausmacht", sagt Birk. Von ihr brauche man pro 100 Liter Bier einen halben bis zwei Liter. 15 bis 20 Millionen Hefezellen sind es pro Milliliter Anstellwürze. So viele hungrige Hefepilze vergären den Malzzucker zu Alkohol. Bisher haben sich Brauer Birk zufolge vor allem auf alte, etablierte Hefelinien verlassen. Doch mittlerweile wächst die Experimentierfreude. Über die Hefebank Weihenstephan lassen sich derzeit über 120 Sorten beziehen. Obergärig, untergärig, hochvergärend, niedrigvergärend - die Auswahl der Hefe bestimmt nicht nur Biersorte, sondern unter anderem auch, ob das fertige Produkt eher fruchtig oder eher würzig schmeckt. Wie gesagt, viel Potenzial.

Daniel Hofmeister erklärt die Hefe-Vitalisierungsanlage der Maisacher Brauerei. (Foto: Carmen Voxbrunner)

In der Brauerei Maisach wartet die Hefe in einem kleinen, unscheinbaren, metallischen Kasten im verschlungenen Labyrinth des Braukellers auf ihren großen Einsatz. Die Hefe, eine Diva unter den Rohstoffen, will auf keinen Fall gestört werden. "Zeigen kann ich sie Ihnen nicht", sagt stellvertretender Braumeister Daniel Hofmeister. Zu groß ist die Gefahr, dass sich beim Öffnen der Lagerstätte Fremdhefen einschleichen und das wertvolle Gut verderben. Auch Doemens-Experte Birk betont, dass im Gärkeller extrem sauber gearbeitet werden muss. "Es wäre ein Sakrileg, wenn man zum Beispiel den Gärschaum mit dem Finger probieren würde", sagt er. Schlimmer ginge es kaum. Im schlimmsten Fall wäre die ganze Produktion verdorben.

In der Hallertau ist die Hopfenernte im Gang. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein paar Räume weiter lagert in der Brauerei Maisach ebenfalls ein ganz empfindlicher. Der Hopfen. Er liegt im Keller, luft- und lichtdicht verpackt. Auch er will nicht gestört werden. Warum? Hofmeister hält ein für Brauereiführungen bereitgestelltes unverschlossenes und transparentes Gläschen mit gepresstem Hopfen in die Höhe. Es riecht ziemlich fad, fast käsig mit einem winzigen Hauch von Heu. "Genauso sollte man Hopfen nicht lagern", sagt er. Dann greift er zu einem verschlossenen, lichtundurchlässigen Beutel, öffnet ihn und heraus strömt ein fast stechender, grasig-intensiver und voller Geruch. Eine Aromabombe.

Aus den Körnern wird Malz, das es in vielen Sorten gibt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Hopfen gibt Bitterstoffe und Aromen an das Bier ab. "Je früher Sie Hopfen hinzugeben, desto mehr Bitterstoffe enthält das Bier", erklärt Birk. Je länger aber der Hopfen in der sogenannten Würze, einem Zwischenprodukt der Bierherstellung, gekocht wird, desto mehr Aromastoffe gehen verloren. Der Brauer muss also ganz genau abwägen, zu welchem Zeitpunkt er den Hopfen zugeben will, welchen Geschmack sein Produkt später haben soll und welchen Hopfen er dafür verwendet. "Es gibt 280 Sorten", sagt Birk. "20 davon haben eine große Bedeutung." Grob unterscheiden lassen sich die Sorten in Bitter- und Aromahopfen. Je mehr Alphasäure enthalten ist, desto bitterer die Dolden.

Ist Wasser einfach nur eine chemische Verbindung? Oder doch mehr? (Foto: EIBNER/EXPA/Jakob Gruber/imago/Eibner Europa)

Etwa 80 Prozent des bundesweit verwendeten Hopfens stammt aus dem größten Anbaugebiet Deutschlands: der Hallertau zwischen München und Ingolstadt. Dort herrschen für das empfindliche Gewächs die besten Bedingungen. "Der Hopfen ist wärmeliebend", sagt Birk. Der Boden, auf dem er wächst, sollte sich nach dem Winter schnell wieder erwärmen, die Frucht braucht viel Wasser. In drei bis vier Monaten wächst der Hopfen um bis zu acht Meter. Am besten tut er das auf sandigem Lehm. Den gibt es nördlich von München.

Wer sich hingegen auf die Suche nach Braugerste macht, aus der später durch kontrollierte Keimung Malz hergestellt wird, muss den Landkreis nicht verlassen. In Puchheim wiegen sich Mitte Juli noch die Ähren des Korns in der lauen Luft. Da weiß Bauernobmann Georg Huber schon, dass es in diesem Jahr bei der Sommergerste keine Toperträge geben wird.

Aber immerhin wird die Ernte auch wieder nicht so schlecht ausfallen, wie er wenige Wochen zuvor noch befürchtet hatte. "Ich war schon kurz davor, umzubrechen und Mais auszusäen", sagt Huber. Mit der Braugerste, so hatte er gedacht, wird das ohnehin nichts mehr. Dann hat sich das Blatt für Huber doch noch gewendet. In den ersten sechs Wochen nach der Aussaat war es heuer extrem trocken. Die Pflanzen litten unter dem Wassermangel und bildeten keine Seitentriebe aus. "Der Bestand war extrem dünn", sagt Huber. "Aber es ist erstaunlich, was so eine Pflanze noch schaffen kann", sagt er. Die kurzen Regenschauer der Folgewochen reichten aus, um das Schlimmste zu verhindern. Die Gerste, so viel hört man aus Hubers Worten heraus, ist keine einfache Feldfrucht. Optimal wäre es, die Sommergerste möglichst früh zu säen. Sät man aber zu früh, können Frost und zu viel Feuchtigkeit in den ersten Wochen den Ernteertrag gefährden.

Im Juni und Juli hingegen darf es nicht zu trocken sein und nie, wirklich nie, darf die Gerste zu stark gedüngt werden oder auf Boden stehen, der zu stickstoffhaltig ist. Denn je mehr Stickstoff die Pflanze aufnimmt, desto höher ist nachher ihr Eiweißgehalt. Aber gerade der soll zum Brauen so niedrig wie möglich sein. "Zehn bis elf Prozent sind optimal", sagt Birk. Das Eiweiß hat einen extrem hohen Einfluss auf Geschmack, Farbe und Schaum des Bieres. "Wenn der Schaum schlecht ist, ist das für den Verbraucher ein No-go Kriterium", sagt der Doemens-Rohstoffexperte. Fällt der Schaum zu schnell zusammen oder bildet sich erst gar nicht, wird das Getränk als abgestanden wahrgenommen. Tückisch ist, dass die Landwirte den Eiweißgehalt lediglich bis zu einem bestimmten Grad beeinflussen können. Stellt sich bei der Beprobung im Agrarlabor heraus, dass der Eiweißgehalt für das Brauen zu hoch ist, bleibt nur eines: Das Korn wird zum Viehfutter.

Wie auch beim Hopfen oder der Hefe, gibt es bei der Braugerste verschiedene Sorten. Allerdings hat sich unter den Brauern und den Landwirten ein klarer Liebling herauskristallisiert. "Die Sorte "Grace" ist die aktuelle Hauptsorte", sagt Huber. Ihre schlagendsten Argumente: "Sie bringt einen relativ sicheren Ertrag und ist relativ gesund", sagt der Bauernobmann. Letzteres ist wichtig, weil das bedeutet, dass der Landwirt beim Anbau vergleichsweise wenig Pflanzenschutzmittel einsetzen muss. Ein Plus für Huber wie für seine Abnehmer. Im Landkreis spiele der Gersteanbau bei Landwirten bisher noch eine eher untergeordnete Rolle, sagt Huber. Er könne sich aber durchaus vorstellen, dass sich das ändert. Denn immer mehr Bauern gäben die Viehzucht auf und wenden sich dem Ackerbau zu.

Nun könnte man meinen, dass der vierte Rohstoff, das Wasser, das wohl unkomplizierteste ist. Und in gewisser Weise stimmt das sogar. Aber wer denkt, mit dem Aufdrehen des Wasserhahns ist es getan, irrt. Auch das Brauwasser muss in einer speziellen Weise aufbereitet werden, damit es für die Produktion geeignet ist. Das passiert in der Brauerei Maisach in einem kleinen Kasten, aus dem ein paar Röhrchen ragen. Gespickt ist er mit Zeigern, Schaltern, Lämpchen - ziemlich klein, aber ganz offensichtlich vollgepackt mit Technik. Hofmeister nickt in Richtung des skurrilen Kästchens. "Das ist unsere Umkehr-Oosmoseanlage", sagt er. Sie bewirkt, dass das Wasser die gewünschte Härte hat. Muss es also besonders weich oder besonders hart sein? Eine Frage, die sich auch wieder nicht ganz einfach beantworten lässt. Tatsächlich ist die Art des Bieres, das man brauen kann, von der Härte des Wassers abhängig. Mit dem natürlich vorkommenden recht kalkhaltigen Wasser in und um München kann man dunkles Bier brauen. Will man andere Sorten brauen, muss man dem Wasser Kalk entziehen. "Von der Carbonathärte her soll das Wasser möglichst weich sein", sagt Birk. Denn die Härte beeinflusst, wie die Enzyme während des Brauprozesses arbeiten, sie hat Auswirkungen auf Farbe und Geschmack des Endprodukts. "Aber es gibt keine festen Grenzwerte für Brauwasser", sagt Birk. Was sich von selbst versteht: Das Wasser muss frei sein von gesundheitsschädlichen Keimen und sogenannten Bierverderbern wie etwa Milchsäurebakterien. Denn die könnten das Bier sauer werden lassen.

Die Auswahl der Rohstoffe, die Wahl zwischen den vielfältigen Sorten des Hopfen, des Malzes, der Hefe und die Aufbereitung des Wassers vergleicht Birk mit dem Bau eines Hauses. "Es stellt sich immer die Frage, was Sie dürfen, und alles andere ist eine Geschmackssache." Die vielen möglichen Varianten, die Auswahlmöglichkeiten, ergeben allein in Deutschland mehr als 6000 Biersorten. Und doch werden sie alle "nur" aus vier Grundzutaten gemacht: Wasser, Hefe, Hopfen und Malz.

© SZ vom 28.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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