SZ-Serie: Start-up, Folge 6:Das Unterwegs-Café

Ein selbst gebautes Lastenfahrrad samt Kaffeemaschine, Geschirr und Zubehör ist die Geschäftsgrundlage von Thomas Richthammer aus Eichenau. Nach seinem Berufsleben hat der 66-Jährige aus Leidenschaft mit "Toms Radbar" ein neues Betätigungsfeld entdeckt

Von Paula Kolhep, Eichenau

Cremiger Espresso fließt aus der Siebträgermaschine und füllt die Cappuccinotasse. Die Milch wird aufgeschäumt, sorgfältig gießt Thomas Richthammer sie auf den Espresso und reicht den Cappuccino seinem Kunden. So weit, so normal für einen Barista. Doch die Kaffeemaschine des 66-Jährigen steht nicht auf der Theke in einem Café, sondern im Freien auf einem Fahrrad. In kurzen Hosen und im Sommerhemd Hemd steht Richthammer gut gelaunt hinter seiner Bar und bedient seine Gäste, Tattoos zieren seine Arme und Beine. Der Rentner nutzte seine neu gewonnene Freizeit, um eine mobile Cafébar zu gründen.

Mit der Kaffeemaschine auf seinem blauen Lastenfahrrad schenkt Richthammer zusammen mit seiner Frau Alexandra Zinner Kaffee aus, mixt Cocktails und verkauft Kuchen. Nachdem er 35 Jahren ein eigenen Fahrradgeschäft hatte, konnte Richthammer mit "Toms Radbar" die Leidenschaft für das Fahrrad mit seiner zweiten Passion, dem Kaffee, verbinden.

Zweimal in der Woche ist Richthammer mit seiner Radbar unterwegs. Seit April schenkt er dienstags bei gutem Wetter auf dem Eichenauer Wochenmarkt Kaffee aus, am Freitag veranstaltet er das Café Campanile im Innenhof der evangelischen Freikirche. Dort verkaufen seine Frau und er auch selbstgemachten Kuchen und weitere Speisen. "Was wir jetzt noch anbieten ist eine Art Catering, wenn jemand eine Hochzeit oder eine größere Festivität ausrichtet", erzählt Richthammer. Da schenken sie auch Kaffee und alkoholische Getränke aus. "Wir probieren immer neue Cocktails aus, die man auch mobil handeln kann und für die man nicht zu viel Equipment braucht", sagt er. Das Highlight des kommenden Jahres werde der Ausflug mit dem gesamten Barequipment in die Toskana, wo sie die Gäste auf der Hochzeit seines Neffen mit Cocktails und Longdrinks versorgen, erzählt Richthammer.

SZ-Serie: Start-up, Folge 6: Jungunternehmer mit 66: Thomas Richthammer bedient einen Gast an seiner mobilen Bar. Unter anderem steht er freitags im Hof der evangelischen Kirche - im Café Campanile - in Eichenau, auch für Hochzeiten und andere Feste wird er gebucht.

Jungunternehmer mit 66: Thomas Richthammer bedient einen Gast an seiner mobilen Bar. Unter anderem steht er freitags im Hof der evangelischen Kirche - im Café Campanile - in Eichenau, auch für Hochzeiten und andere Feste wird er gebucht.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Lastenfahrrad, das ihm als Theke dient, baute Richthammer selbst zusammen. Fast ein Jahr dauerte es. Den Rahmen für das Rad sowie Motor und Lenkung kaufte er. "Und dann habe ich den Rest eben konfektioniert", sagt der 66-Jährige. Eine Kiste, in der Equipment transportiert werden kann und auf der die Kaffeemaschine aufgestellt wird, musste gebaut, Seilzüge verlegt und Titanschrauben bestellt werden. Die Laufräder habe er selbst eingespeicht. "Zu jeder Schraube, die ich verwendet habe, habe ich mir Gedanken gemacht", sagt er. "Fahrradenthusiasten sehen das, andere finden es halt schick." Von den Pedalen bis zu den Schrauben ist alles an dem Rad blau, das sei ein Faible, sagt Richthammer.

Vor eineinhalb Jahren, als er noch im Fahrradgeschäft tätig war, entstand die Idee der Radbar. Auf dem Abschlussfest seiner alten Firma präsentierte er zum ersten Mal das selbstgebaute Lastenfahrrad und schenkte Kaffee aus. Der erste öffentliche Auftritt von "Toms Radbar" war beim "Sound in Eichenau" vor der evangelischen Friedenskirche. Für das mobile Café musste Richthammer einen Reisegewerbeschein sowie den Reisegastwirt beantragen, da sie neben Kaffee und Kuchen auch Alkohol anbieten.

SZ-Serie: Start-up, Folge 6: Für den kleinen Kaffeedurst zwischendurch hält Thomas Richthammer diese Kannen mit dem French-Press-Prinzip bereit.

Für den kleinen Kaffeedurst zwischendurch hält Thomas Richthammer diese Kannen mit dem French-Press-Prinzip bereit.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

In der Anfangsphase verkauften Richthammer und Zinner nur frisch gebrühten und gefilterten Kaffee. "Damit wären wir aber nicht weit gekommen, wir wollten ja auch Cappuccino und Espresso anbieten, und dazu braucht es eben den Siebträger, eine richtige italienische Kaffeemaschine", erzählt Richthammer. Den gemischten Kaffee für den Siebträger kauft Richthammer von einem italienischen Röster, "der genau zu dieser Maschine und dem Wasser, das wir hier haben, passt". Bei der Mischung bleibe er auch. "Wenn ich eine neue Bohne ausprobiere, ist es sehr schwierig, den richtigen Mahlgrad und die richtige Menge zu finden", erklärt er.

Möglichst viel selbst zu machen, wie zum Beispiel ihre Limonade, ist Richthammer und Zinner wichtig. Viel Wert legen sie bei ihrem mobilen Café aber auch auf Nachhaltigkeit. Ihren biologischen Fairtrade-Kaffee haben sie mit einem eigenen Label versehen. Das sei ihnen wichtig gewesen, sagt Richthammer.

"Was ich gar nicht akzeptieren kann ist, wenn Leute Kaffee in Pappbechern ausschenken", sagt er. "Da brauch ich keinen guten Kaffee machen, weil das nicht schmeckt." Von Anfang an legten sie ihren Schwerpunkt darauf, Mehrweggeschirr zu verwenden. Das sei zwar schwerer zu schleppen als Pappbecher, aber optisch schöner und es schmecke daraus auch besser, sagt Richthammer. Plastikstrohhalme gibt es für die Cocktails nicht, sie verwenden Nudeln als Trinkröhrchen.

SZ-Serie: Start-up, Folge 6: Aus einer italienischen Siebträgermaschine kommt der Espresso, das Gerät wiegt 30 Kilogramm.

Aus einer italienischen Siebträgermaschine kommt der Espresso, das Gerät wiegt 30 Kilogramm.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Investieren musste Richthammer vor allem in die Siebträgermaschine, die 2000 Euro kostete. Seine Kaffeemaschine sei "eingruppig", mit einem Auslass, größere seien teurer und auch nicht mehr transportabel, sagt er. Knapp 30 Kilogramm wiegt Richthammers Siebträgermaschine, die er mit seinem Lastenrad transportiert. Da seine Frau Keramikerin ist und ihre Waren auch an Marktständen verkauft, besaßen sie bereits Tische und einen Schirm, den sie über der Bar aufspannen. Löffel, Tassen, Gläser, Barhocker und -tische mussten trotzdem noch angeschafft werden. Einen finanziellen Druck verspürt Richthammer aber nicht. "Ich muss nicht davon leben, weil ich ja schon in Rente und da gut versorgt bin", sagt er.

Das Lastenfahrrad an sich habe ihn schon lange begeistert, sagt der 66-Jährige. Es sei eine neue Möglichkeit, sich schnell fortzubewegen und große Mengen zu transportieren, vor allem kombiniert mit einem Elektroantrieb. Sich in Städten mit dem Auto fortzubewegen, hält er für "blanken Unsinn". Privat besitzt Richthammer auch mehrere Fahrräder. Wie viele es tatsächlich sind, da muss er erst nachrechnen. Ja, fünf Stück sind.

Dass sich sein Start-up "Toms Radbar" so rasant entwickelt, hätte er nicht erwartet. So wie man sich das vorstelle, wenn man in Rente geht, dass man mehr Zeit habe und mehr in die Berge gehe, sei es nicht gekommen, erzählt Richthammer. Dennoch betreiben seine Frau und er die Radbar gerne. "Wir möchten damit nicht wahnsinnig viel Geld verdienen, sondern einfach Freude und den Kontakt zu den Menschen haben", sagt Zinner.

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