Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Start-up, Folge 2:Die Aufmöblerin

Theresa Hartmann führt in fünfter Generation das Hotel am Leonhardsplatz in Fürstenfeldbruck. Sie hat das historische Gebäude behutsam modernisiert und betreibt seit zwei Jahren nebenbei den Ausstattungsservice "Nimm Platz!"

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Eine lange, gedeckte Tafel auf einem Hügel, drumherum weite Felder und pastellfarbene Klappstühle, darüber Lichterketten und der Sonnenuntergang der Toskana: So sah es aus, als Theresa Hartmann im vergangenen Juni geheiratet hat. Sehr lange Zeit zuvor hatte sie nach dem richtigen Ort für dieses besondere Fest gesucht und ihn in einer kleinen Locanda im ländlichen italienischen Nirgendwo gefunden.

Doch zur idealen Hochzeitsidylle fehlte dort noch das passende Mobiliar. Also mietete ihr jetziger Mann Damian Hartmann einen Kleintransporter, um Stühle und Deko-Artikel von Fürstenfeldbruck nach Italien zu schaffen. Was nach einem übertriebenen Aufwand klingt, war im Gegenteil vielmehr naheliegend: Denn in Sachen Hochzeitsdekor sitzt Theresa Hartmann, die das gleichnamige Traditionshotel an der Amperbrücke leitet, immerhin an der Quelle.

Vor zwei Jahren hat sie für den süddeutschen Raum eine Zweigstelle des Möbelverleihs "Nimm Platz" etabliert. Das Start-up wurde 2013 von Jennifer Pieper und Miriam Mogk in Köln gegründet, wo auch weiterhin der Firmensitz ist. Damals tat sich Pieper ihrerseits schwer, die passende Ausstattung für ihre eigene Hochzeit aufzutreiben. Aus dem Vorhaben, das Ganze einfach selbst und individuell zu gestalten, wurde anschließend eine Geschäftsidee.

Am Anfang verliehen die Gründerinnen fast ausschließlich Klappstühle und Holztische, die auch ohne Tischdecke etwas hermachen. "Oft gibt es für festliche Anlässe lediglich die immer gleichen Hussen, aber das ist einfach nicht mehr zeitgemäß", sagt Hartmann. Mit der Zeit kamen Steh- und Vintage-Tische, Lounge-Möbel, Teppiche, Vasen und Details wie Kerzen-Flaschen, eine Limo-Bar oder ein Traubogen dazu. Auf der Website können die Kunden das gesamte Sortiment einsehen und bekommen zu ihrer Auswahl ein Angebot gemacht.

Über ihren Mann, der wie Mogks Mann in der Online-Branche tätig ist, erfuhr Theresa Hartmann, dass die Kölnerinnen ihr Geschäft ausweiten wollten. Obwohl ihr durch ihren durchgetakteten Hotelalltag nicht viel Freizeit bleibt, liebäugelte die 30-Jährige, die früher einmal Innenarchitektin werden wollte, mit der Vorstellung, nebenbei bei "Nimm Platz" einzusteigen. 2017 nahm sie schließlich Kontakt auf. Seitdem werden alle Aufträge, die sich auf die Region Süddeutschland beziehen, von ihr betreut.

Hartmann nimmt die Bestellungen entgegen, koordiniert Lieferungen und Abholungen und sorgt dafür, dass alle Möbel in Ordnung sind. Manchmal fahre ihr Spediteur bis nach Stuttgart. Sie habe aber auch schon zwei Hochzeiten in Emmering ausgestattet.

Auf- und Abbau können dazu gebucht werden. Doch die meisten verzichten darauf, sagt Hartmann. Wie die Kunden das gemietete Mobiliar in Szene setzen, ist ihnen überlassen. "Wir sind keine Hochzeitsplaner", betont sie, räumt aber sofort ein, privat liebend gerne Feste für Freunde zu organisieren. Auch wenn es in den sozialen Medien manchmal so wirkt, lebe selbstverständlich nicht jeder ihrer Kunden mit seiner Hochzeit, Taufe oder Geburtstagsfeier den "Instagram-Traum" einer ultrafotogenen Kulisse: "Es reicht nicht, sich nur ein paar hübsche Stühle zu holen", sagt Hartmann. "Etwas Schönes kann erst dann entstehen, wenn alle Dienstleister zusammen ihr Bestes geben."

Zwei alte Garagen nutzt die Hotelbesitzerin als Möbellager. Dort sind derzeit rund 500 Stühle, etwa 40 Tische, mehr als 200 Kissen und Deko-Objekte aller Art untergebracht. Lediglich in der Menge unterscheidet sich ihr Repertoire vom Hauptlager in Köln.

Von April bis Oktober ist bei "Nimm Platz" Hochsaison. Am meisten zu tun hat Hartmann in den Sommermonaten. Im August betreut sie sogar durchschnittlich sieben Aufträge pro Woche - zusätzlich zu ihrem Hauptberuf. "Manchmal sage ich zum Spaß, dass das Hotel jetzt mein Nebenjob ist", lacht Hartmann. "Im Winter wird es aber wieder im Vordergrund stehen."

Theresa Hartmann leitet das sich in einem denkmalgeschützten Gebäude befindende Hotel, das schon im 16. Jahrhundert als sogenanntes Baderhaus erwähnt wird und seit 1904 in seiner jetzigen Form am Leonhardsplatz steht, in fünfter Generation. Schon als Kind hat sie im Betrieb mitgearbeitet. Seit jeher war klar, dass sie ihn einmal übernehmen würde. Dann, 2011, starb ihre Mutter. Damals war Hartmann, die zuvor nach einem Auslandsjahr in den USA eine private Hotelfachschule besucht hatte, erst Anfang 20 und hatte eben erst ihre Ausbildung in einem Münchner Fünf-Sterne-Hotel abgeschlossen.

Einige Zeit ging sie zusätzlich abends noch auf die Fachoberschule. Dann wurde es ihr zu viel. "Meine Mama war tot, und ich musste von heute auf morgen ein Hotel leiten", erinnert sich Hartmann, die mit ihrem Mann und Hotelhund Hermès in dem ausgebauten Speicher des Hotelgebäudes wohnt. Auch ihre Mutter hatte die Räum bewohnt.

Weil der Stil ihr zu altmodisch war, sei es ihr am Anfang schwergefallen, sich mit dem Hotel zu identifizieren. Ihr sei auch bewusst, dass viele, die an dem Gebäude vorbeigehen, darin nur einen alten Bunker sehen. Wer jedoch eintritt, sieht sofort, dass die Besitzerin Ahnung von Interior-Design hat. An der Rezeption vorbei führen transparente Bodenplatten, durch die helle Steine schimmern. Das detailverliebt angerichtete Frühstücksbüffet, zu dem auch Nicht-Hotel-Gäste willkommen sind, ist garniert mit Coffee-Table-Books, antiken Zuckerdosen und Blumen, die in Vasen im Stil von alten Apothekerflaschen stecken.

"Mir machen schöne Dinge Spaß", sagt Hartmann. Gerade der Mix aus Altem und Modernem mache für sie den Charme des Hotels aus. Aus Kostengründen könne sie nicht alle Zimmer auf einmal renovieren lassen.

Doch immer wieder nimmt sie sich eines vor. Keines gleicht dabei dem anderen. In der jüngst modernisierten Nummer 14 trifft zum Beispiel ein graues Boxspringbett auf ein anthrazitfarbenes Bad, ein orientalisches Bodenkissen und einen Hippie-Teppich. In einem anderen Zimmer hängt über bayerischen Landhausmöbeln ein Designerbild an der Wand. "Es ist eine Aufgabe fürs Leben, denn dieses alte Haus wird nie genau so sein, wie ich es will", sagt sie. "Aber ich will auch, dass die Gäste wissen, dass das Hotel eine Geschichte hat."

Sehr gerne integriert Hartmann Einzelstücke in die Einrichtung. In ihrem Fundus hat sie zum Beispiel noch einen alten Kronleuchter von ihrer Mutter, für den sie noch keinen passenden Platz gefunden hat. Allerdings hat es noch kein "Nimm Platz"-Objekt in die Hotelausstattung geschafft.

Für immer ausschließen will sie das aber nicht. "Wenn ein Tisch mal nicht mehr zu vermieten ist, ersetze ich damit ja vielleicht einen im Frühstücksraum", sagt sie. Irgendwann komme schließlich immer der Zeitpunkt, an dem sie irgendetwas an der Einrichtung nicht mehr sehen könne. Deswegen müsse als nächstes wahrscheinlich auch die gelbe Wandfarbe im Gang daran glauben.

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Quelle:
SZ vom 31.08.2019
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