SZ-Serie: Polit-Paare, Folge 4:Eine ganz neue Rolle

Das Schauspielerehepaar Barbara Lackermeier und Gerhard Jilka sitzt neuerdings für die Grünen im Schöngeisinger Gemeinderat. Schnell mussten die beiden erkennen, dass es auf der politischen Bühne anders zugeht als im Theater

Von Florian J. Haamann

Dass die Theaterbühne und die politische Bühne zwei konträre Welten sind, hat das Künstlerehepaar Barbara Lackermeier und Gerhard Jilka nach seiner Wahl in den Schöngeisinger Gemeinderat im März schnell und schmerzhaft gelernt. Die Grünen brauche man in Schöngeising nicht, sei einer der ersten Kommentare gewesen. "Je länger ich über diesen Satz nachdenke, desto schlimmer wird er für mich. Eigentlich verortet man das in einer Zeit, die wir nicht mehr haben wollen. Die Demokratie lebt doch vom freien und pluralistischen Diskurs", sagt Jilka, den Theaterbesucher im Landkreis von seinen zahlreichen Rollen an der Neuen Bühne Bruck kennen.

Schlimm sei, dass sich der Satz bis heute halte. In einer Gemeinderatssitzung habe ihn ein Besucher aufgegriffen. Die Aussage sei schon ganz richtig gewesen, solche "Kaschperl" brauche man nicht. "Wir wurden beleidigt und eingeschüchtert mit diesem Zuruf, der vom Bürgermeister nur mit einem milden Lächeln kommentiert worden ist. Niemand hat etwas unternommen oder uns geschützt. Das ist doch furchtbar. Gerade heute, wo man jeden zweiten Tag etwas von Hass und Hetze gegen Kommunalpolitiker liest", berichtet der 59-Jährige.

SCHÖNGEISING: Porträt von Barbara Lackermeier und Gerhard Jilka

Ein Paar, viele Rollen: Die Kommunalpolitiker Barbara Lackermeier und Gerhard Jilka an der Baustelle des neuen Radwegs von Schöngeising nach Landsberied.

(Foto: Leonhard Simon)

Für Jilka und Lackermeier ist es das erste politische Mandat. Allerdings kennt Lackermeier die Kommunalpolitik aus ihrer Familie. Der Großvater war überzeugter Sozialdemokrat und Betriebsrat, der Vater Gemeinderat für die CSU. Jilka dagegen kommt aus einer Familie, in der Politik nie ein Thema war. Gemeinsam mit Christian Dawid bilden die beiden nun also die Grünenfraktion im Schöngeisinger Gemeinderat. Bei den Kommunalwahlen im März ist die Partei zum ersten Mal überhaupt dort angetreten und konnte gleich 25 Prozent der Stimmen gewinnen. Ein Erfolg, mit dem keiner so wirklich gerechnet hat. Auf ein, maximal zwei Mandate habe man gehofft, aber nicht darauf, dass am Ende nur wenige Stimmen für einen vierten Sitz fehlen.

Auslöser für das politische Engagement des Paares waren zwei Ereignisse Anfang 2019. "Im Februar hat unser zwölfjähriger Sohn angefangen, fürs Klima zu demonstrieren, ganz alleine, als einziger in seiner Klasse. Ich habe gesagt, wir können nicht unser Kind pushen und motivieren und selbst auf dem Sofa sitzen und nichts außer unserer Kultur machen", erinnert sich die 48-jährige Lackermeier. Außerdem haben sich die beiden intensiv für das Volksbegehren "Rettet die Bienen" eingesetzt. Mit 35 Prozent Unterschriften erreichte Schöngeising eines der besten Ergebnisse in ganz Bayern. "Da haben wir uns gedacht, Mensch, die Leute in Schöngeising wollen doch grüne Themen", sagt Jilka. Als eine Infoveranstaltung der Partei kaum auf Resonanz gestoßen sei, griff Lackermeier zum Telefon. "Ich habe Freunde angerufen und Leute, die uns beim Volksbegehren unterstützt haben. Und schwups, war die Liste voll. Das war eine richtige Hauruck-Entscheidung. Wir sind eben so Macher", sagt Lackermeier. Entgegen gekommen sei ihr dabei, dass sich viele Unterstützer gefunden hätten, die inhaltlich mitarbeiten, aber nicht im Rampenlicht stehen wollten. "Das ist ja genau mein Job, mich hinstellen und Inhalte präsentieren, die andere erarbeitet haben."

NBB

Jilka als Schauspieler in "Er ist wieder da" an der Neuen Bühne Bruck.

(Foto: Günther Reger)

Seit fast 30 Jahren stehen die beiden auf der Bühne, kennengelernt haben sie sich auf der Schauspielschule in München. "Wir waren damals aber noch kein Paar und wären auch keines geworden", sagt Lackermeier und lacht. Jilka spielte nach der Schule bei einem Tournee-Theater, Lackermeier war festes Ensemblemitglied. Erst Jahre später trafen sie sich wieder. "Ich war mit einer Freundin im Theater. Plötzlich sage ich zu ihr, den kenne ich doch, der war mit mir auf der Schauspielschule", erinnert sich Lackermeier. "Nach der Vorstellung hat Gerhard zu mir gesagt, ich habe da einen Job für dich." "Das war die Elektra auf Bairisch", wirft Jilka ein. "Jedenfalls sind wir uns da dann näher gekommen und seitdem zusammen."

Allerdings sind beide nicht nur Schauspieler. Lackermeier ist auch Regisseurin, Autorin, Coach und seit einigen Jahren bei der städtischen Kulturförderung Kaufbeuren. Neben seinen Theater und TV-Rollen ist Gerhard Jilka vor allem als Synchronsprecher bekannt, etwa aus "Game of Thrones" oder "Asterix".

Nach der Geburt des Sohnes sind sie vor zehn Jahren nach Schöngeising gezogen - und haben sich sofort in den Ort verliebt. "Wir haben uns damals bewusst dafür entschieden, dass wir bleiben wollen. Und jetzt wollen wir aufpassen, dass es hier so bleibt, und wir das Schöne erhalten", erklärt Lackermeier. Mit ihrem kulturellen Engagement und anderen Aktivitäten, etwa im Elternbeirat, haben sie sich schnell ins Gemeindeleben eingebracht.

SZ-Serie: Polit-Paare, Folge 4: Lackermeier als Regisseurin von "Eine ganz heiße Nummer" am Rassoburgtheater in Grafrath.

Lackermeier als Regisseurin von "Eine ganz heiße Nummer" am Rassoburgtheater in Grafrath.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Dass sie nun auch als Team zusammen im Gemeinderat sitzen, sei eine schöne Erfahrung. "Wir haben uns über die Arbeit kennengelernt und arbeiten seitdem zusammen. Der Gemeinderat ist ein ganz neues Rollenverständnis. Manchmal habe ich ihn als Schauspieler als Regisseurin geführt, mal sind wir Kollegen auf der Bühne. Jetzt können wir gemeinsam etwas entwickeln. Und es hat immer geklappt, auch wenn wir natürlich nicht immer einer Meinung sind und uns auch mal richtig in die Haare kriegen", sagt Lackermeier. Die gemeinsame Beschäftigung sei auch etwas, was die Beziehung antreibe, ein neuer Impuls neben der Kultur.

Bei aller Begeisterung, die den beiden in jedem Satz anzumerken ist, hat sich in den wenigen Monaten auch einiger Frust angestaut. Mit viel Naivität und Weltverbesserungswunsch seien sie in den Gemeinderat eingezogen. Vor der Wahl hätten sie positive Gespräche mit den Vertretern anderer Parteien geführt, grundsätzlich ein gutes Gefühl gehabt. "Nach der Wahl mussten wir feststellen, dass es in der Realität ganz anders läuft. Dass es durchaus politische Spielchen gibt und das, was vorab besprochen wurde, nicht mehr zählt", sagt Jilka. "Selbst in so einer kleinen Gemeinde. Wir waren vor der Wahl durch unser Engagement mit so ziemlich allen gut Freund. Und plötzlich, mit Betreten der politischen Bühne hat sich herausgestellt, dass es von allen Seiten Leute gibt, die das überhaupt nicht gut finden", ergänzt Lackermeier. Es gebe Leute, die seitdem nicht mehr auf der Straße grüßen, aus Gesprächen vor oder nach den Gemeinderatssitzungen werde man quasi ausgeschlossen, mehr als ein "Hallo" gebe es oft nicht.

"Wichtig ist uns jetzt zu zeigen, dass wir keine Feinde sind, sondern einfach gut zusammenarbeiten wollen. Aber das ist natürlich schwer, wenn man gar nicht an sie rankommt", sagt Jilka. Denn beiden geht es um eine gute Sacharbeit, nicht darum, irgendeine politische Ideologie durchzusetzen. Als Beispiel nennen sie den Antrag eines Bauern, der seinen Hof erweitern wollte. "Das ist etwas, wo das grüne Herz natürlich erst einmal Nein sagt. Andererseits ist da der Bauer, der mit seinem Sohn den Hof weiterführen will. Wir haben da sehr viel diskutiert, Gespräche vor Ort geführt. Und am Ende entschieden, dass es für das Wohl der Gemeinde und des Bauern richtig ist, zuzustimmen", so Jilka.

Man verstehe sich nämlich nicht als Dorfgrande, sondern eben als Vertreter eines Viertels der Schöngeisinger. "Deswegen fragen wir uns vor jeder Entscheidung, was sie für die Leute bedeutet, die uns gewählt haben".

Bisher erschienen: Peter und Hannelore Münster, Eichenau (8./9 August), Familie Off-Nesselhauf, Germering (14./15./16. August), Erwin und Markus Fraunhofer, Jesenwang (18. August)

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