SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis, Folge 4:Mobilität 4.0 statt mit dem eigenen Auto im Stau

Der Landkreis plant Mobilitätsstationen, an denen Bahn- und Busnutzer auf Leihautos und Leihräder umsteigen können

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Zehn Millionen Fahrten haben die Einwohner des Landkreises im vergangenen Jahr mit Bus und Ruftaxi zurückgelegt, aber die Verkehrswende ist längst nicht in Sicht, im Gegenteil. Der Landkreis hat deshalb ein Verkehrskonzept Mobilität 4.0 aufgelegt. Vorgesehen sind Stationen, an denen neben Bus und Bahn Leihräder und Autos zur Verfügung stehen. Alle Buchungen sollen mit Chipkarte oder Smartphone abgewickelt werden.

Obwohl der Landkreis für viel Geld den öffentlichen Nahverkehr ausbaut, sind immer mehr Privatautos unterwegs, in deren Staus die Busse stecken bleiben. Im Landkreis sind derzeit mehr als 160 000 Autos angemeldet. Würde jedes Fahrzeug nur zweimal am Tag benutzt, was eher unrealistisch ist, käme man schon auf mehr als 116 Millionen Fahrten im Jahr.

In Zukunft sollen sogenannte Mobilitätsdrehscheiben die Fahrgäste locken. Sie sind an S-Bahnhöfen sowie ausgesuchten Orten wie Jesenwang oder Mammendorf vorgesehen. In zwei Jahren sollen die ersten in Betrieb gehen. Die Grundidee ist, dass jeder Fahrgast mit verschiedenen öffentlichen Gefährten seine Reise zurücklegt, je nachdem, ob jemand beruflich unterwegs ist, zum Einkaufen will, mit der Familie einen Ausflug unternimmt.

Auf jeder Drehscheibe gibt es Busverbindungen und/oder Anschluss an Ruftaxi, S-Bahn oder Regionalzug. Bei der kleinen Variante können Fahrgäste Räder ausleihen, auch Lastenfahrräder, und in der großen Version dazu ein Car-Sharing-System und sogenannte Quartierboxen nutzen. Sie funktionieren wie Packstationen, wo Firmen Waren abliefern, erklärt Hermann Seifert, der Leiter der ÖPNV-Abteilung im Landratsamt. Oder die Reisenden selbst deponieren dort Gepäck oder Utensilien wie Fahrradhelme. Die dritte Kategorie sind Stationen ohne Bus oder Bahn, an denen die Kunden Fahrräder ausleihen können.

Mobilitätsstationen in München eröffnet, 2018

Ähnlich wie in München soll es auch im Landkreis bald mehrere Mobilitätsstationen geben.

(Foto: Robert Haas)

Für den Betrieb des Bikesharing-Systems strebt der Landkreis eine Kooperation mit der Abteilung Rad der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) an, beim Carsharing soll auf unterschiedliche Anbieter je nach Standort zurückgegriffen werden. Ein Manko ist nach derzeitigem Stand, dass Leihautos nur an ein und derselben Station abgeholt und wieder zurückgebracht werden müssen.

Aus Untersuchungen wissen die Planer, dass Menschen den öffentlichen Nahverkehr attraktiv finden, wenn das System einfach und übersichtlich funktioniert. Dafür sollen moderne Kommunikationsmittel genutzt werden. Geplant ist eine MVV-App, auf der alle Dienstleistungen angeboten, gebucht und bezahlt werden können. Wer mehr Datenschutz favorisiert, für den ist eine Chipkarte vorgesehen. Der MVV verschickt solche Chipkarten bereits an Zeitkartenabonnenten.

Außerdem soll es in Zukunft einen Tarif geben, der nach dem Prinzip funktioniert, je mehr Leistungen jemand bucht oder je größer die Strecke, die zurückgelegt wird, desto günstiger, bis hin zu einer Flatrate. Dieser Entfernungstarif ist für die Einzelkarten vorgesehen, muss aber erst noch getestet werden. Außerdem steht ja noch das 365-Euro-Ticket für alle als Wahlkampfversprechen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Raum.

Eine weitere Komponente ist, die Haltestellen barrierefrei auszubauen. Im Landkreis existieren knapp 800 Stationen, zu Jahresanfang entsprachen nur vier Prozent den Anforderungen. Der Kreis wird die gesetzliche Vorgabe, bis 2022 alle Haltestellen umzurüsten, nicht einhalten. Das sei aus betrieblichen, personellen und wirtschaftlichen Gründen "nicht realistisch", heißt es dazu im Nahverkehrsplan, den der Kreistag im Juli verabschiedet hat. Lediglich 55 Stationen sollen bis 2022 umgebaut werden. Vor allem existiere bislang keine einzige Haltestelle, die mit einem Lautsprecher ausgestattet ist.

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Die Lokalausgaben der Süddeutschen Zeitung suchen gemeinsam mit dem MVV im Oktober den Busfahrer oder die Busfahrerin des Jahres. Ihre Favoriten können Fahrgäste auch per E-Mail vorschlagen: busfahrer-aktion@mvv-muenchen.de

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