SZ-Serie "Im Märzen der Bauer ...", Folge 2:Ein guter Start

Wer eine reichhaltige Ernte will, muss Unkraut und Schädlinge bekämpfen. Mit Maschinen und chemischen Hilfsstoffen sind die Erträge in der Landwirtschaft enorm gesteigert worden. Als Öko-Bauer verzichtet Georg Huber nun auf vieles

Von Ingrid Hügenell, Puchheim

Ende März hat Georg Huber Sommertriticale auf dem Feld beim Mondscheinweiher gesät. Kurz darauf kamen die Saatkrähen. Der Puchheimer Landwirt, dem die SZ ein Jahr lang bei seiner Arbeit über die Schulter schaut, fürchtete, die Vögel hätten so viel gefressen, dass er erneut werde säen müssen. Solche Probleme hat Gregor Grill nicht. Der 46-jährige Landwirt aus Dürabuch, Gemeinde Egenhofen, arbeitet konventionell. Im Auftrag der Baywa vermehrt er Saatgut von Triticale, Winterweizen und Braugerste. Auf dem Acker in Oberschweinbach, auf dem er Sommertriticale säen will, ist die Zwischenfrucht im Winter abgefroren, die hochmoderne, computer- und GPS-gesteuerte Sämaschine zerhackt die Reste. Ein Herbizid muss Grill also nicht einsetzen. Landwirte wollten nicht unnötig Stoffe ausbringen, sagt er. "Wir setzen ja das Herbizid nicht blind und ohne Hirn ein."

Fachbegriffe

Kleegras: Die Mischung aus Grasarten und Kleesorten wie Rotklee kann als Viehfutter oder als Komponente der Fruchtfolge angebaut werden. Der Klee kann als Leguminose Stickstoff aus der Luft fixieren. Kleegras dient also der Bodenverbesserung. Fungizide: Pflanzenkrankheiten wie Mehltau oder Rost werden von Pilzen ausgelöst. Dagegen werden in der konventionellen Landwirtschaft Pilzgifte, die Fungizide, angewandt. Einige Marienkäferarten ernähren sich ausschließlich von Mehltau. Herbizide: Sie töten Pflanzen, die auf dem Feld unerwünscht sind. Glyphosat ist ein Totalherbizid. Insektizide: Insektenvernichtungsmittel. Viele der Mittel sind auch für andere Lebewesen giftig und für Menschen gesundheitsschädlich. In der ökologischen Landwirtschaft dürfen sie allesamt nicht angewendet werden. Winterweizen: Getreide, das schon im Herbst gesät wird, ist Wintergetreide, im Gegensatz zum Sommergetreide, das im Frühling gesät wird. Auch bei der Gerste und Triticale gibt es Winter- und Sommersorten. Triticale ist eine Kreuzung aus Weizen und Roggen. Sommerroggen spielt in Deutschland nur eine geringe Rolle. ihr

Ein Pflanzenschutzmittel kommt aber schon bei der Saat aufs Feld: Die Körner sind damit gebeizt. Das Mittel, das aus den Wirkstoffen Prochloraz und Tebuconazol besteht, schützt Saat und Pflanzen vor zahlreichen Pilzerkrankungen ebenso wie vor hungrigen Vögeln. Grill will nicht von Gift sprechen, er vergleicht die Pflanzenschutzmittel lieber mit Medizin für Menschen. Bei den Anwendungshinweisen auf der Internetseite raiffeisen.com ist das Mittel als umweltgefährlich, gesundheitsschädlich sowie giftig für Vögel, Fische, Fischnährtiere und Algen beschrieben. Man soll es nur mit Handschuhen und Maske verwenden. Damit man die gebeizten Körner von ungebeizten unterscheiden kann, ist der farblosen Beize ein roter Farbstoff beigemischt. Gedüngt wird das Getreide gleich nach der Saat mit flüssigem Dünger, wobei Grill auch das Wort Kunstdünger nicht mag - der Dünger selbst sei ja nicht künstlich sagt er, das könne leicht missverstanden werden. Dem Unkraut, die seinen Nutzpflanzen Licht, Wasser und Nährstoffe streitig machen könnten, rückt er mit Herbiziden zu Leibe.

SZ-Serie "Im Märzen der Bauer ...", Folge 2: Georg Huber überprüft die Zinken seiner Striegelmaschine.

Georg Huber überprüft die Zinken seiner Striegelmaschine.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Um mit dem starken Bevölkerungswachstum seit dem 19. Jahrhundert Schritt halten und die vielen Menschen ernähren zu können, hat sich die Lebensmittelerzeugung stark verändert. Immer weniger Menschen arbeiten in der Landwirtschaft, und doch werden die Erträge immer höher. Die konventionelle Landwirtschaft mit ihren Maschinen, Pflanzenzüchtungen, Düngern und Pflanzenschutzmitteln erzielt heute wesentlich höhere Erträge als noch vor 50 oder hundert Jahren.

Von einem Hektar Nutzfläche werden immer mehr Menschen ernährt. Dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft zufolge konnten vor hundert Jahren in Deutschland von einem Hektar 1850 Kilogramm Weizen geerntet werden. Heute sind es etwa 8100 Kilogramm. Im Jahr 1900 ernährte ein Landwirt vier Menschen. Heute sind es in Deutschland etwa 148. Inzwischen ist vielerorts eher Überproduktion ein Problem als Hunger. Weltweit wird ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen. An einer Weizenähre sitzen nun so viele Körner, dass sie für den Halm eigentlich zu schwer sind. Um zu verhindern, dass die Halme umknicken, wurden chemische Hemmstoffe entwickelt, die ihn verkürzen. Mittlerweile gibt es Getreidezüchtungen, die von selbst kürzer wachsen. Dazu kommen Substanzen, die den Halm stabiler werden lassen. Die Pflanzen stehen auch enger zusammen und trocknen bei Niederschlägen langsamer. Das begünstigt Pilzerkrankungen. Dagegen helfen Fungizide. Das Unkraut, oder wie man heute sagt, die Beikräuter, werden durch Herbizide unterdrückt. Und Insekten, die an den Pflanzen fressen könnten, werden mit Insektiziden bekämpft. All das führt zu höheren Erträgen, aber auf Kosten der Artenvielfalt.

Gregor Grill

Gregor Grills Sämaschine kann 28 Reihen auf einmal säen.

(Foto: Günther Reger)

Von all den Pflanzenschutzmitteln finde sich aber nichts im fertigen Produkt, sagt Grill. Moderne Maschinen wie sein selbstfahrender Horsch-Schlepper machen es möglich, sehr exakte Reihen zu ziehen, genau die richtige Menge Saatgut und nur die wirklich benötigte Menge Pflanzenschutzmittel auszubringen. Der Computer im Schlepper merkt sich sogar, auf welchem Feld er wann welche Routen gefahren ist. So kann Grill sie exakt nachfahren und punktgenau Dünger oder Pflanzenschutzmittel ausbringen.

Spitzenerträge von 9600 Kilogramm pro Hektar hat auch Huber beim Winterweizen als Brotgetreide erzielt, als er noch konventionell arbeitete. "Das ist fast ein Kilo pro Quadratmeter", sagt er. Nun ist er gespannt, wie die Erträge heuer ausfallen. Zum ersten Mal hat er ungebeiztes Saatgut verwendet. "Eine eigenartige Erfahrung", sagt er. Denn er musste weder Handschuhe noch Mundschutz verwenden. "Ich hab sogar ein paarmal neig'langt und ein paar Körner zerbissen", sagt der 44-Jährige und lacht. "Wenn man es 25 Jahre anders gemacht hat, ist das eine eigenartige Erfahrung", wiederholt er. "Aber gut!" Und die 20 Kilo Getreide, die nach dem Säen übrig waren, die hat er einfach seinen Hühnern zum Fressen gegeben. Das wäre mit dem gebeizten Saatgut nicht möglich gewesen, auch Menschen können es nicht essen. Man kann, was übrig bleibt, nur bis zum nächsten Jahr aufheben. Doch auch Huber scheut sich, das Wort "Gift" zu verwenden.

Seit Huber in der Umstellung zum Naturland-Betrieb ist und mehr im Einklang mit der Natur arbeitet, ist er stärker vom Wetter abhängig. Die mechanische Unkrautbekämpfung mit dem Striegel ist nur bei trockenem Boden möglich. Herbizide kann man auch bei Feuchtigkeit sprühen. Den teuren Striegelanhänger hat deshalb jeder Landwirt selbst, denn sobald das Wetter passt, fahren alle aufs Feld. Die langen, gebogenen Metallzinken reißen die kleinen Unkrautpflänzchen heraus, die Nutzpflanzen sollen stehen bleiben. Beim "Blindstriegeln" entfernt er sanft das Unkraut, bevor die kleinen Getreidepflänzchen keimen. Ist der Boden in dieser Zeit zu feucht, muss dieser Arbeitsgang entfallen. Die Beikräuter wachsen dann stärker, als es dem Bauern lieb ist. Bei der Aussaat muss Huber darauf achten, dass die Bodentemperatur stimmt, damit Mais oder Soja schneller wachsen als die Beikräuter.

Mitte April stimmt das Wetter noch gar nicht. Der Boden ist viel zu kalt und viel zu trocken. "Ich habe mir abgewöhnt, immer nach dem Wetterbericht zu schauen", sagt Huber. Aber er hofft auf langen, ergiebigen Regen. Noch etwas fällt dem Landwirt schwer: Er hat heuer auf zehn Hektar etwas gesät, das ihm keinen Ertrag bringen wird: Kleegras, das der Bodenverbesserung und Gründüngung dient. Was er dreimal pro Jahr abmäht, bringt er in die Biogasanlage, das Gärsubstrat erhält er zurück, es ist guter Dünger. Ungewohnt sei das, Flächen zu haben, die keinen Ertrag bringen, sagt er - aber während der Umstellung sinnvoll.

Mitte April ist klar: Huber muss auf dem Feld am Mondscheinweg nicht noch einmal säen. Allzu viel haben die Vögel nicht gefressen, und einen gewissen Verlust hatte er schon einkalkuliert und mit einer etwas höheren Saatstärke ausgeglichen. Der Bauer ist zufrieden. Im April steht zudem ein wichtiger Termin an. Es kommt ein Kontrolleur auf den Hof, der prüft, ob Huber alle Vorgaben des Naturlandverbands einhält, beispielsweise, ob die Zahl der Hühner zur gekauften Menge an ökologischem Legehennen-Alleinfutter passt.

Huber hat die Dokumente in Aktenordnern parat. Abgeheftet sind die Zertifikate des Betriebs, der das Futter in Umlauf bringt, Lieferscheine, sogar Anhänger der Säcke, in denen das Futter geliefert wurde und ein Zettel, auf dem alle Inhaltsstoffe des Futters aufgeführt sind: vom Biomais bis zum Monocalciumphosphat, das die Hühner für die Produktion der Eierschalen brauchen. Alleine die Dokumentation zum Hühnerfutter umfasst sieben Seiten. Der Kontrolleur schaut sich aber nicht nur die Unterlagen an, sondern überprüft auch die bewirtschafteten Flächen. Huber ist zuversichtlich, dass alles passt.

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