SZ-Serie Energiewende 2030 (Teil 15):Private Idealisten

Die Zahl der Fotovoltaikanlagen auf den Dächern der Eigenheimer steigt ständig. Doch im Gemeinderat fehlt offenbar ein engagierter Mandatsträger, der die Energiewende auf die politische Ebene bringt

Von Susanne Hartung

Energieserie Landsberied

Unter anderem auf den Dächern landwirtschaftlicher Betriebe sind in Landsberied Fotovoltaikanlagen installiert worden.

(Foto: Günther Reger)

Als Johann Märkl von der SZ-Serie zur Energiewende erfuhr, musste sich der Zweite Bürgermeister der Gemeinde Landsberied erst einmal selbst einlesen. Denn: "Ich habe mich mit der Thematik in unserer Gemeinde bis dato noch überhaupt nicht beschäftigt gehabt", erzählt der 56-Jährige, lacht und zieht einen großen Bogen Papier heraus, auf den er dann zeigt. "Deshalb habe ich Luftfotos angeschaut, da sieht man dann auch, wie viele Fotovoltaikanlagen auf den Dächern sind", erklärt er.

Das Ergebnis: In der Gemeinde Landsberied gibt es 49 Fotovoltaikanlagen, 28 betreiben Volleinspeisung und 14 produzieren Strom für den Eigenverbrauch. Die erste dieser Anlagen ist im Dezember 2001 in Betrieb gegangen und es werden monatlich mehr: In den Monaten Mai, April und März gab es jeweils eine neue Anmeldung. "Peu a peu", so Märkl, würden die Fotovoltaikanlagen entstehen. Darunter seien auch Anlagen, die durch ihre überdurchschnittliche Größe herausragen, sagt er und deutet mit dem Finger auf ein paar Häuser auf der Luftaufnahme. Auch die Vergleichszahlen sind beeindruckend: Lag die Einspeisung 2005 noch bei knapp 16 000 Kilowattstunden (Kwh), vervielfachte sie sich bis zum Vorjahr auf 940 000 Kwh. Zum Vergleich: Der gesamte Stromverbrauch der Gemeinde ist im gleichen Zeitraum um 300 000 Kwh gestiegen. Man könnte also sagen, die kleine Gemeinde ist in Sachen Fotovoltaikanalgen auf einem guten Weg. "Ich war selbst überrascht, als ich die Unterlagen angeschaut habe", gibt der 56-Jährige zu.

Doch eine Sache gibt dem Familienvater zu denken: Die Betreiber der Anlagen sind alle Privatleute, "private Idealisten", wie der 56-Jährige sie nennt, die voll und ganz hinter der Idee der regenerativen Energien stehen würden. "Die hätten das wohl auch ohne Energiewende gemacht." Von Seiten der Gemeinde sei hier allerdings zu wenig Engagement zu erkennen: "Ich sage das als Gemeinderatsmitglied und nicht als Zweiter Bürgermeister, aber ich persönlich finde, dass es bei uns im Gemeinderat vernachlässigt wird. Es kümmert sich niemand darum, dass regenerative Energien mehr werden." So könne man ja beispielsweise bei neuen Bebauungsplänen für Gewerbegebiete eine Vorgabe mit einarbeiten, die vorsieht, auf Dächern Fotovoltaikanlagen anzuschließen. Warum so etwas nicht passiere? Märkl zuckt mit den Schultern. "Man hat im Gemeinderat einfach keine Mehrheitsverhältnisse, um das zu diskutieren, da ist einfach kein Interesse da."

Auch Vorschläge der Bürger, Fotovoltaikanlagen auf Gemeindehäuser zu installieren, stoßen beim Gemeinderat auf wenig Gegenliebe. Ein weiteres Problem sei auch, dass es nicht, wie in anderen Gemeinden, eine oder mehrere Personen gebe, die sich voll hinter dieses Projekt stelle. Auch Bürgerinitiativen, die das vorantreiben würden, seien nicht vorhanden. "Man bräuchte jemanden, der das bündelt und zusammenführt. Aber da gibt es niemanden." Er vergleiche die Energiewende gerne mit seinem eigenen Biobetrieb, den seine Familie seit 1966 betreibt. Damals, als sein Vater als Kleinstbetrieb mit Bioanbau begonnen hatte, sei er belächelt und als Spinner tituliert worden. Jetzt, 60 Jahre später, gebe es den Betrieb noch immer und es ist ein richtiger Bio-Boom entstanden. "Genau so ist es bei uns mit der Energiewende, auch da müsste jemand vorangehen." Märkl gibt jedoch die Hoffnung nicht auf: "Vielleicht ändert sich das ja auch noch."

Neben den privaten Fotovoltaikanlagen tue sich in der Gemeinde nicht viel in Richtung Energiewende. Das liege einerseits, wie schon erwähnt, am fehlenden Interesse seitens der Gemeinde, andererseits daran, dass Landsberied für andere Formen der regenerativen Energien nicht günstig gelegen ist. So zum Beispiel für die Windkraft: Die Gemeinde Landsberied hat nur eine kleine Fläche, gerade mal einen Hektar groß, ein "richtig kleines Fleckerl", so Märkl, das für Windräder geeignet ist. Bei den anderen Arealen, die im Gemeindegebiet gute bis beste Windqualität für ein Windrad hätten, gehe die Natur vor: "Das ist Erholungswald."

Auch wenn Märkl ein großer Fan von der Energiewende ist, für ihn muss das Konzept Hand und Fuß haben. Im Gegensatz zu manch anderen Anhängern der Energiewende ist er ein großer Gegner der Dämmung, mit der Wärme bei Gebäuden eingespart werden soll. "Wenn man wieder mit natürlichen Produkten bauen würde, bräuchte man keine Dämmung." Ziegel seien ein gutes Beispiel dafür. Das Problem, das seiner Meinung nach viele mit Ziegelbauten haben, sind die Kosten: "Das ist einfach doppelt so teuer wie andere Bauweisen. Die Ablehnung Märkls gegenüber der Dämmpraxis lässt sich auf mehrere Erfahrungen zurückführen, eine davon hat er auch mit einem Gemeindegebäude gemacht: Vor kurzem wurde der Landsberieder Kindergarten saniert, eine Dämmung wurde angebracht. "So spart man sich wahnsinnig viele Heizkosten, ja, aber dafür sind die Stromkosten für die Zwangsbelüftung und Filteranlagen in die Höhe geschnellt", zieht Märkl Bilanz. Sinn ergebe das für ihn nicht. Auch Biogasanlagen sind für ihn nicht im Sinne der Energiewende. "Manche dieser Anlagen werden ja mit dafür extra angebauten Pflanzen betrieben. Und dann fahren Lohnarbeiter 80 Kilometer um das Häckselgut zur Anlage zu bringen. Das ist doch Augenwischerei."

Bei all der Skepsis hat Märkl dennoch eine grundlegende Idee, wie die Abkehr von endlichen Ressourcen zur Energiegewinnung doch erfolgen und das Ziel erreicht werden könnte, einen Großteil der Energie aus erneuerbaren Ressourcen zu erzeugen. "Die Energiewende findet im Kopf statt", so der 56-Jährige. Die Menschen müssten umdenken und ihren Verbrauch senken. Er spricht er von seiner Kindheit, als die einzigen beheizten Räume im Haus Wohnzimmer und Küche waren. Diese Praxis hat Märkl beibehalten, die Zimmer seiner Kinder wurden nie gewärmt. Negative Auswirkungen hatte das nicht, im Gegenteil. Krank seien seine Kinder nie gewesen: "Keine Grippe, kein Schnupfen, nichts." Bei all den Singlehaushalten, die den ganzen Winter lang beheizt werden, wisse er nicht, wie das mit nachwachsenden Rohstoffen funktionieren solle. "Das ist doch nicht machbar." Außerdem müsse die Energie - wie Lebensmittel - dort erzeugt werden, wo sie gebraucht wird: Vor Ort. So könne auch die Verantwortung nicht mehr abgeschoben werden. "Erst, wenn die Menschen mit den Konsequenzen ihres Handels konfrontiert werden, wird sich die Denkweise auch ändern."

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