SZ-Serie Energiewende (Teil 16):Aufgeschlossen und skeptisch zugleich

Als Bürgermeister wirbt Hans Seidl in Maisach für Ökostrom. Als Landwirt aber weiß er, dass nicht alles so positiv ist, wie es zunächst scheint.

Von Ariane Lindenbach

Energieserie Maisach

Fürs E-Mobi: lElektro-Zapfsäule am Rathaus Maisach

(Foto: Günther Reger)

Maisach Die Energiewende sei eines seiner Lieblingsthemen, da müsse er sich nicht extra vorbereiten, lässt Hans Seidl im Vorfeld gut gelaunt verlauten. Und tatsächlich ist das eines jener Themen, die dem Bürgermeister von Maisach als gelerntem Kfz-Mechaniker-Meister und Nebenerwerbslandwirt unverkennbar am Herzen liegen. So hat er in seiner fünfeinhalbjährigen Amtszeit zum Beispiel das Projekt einer von Landwirten genossenschaftlich betriebenen Biogasanlage angeregt, mögliche Standorte für Freiflächen-Fotovoltaikanlagen ausgewiesen sowie eine neue Buslinie eingeführt. Und in der West-Allianz, dem Zusammenschluss von sechs Kommunen entlang der A 8, leitet er den Arbeitskreis Energie.

Welche Bemühungen hat die Gemeinde Maisach bereits unternommen im Hinblick auf das vom Landkreis vor 13 Jahren ausgegebene Ziel, bis 2030 unabhängig von fossilen Energien zu sein? Dass nicht immer alles so umweltfreundlich und ökologisch sinnvoll ist, wie es zunächst scheint, hat Seidl während seiner Amtszeit auch erfahren müssen. Und zwar bei den Biogasanlagen, wie er offen eingesteht. Anfangs begeistert von der Idee, aus reiner Biomasse Energie zu gewinnen, hat sich seine Begeisterung merklich abgekühlt. Noch vor ein paar Jahren bemühte sich der Rathauschef, die Landwirte am Ort bei der Gründung einer Biogasanlage zu unterstützen. Seine Idee war, mit der erzeugten Wärme das nahe Freibad und die im Osten der Gemeinde neu entstehende Wohnsiedlung mit Wärme und Strom zu versorgen. Doch weil sich die Bauern nicht einigen konnten, verlief das Projekt im Sande - worüber Seidl im Nachhinein gar nicht mehr so traurig ist. Weite Transportwege, die wieder CO2 in die Atmosphäre blasen, massenhafter Maisanbau und in der Folge immer mehr Wildschweine, und nicht zuletzt die stark steigenden landwirtschaftlichen Bodenpreise wegen der staatlichen Fördermittel für die Biogasanlagen, zählt er als Gründe auf für seine nun kritische Haltung gegenüber diesen Anlagen. "Man muss die ganze Kette sehen", betont er, sonst könne man eine neue Methode zur Erzeugung von Energie nicht objektiv beurteilen. Auf Maisacher Flur stehen nur zwei solcher, privat betriebener Anlagen, nämlich in Zötzelhofen und Frauenberg. Während die seiner Meinung nach noch umweltfreundlich betrieben würden, sei jene in Egg bei Mammendorf eine so große Anlage, dass dort alle aufgezählten Nachteile zutreffen.

Was die Stromgewinnung durch Sonnenkraft betrifft, hat Maisach mit den ebenfalls nicht unumstrittenen Freiflächen-Fotovoltaikanlagen einiges vorzuweisen: Mit 16,4 Hektar und 5,4 Megawatt Leistung ist die Anlage in Malching die größte im Gemeindegebiet, gefolgt von jener westlich von Maisach an der Bahnlinie. Dort wird auf 2,85 Hektar Strom durch Sonneneinstrahlung gewonnen, und auch auf dem Dach der Firma Hagemeyer in Gernlinden wird eine Fondsgesellschaft Geld mit er Sonne verdienen. Dort sollte eine genossenschaftliche Bürgersolaranlage entstehen, doch das Projekt scheiterte letztlich an seiner Größe und der damit verbundenen Verantwortung und Komplexität. Die drei Anlagen zusammen produzieren etwa den Strom für 2200 Haushalte. Die gemeindlichen Gebäude, auch die Wohnhäuser in der Rosen- und Tulpenstraße, sind, sofern es die baulichen Umstände erlauben, an Betreiber von PV-Anlagen verpachtet. Und für die neue Kindertagesstätte in Maisach verzichtete die Gemeinde auf Werbegeschenke eines örtlichen Energieversorgers in Höhe von 25 000 Euro. Stattdessen ließ sie sich im vergleichbaren Wert eine Fotovoltaikanlage schenken. Damit erzeuge die Kindereinrichtung nun den Strom, den die Lüftung des Niedrigenergiestandard- Gebäudes verbrauche, manchmal sogar mehr, erläutert der Rathauschef. Des weiteren hat sich der Gemeinderat auf eine Maßgabe für Gewerbebauten geeinigt: Um eine Baugenehmigung zu bekommen, müssen Bewerber eine Energieanlage vorweisen, die den eigenen Strombedarf erzeugt.

Bei der Wärmedämmung von Gebäuden mit Dach, Keller, Fenstern und Außenwänden kam der Kommune das sogenannte Konjunkturpaket II gerade recht. Mit etlichen Fördermitteln wurden die Grundschule in Maisach samt Turnhalle sowie die Grundschule in Gernlinden energetisch saniert. Dort auf der Turnhalle läuft bereits seit 2002 Maisachs erste Bürger-Fotovoltaikanlage; die auf dem Hauptgebäude fehlt aus baulichen Gründen nach wie vor. Deshalb ist es nun so, dass die deutliche Energieeinsparung durch die Wärmedämmung nun für das aufwendige, reichlich Strom fressende Belüftungssystem benötigt wird. "Die Effizienz ist nur gegeben, wenn man den Kreis schließt", hat Seidl festgestellt. Deshalb sollen, voraussichtlich in den nächsten fünf bis zehn Jahren, auch die Dachhaut der Schule erneuert und Solarmodule auf dem Dach installiert werden, erläutert der Bürgermeister. Erst mit diesem Schritt sei die Sanierung dann auch wirklich das, was der Name verspreche, nämlich energetisch und im besten Sinne umweltfreundlich.

Ein weiterer Punkt, an dem Bürgermeister Hans Seidl seine Begeisterung über eine neue, umweltfreundlichere Technologie dämpfen musste, sind Elektrofahrzeuge. Schon 2011 gab es die Überlegung im Rathaus, für die Amtsbotin ein solches Gefährt anzuschaffen. Der Stromkonzern Eon installierte damals vor dem Rathaus eine Elektrotankstelle, das erste Halbjahr war die Nutzung sogar kostenlos. Doch Seidl zufolge wurde das großzügige Angebot kaum genutzt. Und der hausinterne Test mit E-Fahrzeugen fiel so aus, dass man sich entschied, noch ein wenig abzuwarten. "Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich die Gemeinde 2014 eins anschafft." Auch beim Verkehr gibt es Verbesserungen, beispielsweise die neue Buslinie zwischen Maisach und Gernlinden. Am liebsten freilich würde sich Seidl hier einen E- oder Gasbus wünschen. Zudem sollen bis 2015 alle Ortsteile der Großgemeinde mit Radwegen verbunden sein, anschließend sollen die innerörtlichen Radverbindungen optimiert und weitere Radlständer aufgestellt werden.

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