SZ-Serie Energiewende 2030 (Teil 12):Am Anfang des Weges

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Die Gemeinde Grafrath ist noch weit davon entfernt, ihren Energiebedarf ausschließlich aus regenerativen Quellen zu erzeugen. Deshalb arbeitet der frisch gewählte Klimaschutzbeauftragte an möglichen Konzepten

Von Manfred Amann

Nicht einmal fünf Prozent der geeigneten Dachflächen in Grafrath werden zur Stromerzeugung genutzt, vermutet Umweltreferent Roger Struzena. Sein Ziel wäre es,die Zahl auf zwanzig Prozent zu erhöhen. (Foto: Günther Reger)

Im Grafrather Gemeinderat reift seit langem schon die Überlegung, für die öffentlichen Gebäude, die in der Ortsmitte nah beisammenliegen, ein Nahwärmekonzept zu entwickeln. Nun hat ein Investor, der östlich der Schule einen Gebäudekomplex für einen Lebensmittelmarkt, Arztpraxen und Wohnungen errichten will, die Idee aufgegriffen und vorgeschlagen, ein zentrales Heizkraftwerk zu errichten, von dem aus nicht nur die neuen Gebäude mit Wärme und Warmwasser versorgt werden könnten, sondern ebenso Schule, Kindergarten, Krippe, das Gebäude der Verwaltungsgemeinschaft Grafrath und das Feuerwehrhaus. Favorisiert wird eine Heizanlage mit Kraft-Wärmekopplung, die mit Holzhackschnitzeln gefüttert wird. "Strom und Wärme erzeugen, das wäre die Ideallösung", sagt Roger Struzena, der unlängst vom Gemeinderat zum Klimaschutzbeauftragten gewählt wurde. Der Sprecher der Grünen-Fraktion hofft, dass sich ein geeigneter Investor findet, der für die Gemeinde ein entsprechendes Nahwärmekonzept entwickelt und umsetzt. Die Gemeinde selbst könnte so eine Aufgabe kaum schultern.

Christian Strasdat, der Ortsvorsitzende der Wählergruppe Einigkeit Grafrath, hat sich mit der Thematik intensiv auseinandergesetzt und eine noch weitergreifende Lösung errechnet. Er kann sich vorstellen, in vier Ausbaustufen Wohnbereiche und Gewerbebetriebe entlang der Bahnhofstraße ebenso an das Heizkraftwerk anzubinden wie die Geschosswohnungsbauten, die auf dem Klosterwirtgelände geplant sind. Insgesamt wäre es so möglich, jährlich bis zu 500 000 Liter Heizöl oder die entsprechende Menge Erdgas durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, glaubt Strasdat. Der Beitrag zur Energiewende wäre bei einem maximalen Ausbau mit 5000 Megawattstunden erzeugter Energie tatsächlich enorm. Der Wärmebedarf aller Haushalte in Grafrath liegt bei rund 32 500 Megawattstunden. "Wenn das Nahwärmekonzept klappen würde, dann wäre Grafrath einen Riesenschritt weiter auf dem Weg zu Energiewende", meint Struzena hoffnungsvoll. Das wäre tatsächlich eine wichtige Maßnahme, weil es in Grafrath kaum andere Möglichkeiten gibt, in solchen Größenordnungen einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

Die Überlegung, mit der Wasserkraft der Amper Strom zu erzeugen, könne man glattweg vergessen, erklärt der Umweltbeauftragte der Gemeinde, denn vom Ampermoos bis zur Amperschlucht stehe das Flußtal unter Naturschutz. "Etwas bedauerlich oder wegen der reizvollen Landschaft auch wieder nicht", findet Struzena auch, dass es auf dem Gemeindegebiet keine Freiflächen-Fotovoltaikanlage gibt. "Wir haben rundherum Landschafts- und Naturschutzgebiete und die wenigen Ackerflächen werden für die Prodiktion von Nahrungsmittel genutzt, da geht einfach nichts", gesteht er ein. Auch entlang der Bahnlinie und der Bundesstraße 471 sei dafür kein Platz. Es wäre zwar möglich gewesen, auf den ehemaligen Deponien einen Solarpark zu errichten, aber dafür fehlt der Gemeinde das Geld. Außerdem, so Struzena, sei der Bereich als Ausgleichsfläche im Ökokonto registriert, was auch sinnvoll sei.

Untätig war Grafrath seit der Gründung von Ziel 21 aber nicht. Auf dem Dach des Bürgerstadls wird die Sonnenenergie genutzt und bald auch auf dem Gebäude der Verwaltungsgemeinschaft. "Die Energieausbeute auf dem VG-Gebäude dürfen wir uns aber nur zu 60 Prozent gutschreiben, weil der Rest den Mitgliedsgemeinden und Miteigentümern Kottgeisering und Schöngeising zuzurechnen ist", so Struzena Als spürbare Aktion bezeichnet er den Einbau von LED-Leuchten in die Straßenlampen mit Unterstützung der Stadtwerke Fürstenfeldbruck. "Damit sparen wir 50 bis 60 Prozent Strom ein und übernehmen in gewisser Weise eine Vorbildfunktion." Seit zwei Jahren wird die Schule energetisch saniert, derzeit werden Fenster erneuert. Ein großer Energiefresser sei das Hallenbad, das man aber mit ans Nahwärmenetz anschließen könnte, wenn es denn kommt. Viel mehr Möglichkeiten habe die Kommune im eigenen Zuständigkeitsbereich nicht, es bleibe daher nur, dafür zu sorgen, dass die rund 1500 Grafrather Haushalte alle Möglichkeiten zur Energieeinsparung nutzen und auf erneuerbare Energien umstellen, rät Struzena. Er glaubt, dass bisher nicht einmal fünf Prozent der geeigneten Dachflächen zur Stromgewinnung oder zur Warmwasserbereitung genutzt werden. Auch wenn auf einigen Hallendächern insbesondere auf landwirtschaftlichen Betrieben schon Strom erzeugt werde. "20 Prozent sollten wir schon hinbekommen", spekuliert der Umweltreferent.

Hartwig Hagenguth bezweifelt, dass durch Solarenergie viel fossiler Brennstoff eingespart werden kann. "Der Anstieg privater Stromerzeugung dürfte geringer ausfallen als die Verbrauchszunahme aufgrund von Neubauten", schätzte der Bürgermeister unlängst im Gespräch mit Vertretern der Stadtwerke Fürstenfeldbruck, die jährlich 8,5 Millionen Kilowattstunden Strom nach Grafrath liefern. "Man sollte staatlicherseits dafür großzügig Fördermittel bereitstellen", schlägt Struzena vor. Eine Gemeinde mit finanziellen Engpässen wie Grafrath wäre als Zuschussgeber wohl überfordert.

Vorrangig will Struzena nun im Ort eine Erhebung durchführen, um festzustellen, wo für welche Zwecke noch Potenzial vorhanden ist. Vom Klimaschutzkonzept des Landkreises könne man Daten aus 2010 ablesen, die seien aber sicher nicht mehr aktuell. Dort wird zum Beispiel von 16 möglichen Wärmepumpen ausgegangen. Angesichts der Neubeuten der vergangenen Jahre seien das aber sicher mehr. Erfreulicherweise könne Grafrath auch auf Vorzeigeprojekte verweisen, wie zum Beispiel auf ein Null-Energiehaus oder Passivhaus. Eine nahezu unlösbare Aufgabe sei es, die Eigentümer alter Häuser dazu zu bringen, Wände und Dächer mit Dämmmaterial zu versehen. Der Kostenaufwand stehe für Eigentümer meist in keinem Verhältnis zum Nutzen, weil sich solche Ausgaben erst nach Jahrzehnten amortisierten, denkt Struzena. "Wer gibt schon einen Batzen Geld für etwas aus, was sich womöglich niemals auszahlt?" Ein wenig Hoffnung setzt Grafraths Klimaschutzbeauftragter auf die Windkraft. Auf dem Gemeindegebiet befinden sich südlich Mauern zwei kleinere Flecken, die man als Standorte nutzen könnte. Da sich die Potenzialfläche auf Inninger Gebiet im Landkreis Starnberg fortsetzt, wäre seiner Meinung nach denkbar, Windräder so zu platzieren, dass wenigstens eines auf Grafrather Flur steht. "Damit könnten wir drei Megawatt Strom, also mehr als ein Drittel des örtlichen Verbrauchs, erzeugen", erklärt Struzena in der Hoffnung, dass sich die beiden Nachbarkommunen entsprechend einigen. Alles in allem sieht der Grünen-Sprecher die Gemeinde Grafrath in Richtung Energiewende derzeit noch in den Anfängen, "aber auf einem guten Weg, wenn sich die Projekte Nahwärmekonzept und Windkraftanlage umsetzen lassen".

© SZ vom 17.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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