SZ-Serie: Bodenschätze, Folge 20:Der Stempel eines römischen Arztes

Augensalbenstempel

Ein Stempel aus der Römerzeit. Mit ihm wurden Salben bedruckt, was zur Kennzeichnung des Produkts wie zur Werbung des Arztes diente.

(Foto: Hajo Dickmann/OH)

Ein Fund aus Gauting zeigt, wie früher Augenerkrankungen behandelt wurden

Von Florian J. Haamann, Gauting

Überall im Brucker Land sind unter der Erde Schätze verborgen, die viel über die Entwicklung des Landkreises und der menschlichen Zivilisation erzählen. Mit seiner weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannten archäologischen Abteilung schafft es der Historische Verein, dass diese Schätze geborgen, erforscht und erhalten werden. In einer großen Ausstellung präsentiert der Verein nun in jeder Kommune mindestens ein für den Ort bedeutendes Fundstück. In einer SZ-Serie werden alle Ausstellungsstücke einzeln vorgestellt.

Ein seltenes Stück aus römischer Zeit wurde 2003 bei einer Notgrabung in Gauting entdeckt. In einer Abfallgrube wurde neben mehreren anderen Objekten ein sogenannter Augensalbenstempel gefunden. Zwar gibt es aus dem Mittelmeerraum schon mehrere Hundert dieser Stempel, allerdings wurden nördlich der Alpen bisher erst vier Exemplare entdeckt - inklusive des Gautinger Fundes. Gauting war in der Römerzeit ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt innerhalb der Provinz Raetien. Dort liefen die Straßen von Kempten und die Verbindung zwischen der Provinzhauptstadt Augsburg und Salzburg zusammen.

Augenerkrankungen waren auch in der Römerzeit ein verbreitetes Problem. Ein einheitliches Gesundheitssystem gab es nicht. Behandelt wurden die Menschen von herumreisenden Ärzten, die ihre Medikamente selbst herstellten. Die Stempel wurden in die breiigen Salben gedrückt, diese dann getrocknet. Vor der Verwendung wurde ein Stück abgebrochen und mit Wasser oder Öl wieder geschmeidig gemacht. Die Stempelung diente zur Werbung für den Arzt und zur Kennzeichnung des Produkts.

Der Gautinger Stempel ist etwa vier mal drei mal vier Zentimeter groß und besteht aus Speckstein. Er hat die Form eines Keils. Auf den beiden Seiten befinden sich mehrere Inschriften - wie bei Stempeln üblich in Spiegelschrift.

Die Inschrift "Diasmyrines" weißt auf eine Salbe aus Myrrhe hin. Diese erfreute sich in der Antike großer Beliebtheit als Heilmittel, vor allem bei Entzündungen und Wunden sowie gegen Gicht und Kopfschmerzen. Nachgewiesen ist ihre antimikrobielle, fiebersenkende, schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung. Die zweite Inschrift lautet "Nardinun", wobei die Forscher davon ausgehen, dass sich dabei ein Rechtschreibfehler eingeschlichen hat. Richtig müsste es "Nardinum" heißen. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Salbe, und zwar um eine auf Basis der indischen Narde-Pflanze. Ihr Öl musste also von weit aus dem Osten importiert werden und war entsprechend kostbar.

Die dritte Inschrift weißt auf den Namen des Arztes hin: "VERECU(NDUS)". Wofür die ebenfalls dort findende Abkürzung "Po" steht, ist umstritten. Möglicherweise für den Gentilnamen, ähnlich dem heutigen Familiennamen. Denkbar wären "Polleius", "Pompeius" oder "Poblius".

Teilweise wirken die Inschriften sehr unbeholfen und die Forscher gehen auch davon aus, dass mehrere Nachbesserungen vorgenommen worden sind. Deshalb vermuten sie auch, dass der Augensalbenstempel im Laufe der Zeit mindestens einmal den Besitzer gewechselt hat. Der erste Arzt handelte vermutlich mit der Myrrhesalbe. Nach dem Verkauf des Stempels wurde sein Name möglicherweise abgeschlagen, was die Keilform des Stempels erklären würde. Dafür wurden die zweite Salbe und der Name des neuen Besitzers ergänzt.

Ausstellung "Bodenschätze" des Historischen Vereins, bis 27. September. Der Augensalbenstempel ist zu sehen in der KSKSME in Gauting, Bahnhofstraße 13. Geöffnet Montag bis Freitag von 8.45 bis 12.15 Uhr. Zusätzlich donnerstags von 13.15 bis 18 Uhr. Alle Ausstellungsorte finden sich im Internet unter www.historischer-verein-ffb.de. Erschienen ist zudem ein lesenswerter Katalog.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: