Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Bodenschätze, Folge 18:Schlüssel zum römischen Gutshof

In Lindach haben Archäologen die Reste einer bis ins vierte Jahrhundert bewohnten Villa rustica gefunden

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Überall im Brucker Land sind unter der Erde Schätze verborgen, die viel über die Entwicklung des Landkreises und der menschlichen Zivilisation erzählen. Mit seiner weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannten archäologischen Abteilung schafft es der Historische Verein, dass diese Schätze geborgen, erforscht und erhalten werden. In einer großen Ausstellung präsentiert der Verein nun in jeder Kommune mindestens ein für den Ort bedeutendes Fundstück. In einer SZ-Serie werden alle Ausstellungsstücke einzeln vorgestellt.

Spuren einer großen römerzeitlichen Villa haben die Archäologen in Lindach entdeckt. Unter den Funden ist eine Sammlung von Eisenschlüsseln. Aus anderen Funden schließen die Archäologen, dass die Bewohner sich rot verputzte Wände leisten konnten - damals ein Zeichen für Wohlstand. Dieser wird sich auch in der sonstigen Ausstattung des Hauses niedergeschlagen haben: Schmuck, feines Geschirr, weitere Wertgegenstände. Verständlich, dass die Besitzer ihre Villa vor Plünderern und Dieben geschützt haben. Zu jedem der gefundenen Schlüssel gab es auch ein passendes Schloss, offenbar gab es Hof- und Haustüren und Truhen, die man verschließen konnte. Anders als heute handelte es sich um Schiebeschlösser, die mit einem Haken am Ende des Schlüssel geöffnet wurden. Die Dorne des Schlüssel dienten dazu, in die Gegenform des Schieberriegels einzurasten. Dieser konnte dann zur Seite geschoben werden. Obwohl zu dieser Zeit bereits Schlösser mit Drehschlüsseln existierten, hat sich der Schiebemechanismus bis zum Ende der römischen Zeit gehalten. Die ältesten Schlüssel sind bereits aus bronzezeitlichen Pfahlbausiedlungen bekannt.

Der Gutshof in Lindach gehört zu einer Reihe solcher Villen im Landkreis, die sich meist am Verlauf der Fernstraße zwischen Augsburg und Salzburg orientierten. Bisher sind 30 solcher "Villae rusticae" im Landkreis bekannt. Dabei lebte der römische Bauer nicht, wie die Germanen, mit dem Vieh unter einem Dach. Nach mediterraner Bautradition waren Wohnbereich und Wirtschaftsteil voneinander getrennt. Die Gehöfte lagen inmitten der zugehörigen Felder und Weiden, ähnlich wie bei modernen Aussiedlerhöfen.

Das Hauptgebäude der Lindacher Villa rustica, in dem Wohn-, Arbeits- und Vorratsräume untergebracht waren, hatte zwei charakteristische Ecktürme und eine Säulenhalle. Daneben stand ein kleines Bad. Auf Luftbildern sind außerdem drei weitere Nebengebäude zu erkennen, darunter eines mit hallenartigem Grundriss, die, so vermuten die Archäologen, als Ställe oder Scheunen gedient haben. Neben der landwirtschaftlichen Nutzung gab es auf dem Lindacher Hof eine eigene Ziegelproduktion für den lokalen Bedarf.

Bewohnt war die Villa bis in die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts, wie sich anhand von Münzen und Terra-sigillata-Scherben nachweisen lässt. Außerdem weist ein eingeritzter Vermerk auf einem Tellerfragment darauf hin, dass die Bewohner lesen und schreiben konnten. So ist dort zu lesen "[P]OSTV[MI]", was "Eigentum des Postumus" bedeutet.

Ausstellung "Bodenschätze" des Historischen Vereins, bis 27. September. Die eisernen Schlüssel sind zu sehen in der VR-Bank Fürstenfeldbruck, Dachauer Straße 10. Geöffnet montags bis donnerstags von 8 bis 12.30 Uhr. Zusätzlich Montag von 14 bis 16 Uhr, Dienstag von 14 bis 18 Uhr und Freitag von 8 bis 15 Uhr. Alle Ausstellungsorte finden sich im Internet unter www.historischer-verein-ffb.de. Erschienen ist zudem ein lesenswerter Katalog.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2019
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