SZ-Interview:"Gescheitert bin ich beim Viehmarktplatz"

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Auch ein Stadtbaurat kommt bisweilen an seine Grenzen. Zu seinem Abschied blickt Martin Kornacher dennoch zufrieden zurück auf 20 Jahre in Fürstenfeldbruck und auf Meilensteine wie den Umbau des Klosters und der Hauptstraße. Für Stadträte hat er noch einen letzten Rat

Interview: Stefan Salger

Schön restaurierte Häuser an der Hauptstraße von Fürstenfeldbruck. (Foto: Johannes Simon)

Ehrgeizige Projekte wie die Gestaltung des Viehmarktplatzes hängen bis heute in der Warteschleife. Andere, wie die Aufwertung des Geschwister-Scholl-Platzes, gelten als erfolgreich: In den zurückliegenden 20 Jahren hat sich das Gesicht der Stadt Fürstenfeldbruck durchaus verändert. Stadtbaurat Martin Kornacher verabschiedet sich zum Dezember in den Ruhestand - nicht ohne einen Blick zurück zu werfen auf das, was gut lief, aber auch das, wo es bis heute Luft nach oben gibt. Er erklärt, woran das liegt und wo auch ein Bauamtsleiter an seine Grenzen kommt.

SZ: Fürstenfeldbruck ist in den vergangenen 20 Jahren eine autogerechte Stadt geblieben. Warum haben Sie daran nichts ändern können?

Martin Kornacher: Wenn Fürstenfeldbruck vor 20 Jahren eine autogerechte Stadt gewesen wäre, hätte es doch nicht der Debatte über den Bau der Deichenstegtrasse bedurft. Wir haben in den letzten 20 Jahren einige grundsätzlich geänderte Denkansätze im Vergleich zur vorhergehenden Zeit verfolgt. Zum Beispiel, dass man den Stellplatznachweis, wenn man ein Mobilitätskonzept hat, eben nicht in vollem Umfang erfüllen muss, insbesondere in der Innenstadt und beim geförderten Wohnungsbau. Der Stadtrat hat in Abstimmung mit dem Staatlichen Bauamt die Entscheidungen getroffen, zum Beispiel mit dem Ergebnis, dass die Hauptstraße heute statt vier nur noch zwei Fahrspuren hat und man über den Mittelstreifen die als randsteinloser Stadtplatz gestaltete Straße überqueren kann.

Die Preise für Mietwohnungen steigen in Ballungsgebieten wie im Raum München weiterhin. (Foto: Johannes Simon)

Was ist mit Ideen wie Fußgängerzone oder Parkraumbewirtschaftung? Hätte man möglicherweise die Deichenstegtrasse akzeptieren müssen, um eine Fußgängerzone zu bekommen?

Das hat der damalige Oberbürgermeister auch so vorgeschlagen, aber die Bürger haben dies im Bürgerentscheid nicht akzeptiert. Ich halte es für wahrscheinlich, dass eine reine Fußgängerzone ein veraltetes Modell sein könnte. Es gibt große Städte, wo man das machen kann. Aber in kleinen Städten mit weniger ausdifferenzierten Räumen glaube ich eher, dass es sinnvoller ist, zum Beispiel weiter über gemischt genutzte, niveaugleiche öffentliche Flächen nachzudenken. Die Hauptstraße wäre als niveaugleiche Fläche dafür geeignet.

Ex-Baureferent Stangl rechnet Ihnen die Gestaltung des Geschwister-Scholl-Platzes an, den Erhalt des Lichtspielhauses und die Schaffung von Wegeverbindungen an. Worauf sind Sie außerdem stolz?

Das damals schon begonnene Projekt im Kloster zum jetzigen Stand geführt zu haben. Es ist, glaube ich, auch gelungen, das Umfeld gut einzubeziehen. Jetzt, nach 20 Jahren, sollte man sich trotzdem überlegen, wo man baulich wieder etwas erneuern muss und das Konzept weiterdenken. Dann wäre da noch die Lände zu nennen. Den Wettbewerb dafür konnte ich noch anstoßen. Das ist ein sehr gutes Konzept, und es gab bisher große Zustimmung in den Gremien wie auch in der Öffentlichkeit - da kann man was draus machen. Dazwischen viele Dinge.

Was ist mit dem Einzelhandel, der nicht am Stadtrand angesiedelt wurde?

Ja, manchmal sind auch die Dinge sehr wichtig, die eben nicht geschehen.

Lässt das Baurecht Spielraum, den innerstädtischen Einzelhandel zu stärken?

2004 blickt Martin Kornacher vom Kirchturm aus über das Klostergelände. (Foto: Günther Reger)

In Fürstenfeldbruck gibt es ein Einzelhandelskonzept. Dies sieht die Innenstadt und das Stadtteilzentrum Buchenau als Einzelhandelszentren vor. Außerhalb dieser Gebiete wurden im begründeten Einzelfall bisher nur Nahversorger gefördert. Die Stadt kann in der Bauleitplanung Regelungen zugunsten des Einzelhandels treffen und umgekehrt an anderen Stellen, zum Beispiel am Ortsrand oder im Gewerbegebiet Hasenheide, solche Nutzungen - insbesondere des großflächigen Einzelhandels mit Ausnahme von Bau- und Gartenmärkten - nicht festsetzen beziehungsweise ausschließen und hat dies im Vergleich zu anderen Kommunen in den letzten 20 Jahren auch relativ konsequent getan.

Woran sind Sie gescheitert?

Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass wir die Entwicklung an der Lände viel früher in Gang setzen. Aber es war schwierig, die Stadtwerke rauszukriegen. Der Umzug des Bauhofs wird auch schwierig. Wirklich gescheitert bin ich vielleicht beim Viehmarktplatz. Da ist es mir nicht gelungen, eine vernünftige Mehrheit für dessen Umgestaltung zu bekommen.

Wie konnte es zu Entwicklungen wie dem Citypoint kommen - zählen heutzutage nur noch die Kosten?

Wenn ein privater Investor den Bau in die Hand nimmt, dann hat die Kommune als Träger der Planungshoheit nur begrenzte Einflussmöglichkeiten. Wie hoch darf das Gebäude werden, wo genau soll es stehen, welche Art der Nutzung soll es geben? Auch damals gab es einen Fachbeirat, der sich aber vom Konzept des Investors hat überzeugen lassen.

Es gab immer schon viel Kritik an der als klotzig empfundenen Fassade. Die gab es aber auch lange an der grün gekachelten Sparkasse.

Ja, auch die Sparkasse passte aber in ihre Zeit, die Siebzigerjahre, und so ist das vielleicht auch mit dem Citypoint.

Immerhin bietet das Haus Platz für großflächigen Einzelhandel im Zentrum.

Ja, das Konzept für den Einzelhandel ist in den Grundzügen richtig.

Schränken die Kommunen an anderer Stelle, also beim Bau "normaler" Häuser, nicht sogar die Individualität zu sehr ein? Entstehen zu viele architektonisch langwe ilige Bauten von der Stange, weil sie sich zum Beispiel nach Paragraf 34 an der Nachbarbebauung orientieren müssen? Ist das Baugesetz mittlerweile zu einem engen Korsett geworden. Oder liegt die Uniformität daran, dass heute nur noch die Kosten zählen?

Der Gesetzgeber vergrößert die Spielräume eher. Die Kommunen vor Ort sollen per Bauleitplanung den Weg weisen. Aber da liegt dann das Problem. Seit 2016 ist die Zahl der Projekte, die wir per Prioritätenliste abarbeiten wollen, erheblich gestiegen. Das Personal ist aber nicht mitgewachsen. In der Realität hat man keine Chance, das, was man tun könnte und will, auch zu machen.

Welche markanten Gebäude fallen Ihnen ein?

Es gibt sehr wohl gute Beispiele. Das Gebäude am Fuchsbogen, das als Sportzentrum konzipiert war. Und alle paar Jahre verleihen wir nicht ohne Grund Bauherrenpreise, da gibt es schon interessante Gebäude. In architektonischer Hinsicht beachtenswert sind auch die Wohnanlage an der nördlichen Wilhelm-Busch-Straße, die Schule-Mitte mit VHS und die Umgestaltung des Niederbronner Platzes sowie das Bauvorhaben der ESG an der Livry-Gargan-Straße.

Was ist mit dem Turm am Viehmarktplatz in Ergänzung zum schwungvollen Loop-Entwurf?

Mit dem Wort Turm muss man aufpassen. So was wie ein Kirchturm, mit Leiter drin, wirkt so. Aber wenn Wohnungen oder Büros darin Platz finden sollen, dann kann das meistens kein Turm mehr sein, außer, wenn er 20 bis 50 Meter hoch ist. Es wäre eher ein dickes, hohes Gebäude, wo Breite und Höhe nah beieinander sind. Optisch ist das dann nicht der Hingucker, auf den manche hoffen. Ab 22 Meter wäre es ein Hochhaus. Berücksichtigt man Treppenhaus, Aufzüge und Räume in alle Richtungen, dann dürfte es oft unter 15 Meter Tiefe kaum gehen. 18 Meter, das sind vielleicht sechs Geschosse. Zwei weitere Geschosse und man kommt über die Grenze zum Hochhaus.

Akzente erwarten Sie sich offenbar von der Beteiligung an der Internationalen Bauausstellung von 2022 bis 2032. Kann sich das die chronisch verschuldete Stadt überhaupt leisten?

Eine Beteiligung wird wohl eher nicht an den Kosten scheitern. Klar, man müsste sich an der Finanzierung der Bauausstellungsgesellschaft beteiligen. Aber die setzt in der Regel Projekte um, deren Finanzierung bereits gesichert ist, die aber in puncto Ausgestaltung oder Prozess besonders sind. Um die müssten wir uns als Stadtverwaltung ohnehin kümmern. Die Frage ist halt, ob man den Rückenwind für etwas Besonderes nutzen will.

Etwas Besonderes ist auch die sozialgerechte Bodennutzung. Größere Bauprojekte müssen einen Anteil von bis zu 40 Prozent Sozialwohnungen enthalten. Mutet man Bauherren nicht zu viel zu, wenn sie sich auch noch an den Folgekosten für den Bau von Kitas oder Schulen beteiligen müssen?

Ich halte es für grundsätzlich richtig, dass jemand, der Baurecht bekommt und dessen Grund damit sehr viel wertvoller wird, sich auch an den Folgekosten beteiligen muss. Wer bereits Sozialwohnungen baut, kann sich das bei den Folgekosten aber anrechnen lassen. Und dank der Zuschüsse ist der Bau von Sozialwohnungen ganz und gar kein Verlustgeschäft.

Warum baut die Stadt dann nicht mehr Wohnungen selbst, wie das ja am Sulzbogen lange geplant war?

Gäbe es finanzielle und personelle Kapazitäten, dann wäre das sicher eine bessere Strategie. Damit könnte man über die Bindungsfrist hinaus über die Mietkonditionen bestimmen und entscheiden, wer da einziehen darf. Das lässt sich nicht nur in Geld ausdrücken. Aber dafür bräuchten wir schon mal mehr Personal. Und in Zeiten des Fachkräftemangels ist es heute schon schwer genug, freie Stellen mit qualifizierten Leuten zu besetzen.

Wo liegen die Grenzen der Innenverdichtung und müsste man nicht viel öfter viel höher bauen, um die Nachfrage halbwegs zu stillen und die Mietexplosion in den Griff zu bekommen?

Man muss aber auch sicherstellen, dass Leute in dichter Wohnsituation die nötigen Freiflächen und Freizeitangebote bekommen. Besondere Bereiche wie die Lände sollte man nicht einfach verkaufen und dicht bebauen. Man muss gleichzeitig öffentlich zugängliche Flächen schaffen in Fußwegentfernung. Freiflächen auf der Lände wären auch für Bewohner der Innenstadt nutzbar. Die Höhe hängt stark vom Ort ab. Ich habe es leider nicht mehr geschafft, eine Sache weiterzubringen: Wir bräuchten eine Höhenentwicklungsstudie, um Orte herauszufinden, die auch für höhere Gebäude geeignet wären. Eine maximale Höhe zu nennen ist schwierig. Es gibt Orte, wo 30 bis 50 Meter verträglich für die Umgebung sind, aber das muss man jeweils im Einzelfall beurteilen. Im Westen sind manche Wohngebäude knapp unter der Hochhausgrenze.

So wie das Gebäude am Sulzbogen.

Das ist aus den Siebzigerjahren und dürfte etwa 22 Meter hoch sein. An manchen Orten der Stadt geht es eher darum, ob wir bereit sind, in Anbetracht des begrenzten Bodens öfters mal ein oder zwei Geschosse zusätzlich zuzulassen, wenn gleichzeitig qualitative Vorteile für die Allgemeinheit gewonnen werden können.

An welchen Städten könnte sich Fürstenfeldbruck orientieren? Kopenhagen dürfte ja eher eine Nummer zu groß sein.

Vor ein paar Jahren haben wir uns Freiburg angesehen. Freising macht das auch ganz ordentlich. Da kann man relativ gut als Fußgänger in der Innenstadt unterwegs sein, mit wenig Autoverkehr.

Sie sind viermal zum Stadtbaurat gewählt worden und haben einen Job, bei dem man gestalten kann. Warum machen Sie nicht bis 65 weiter?

Martin Kornacher vor dem Flächennutzungsplan. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Vielleicht, weil man aufhören soll, wenn es am Schönsten ist. Ich will mich noch mal umschauen, so lange ich meinen Hals noch drehen kann und habe eine Neugier, andere Sachen zu erleben und zu machen. Ich habe aber keine festen Projekte in Planung. Ich will erst mal schauen, wie sich das anfühlt.

Haben die teils öffentlich ausgetragenen Differenzen mit Oberbürgermeister Erich Raff eine Rolle gespielt?

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich dazu nicht äußern will.

Wenn Sie noch mal vor der Entscheidung über die Berufswahl und den Arbeitsort stehen würden, wie würde die ausfallen?

Ich glaube, ich würde es wieder so machen. Ich habe meinen beruflichen Weg in der Landeshauptstadt begonnen und kenne die Verhältnisse in einer Großstadt. Städte wie Fürstenfeldbruck haben viel Potenzial und bieten Chancen auf eine überschaubare Verwaltung, mit der man Dinge auch in einer überschaubaren Zeit bewegen kann.

Was würden Sie den Fürstenfeldbrucker Politikern empfehlen?

Politische Entscheidungen werden bisweilen mit zu starkem Fokus auf morgen getroffen. Da werden den Politikern Wünsche vorgetragen, die sie verständlicherweise erfüllen wollen. Manchmal schaut man dabei aber zu wenig in die weitere Zukunft. Das wäre ein Rat an die Stadträte: sich manchmal mehr auf eine längere Perspektive mit Blick auf Qualitäten, die gewonnen werden können, einzulassen.

© SZ vom 18.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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