SZ-Energiewende 2030 (Teil 13):Kein Platz für die Energiewende

Gröbenzell ist so dicht bebaut, dass es nirgends Flächen für Windräder, Solarfelder oder die Geothermie gibt. Deshalb sollen Hausbesitzer mehr Energie sparen

Von Gerhard Eisenkolb

Energieserie Gröbenzell

Den Energieverbrauch reduzieren, ist das Leitmotto in Gröbenzell. Die Sanierung öffentlicher Gebäude soll den Bürgern als Vorbild dienen.

(Foto: Günther Reger)

Eines gilt als sicher: Die Energiewende bis 2030 wird Gröbenzell nicht schaffen. Dazu ist die Gemeinde zu klein und zudem schon fast die gesamte Fläche bebaut. Es fehlt einfach am Platz für fast alles, womit sich bei Großprojekten große Mengen Energie gewinnen lassen. In der Gemeinde können weder Windräder aufgestellt, noch Solarfelder ausgewiesen oder ein Geothermieprojekt betrieben werden. Deshalb räumt selbst Markus Rainer, Gemeinderat der Grünen ein, dass in Gröbenzell wohl noch lange über das Jahr 2030 hinaus Energie bezogen werden muss. Weshalb man in der Gemeinde, die zwar viel Grün hat, aber so dicht besiedelt ist wie eine Stadt, einen anderen Weg einschlagen muss, um einen Beitrag zur Klimawende zu leisten als in Flächengemeinden. Die vielen Eigenheimbesitzer sollen dazu motiviert werden, ihre Versorgung zumindest teilweise auf erneuerbare Energien umzustellen und vor allem Energie einzusparen.

Man setzt ganz konsequent und mehr als in anderen Orten auf die Senkung des Verbrauches. Das müssten eigentlich alle Kommunen tun. Schließlich ist im Landkreis die energiepolitische Autarkie nur zu erreichen, wenn der Gesamtverbrauch um die Hälfte reduziert wird. Trotzdem denken die meisten zuerst mal an Solarstrom, Windräder oder Biogas, wenn von der Energiewende die Rede ist und nicht daran, Häuser zu isolieren, Fenster auszutauschen oder Strom sparende Elektrogeräte zu kaufen. Während Karin Schwarzbauer, die Sprecherin des Agenda-21-Gruppe überzeugt ist, dass in Gröbenzell seit der Jahrtausendwende viel Pionierarbeit geleistet wird, ist Gemeinderat Peter Falk (SPD) anderer Meinung. Falk meint, dass die Gemeinde bei der Energiewende "sehr zurückhaltend" sei. Falks Einschätzung stimmt, wenn man als Maßstab dafür die installierte Solaranlagen auf Dächern heranzieht. Diese lieferten 2012 nur 1,5 Prozent des im Ort verbrauchten Stroms.

Dabei belegen viele andere Beispiele, dass viel geschieht. Von den etwa 6000 Häusern sind inzwischen zehn bis 20 Prozent zumindest teilweise energetisch saniert worden. Im Rathaus geht man von rund 900 Häusern aus. Eine Vorreiterrolle in Deutschland nahm die Gemeinde bei der Gewährung von zusätzlichem Baurecht in Abhängigkeit zur energiesparenden Bauweise ein. Da Baugrundstücke teuer sind, nehmen diesen Bonus inzwischen drei von vier Bauherren in Anspruch. Sie sind bei der Dämmung etwas großzügiger als notwendig und dürfen dafür im Gegenzug etwas größer bauen als auf dem Grundstück erlaubt ist.

Und auf einem Feld der Energiegewinnung nimmt Gröbenzell im Landkreis sogar die Spitzenposition ein. Die Genehmigungsunterlagen belegen, dass die Gemeinde die höchste installierte Leistung von Wärmepumpen hat. Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Wegen des hohen Grundwasserstands ist deren Einsatz einfach lohnender als anderswo. Auch bei Solarthermieanlagen liegt Gröbenzell mit einer Kollektorenfläche von fast 3000 Quadratmetern mit Olching und Germering gleichauf an der Spitze im Landkreis. Und wer sein altes Haus dämmen will, kann im Rathaus einen Zuschuss beantragen. Allerdings ist der Haushaltsansatz dafür mit 26 000 Euro für dieses Jahr eher niedrig. Aber auch hier geht es in erster Linie darum, einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, damit etwas getan wird.

Investitionen in die Senkung des Energieverbrauchs oder die Erzeugung regenerativer Energien lohnen sich immer. Davon ist zumindest Schwarzbauer absolut überzeugt. Als Bankkauffrau erstellt sie die Bilanzen für die zwei Bürgersolaranlagen in der Gemeinde. Sie versteht etwas von Buchhaltung und antwortet auf die Frage nach der Rendite mit einer Gegenfrage: "Wann rentiert sich ein 50 000 Euro teurer BMW?" Schwarzbauer fällt es schwer, Leute zu verstehen, die sich ein solches Luxusauto kaufen und dann wissen wollen, ob und wann es sich finanziell rentiert, beispielsweise 20 000 Euro in die Wärmedämmung ihres Hauses zu stecken. Laut Schwarzbauer bekommt, wer sein Haus besser isoliert, in 20 Jahren sein Geld zurück, weil die Heizkosten niedriger sind. Zudem schützt er das Klima, hat einen besseren Wohnkomfort, weil die Wohnung im Sommer kühl bleibt, und der Wert der eigenen Immobilie steigt wegen der Investition sogar noch. Und dann fragt die Vorsitzende der Agenda-Gruppe verschmitzt, was der Autokäufer wohl nach 20 Jahren noch von seinem teuren BMW hat.

Änderungen sind letztlich nur über einen Bewusstseinswandel beim Verbraucher zu erreichen. Dafür leistet die Agenda-21-Gruppe seit ihrer Gründung ehrenamtlich Überzeugungsarbeit. Sie versteht sich auch als Impulsgeber für den Prozess zur Umsetzung der Energiewende. Zu allem, was sich auf diesem Gebiet in der Gemeinde tut, gibt es eine Beziehung zur Arbeit der lokalen Agenda 21. Selbst die Energieberatung der Verbraucherzentrale an jedem Donnerstag im Rathaus geht auf ihre Anregung zurück Über die Referenten des Gemeinderates hat die Agenda-Gruppe sogar ein Antragsrecht im Gemeinderat, sie kann also Ideen in den Entscheidungsprozess einbringen und sie wird auch von der Gemeinde finanziell unterstützt.

Nach der Jahrtausendwende entstand in Gröbenzell eine der ersten Bürgersolaranlagen im Landkreis, um für Solaranlagen zu werben. Inzwischen misst Schwarzbauer dem Stromsparen gleich viel Gewicht bei wie der Stromerzeugung auf den Dächern. Sie ist Realistin und vergleicht wie beim Luxusauto gerne Dinge, die nicht jeder sofort zusammen betrachtet. So stellt sie die Gesamterzeugung von Solarstrom mit dem Stromsparpotenzial in Relation und kommt zu einem verblüffenden Ergebnis: 2012 lieferten in Gröbenzell Fotovoltaikanlage die bereits erwähnten 1,5 Prozent der verbrauchen Jahresmenge. Das Einsparpotenzial bei Stromverbrauch beziffert sie mit 35 Prozent. Das ist das Vier- und Zwanzigfache dessen, was alle Fotovoltaikanlagen derzeit liefern.

Mit noch einem Beispiel kann die Sprecherin der Agenda-Gruppe belegen, wie effektiv konsequentes Energiesparen sein kann. So schlägt nur die energetische Sanierung der Ährenfeldschule pro Jahr mit einer Einsparung von mehr als 600 000 Kilowattstunden zu Buche. Das entspricht der zwanzigfachen Jahresleistung der Bürgersolaranlage auf dem gemeindlichen Bauhof. So viele Bürgersolaranlagen hätten in der Gemeinde nie gebaut werden können, um den Sanierungseffekt einer einzigen Schule zu kompensieren.

In einer Gemeinde mit einer kapitalkräftigen Bevölkerung kann sogar die Finanzkrise mit Niedrigzinsen ein Anreiz sein, die Energiewende voranzutreiben. So stellt der Energieberater Hanno Lang Behrens, der an Donnerstagen im Rathaus als Energieberater tätig ist, fest, dass zurzeit der Bau einer neuen Heizung in Verbindung mit einer Solarthermie auf dem Dach, der Einbau einer Wärmepumpe, die Dämmung der Fassade, eine energetisch saniertes Dach oder neue Fenster ein attraktive Kapitalanlage ist. Die Verzinsung der Investition über die Energieeinsparung beziffert Lang-Behrens mit vier bis sechs Prozent im Jahr. Zwar schreckten die Kosten der Komplettsanierung ihres Hauses für 60 000 bis 80 000 Euro viele ab. Aber das Interesse an einer Teilsanierung für 20 000 bis 30 000 Euro steigt, seitdem es sich nicht mehr lohnt, das Geld bei der Bank anzulegen. Das beste Argument, in Heizung oder Hausdämmung zu investieren, sind für den Energieberater die Kosten fürs Auffüllen des leeren Öltanks. Seit etwa neuen Monaten stellt er fest, dass die steigenden Stromkosten den gleichen Effekt haben wie der Ölpreis und viele zum Umdenken bringen. Erst dadurch sei vielen bewusst geworden, wie viel Strom sie verbrauchen und dass sich dagegen etwas tun lässt, so Lang-Behrens. So kann in Gröbenzell zwar kein Windrad gebaut werden, aber die Gröbenzeller können dazu beitragen, dass weniger gebaut wird.

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