SZ-Adventskalender:Helferin gerät in Wohnungsnot

SZ-Adventskalender: Weil das Geld hinten und vorne nicht reicht, kann sich die Betroffene aktuell nicht einmal das nötigste für ihre Kinder leisten.

Weil das Geld hinten und vorne nicht reicht, kann sich die Betroffene aktuell nicht einmal das nötigste für ihre Kinder leisten.

(Foto: Imago)

Eine Frau aus dem Landkreis übernimmt die Pflege für das Kind ihrer kranken Halbschwester in München. Weil Behörden und Bürokratie in ihrem eigenen Regel-Dschungel nicht durchsehen, steht sie plötzlich unverschuldet vor der Obdachlosigkeit.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es ist eine unfassbare Geschichte. Eine von der Sorte, bei der sogar die erfahrenen Experten der Fachstelle Wohnen sagen, so einen Fall haben sie noch nicht erlebt. Im Juni 2021 hat sich eine alleinerziehende Bürgerin aus dem Landkreis bereit erklärt, die Pflege des Babys ihrer Halbschwester zu übernehmen, weil diese nach der Geburt schwer erkrankt ist und sich selbst nicht um das Kind kümmern kann. Weil die Bürokratie aber bis heute nicht alle Fragen geklärt und Unterlagen bereitgestellt hat, ist die Frau, die selbst sechs eigene Kinder hat, eines davon mit einer Behinderung, in massive finanzielle Probleme geraten. Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte die Familie deshalb bei der Anschaffung dringend benötigter Dinge unterstützen.

Durch die finanziellen Probleme sind auch Mietrückstände entstanden, die beinahe dazu geführt hätten, dass die Familie ihre Wohnung verliert. Mit Hilfe der Fachstelle Wohnen konnte sie eine Einigung erreichen, die bereits ausgestellte fristlose Kündigung wurde vom Vermieter vorerst zurückgezogen - dank eines Darlehens des Kinderschutzbundes und einer in dieser Situation schnellen Bestätigung durch das Jobcenter. In diesen Fällen funktioniere die Zusammenarbeit mit den Behörden meist sehr gut und zügig, heißt es aus der Fachstelle. Sie wurde vom Landkreis eingerichtet, um Menschen zu unterstützen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind - egal aus welchem Grund. Doch gelöst ist die Situation damit noch lange nicht, es gibt noch zahlreiche offene Baustellen, die die Frau mit Hilfe der Fachstelle lösen muss - und das wird dauern. "Zu viele Probleme", fasst es die Mutter zusammen.

Wie, was, wo, warum und wann schiefgelaufen ist, ist schwer zu sagen, sowohl für die Fachstelle, als auch für die zuständigen Behörden. Klar ist: seit die Frau das Kind aufgenommen hat, greifen die Räder in den Behörden nicht mehr ineinander. Das Bürokratie-Wirrwarr beginnt damit, dass die Mutter des Babys in München lebt und das Kind somit als Münchner Bürger geboren wurde, nun aber von einer Frau aus dem Landkreis im Landkreis betreut wird. Dadurch sind Behörden wie Jobcenter, Jugendamt und Pflegestelle aus zwei Landkreisen für verschiedene Schritte zuständig und müssen bestimmte Dinge tun, damit es weitergehen kann.

Beispielsweise muss die Frau das Kind in der Kommune, in der sie lebt, melden, damit die Behörden im Landkreis tätig werden können. Dafür muss sie aber als Pflegemutter anerkannt werden - aus München - ein Prozess der nun mehr als ein Jahr dauert. Alleine für die Anerkennung sind viele Schritte notwendig: Nicht nur müssen Führungs- und Leumundszeugnis eingeholt und eingereicht werden, die Frau musste auch einen Bericht über ihr Leben schreiben, und natürlich wurde sie vom Jugendamt besucht, das sich davon überzeugen muss, dass es dem Kind gut geht. "Es gab dann die Entscheidung, dass ich das super mache und das Kleine bei mir bleiben kann", erzählt die Frau. Nur die schriftliche Bestätigung gebe es noch nicht. Doch erst, wenn die Pflegemutterschaft offiziell anerkannt ist, darf der Vermieter bestätigen, dass das Kind im Landkreis lebt. Was es faktisch ja schon lange tut. Diese Bestätigung des Vermieters ist wiederum nötig, weil nur damit das Kind bei der Stadt angemeldet werden kann. Weil das aufgrund der fehlenden Unterlagen zur Pflegemutterschaft aber noch nicht geschehen konnte, zahlt das Jobcenter beispielsweise nicht den Mietanteil für das Pflegekind, es geht um einen Betrag von mehreren Hundert Euro im Monat.

Der Fall ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Mensch durch die angedachten Raster der Gesetzgebung fällt. Dann wird es schwer herauszufinden, was überhaupt getan werden muss, damit es vorangeht. Jede Behörde tue ihr Bestes, doch manchmal müssten die Sachbearbeiter selbst erst einmal klären, was nun überhaupt wo und von wem zu erledigen sei. Dazu kommt, dass jede Behörde nur über ihren Bereich entscheidet, ein vernetztes Vorgehen gebe es nicht. All das kostet natürlich Zeit. Zeit, die die Betroffene nicht hat, weil sie ihre Rechnungen längst nicht mehr bezahlen kann. Deshalb verbringen die Mitarbeiter der Fachstelle viel Zeit damit, bei den verschiedenen Behörden anzurufen und um möglichst schnelle Erledigung zu bitten.

Während die Frau also darauf wartet, dass die nötigen Unterlagen und Bestätigungen ausgestellt werden, pflegt sie das Baby ihrer Halbschwester und ihr eigenes Kind mit Behinderung und kümmert sich um die anderen Kinder. Ihren Teilzeitjob, den sie bis vor einem Jahr hatte, kann sie deshalb nicht mehr ausüben. Damit die Familie nicht komplett ohne Geld dasteht, haben sich außerdem die größeren Kinder, die teilweise schon in einer Ausbildung sind, im Sommer zusätzliche Teilzeitjobs gesucht, um etwas dazuzuverdienen. All das zu ertragen, sei nur durch einen "irren Zusammenhalt" in der Familie möglich, erzählt die Mutter.

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