SZ-Adventskalender:Nur im Wasser geht es ihr gut

Eine 15 Jahre alte Bruckerin leidet an einer halbseitigen Lähmung

Von Anna Landefeld-Haamann, Fürstenfeldbruck

Von dem Porträtfoto fixiert die 15-jährige Juliane D. (alle Namen geändert) mit ihrem festen, entschlossenen Blick den Betrachter. Ihr Mund hat sich dafür entschieden, nur leicht zu lächeln. Das lange Haar ist zum losen Zopf gebunden. Ein Teenager wie so viele. Nur wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass ihre linke Augenpartie ein wenig tiefer hängt als die rechte. Hier deutet sich an, was dem Mädchen aus der Region Fürstenfeldbruck zu schaffen macht: Durch eine Missbildung im Gehirn ist Julianes linke Körperhälfte gelähmt. Vermeintlich alltägliche Kleinigkeiten wie Duschen, Anziehen oder die Haustür aufzuschließen, kann Juliane nicht alleine bewältigen. Doch nicht nur deshalb ist sie auf die ständige Betreuung durch ihre Eltern und eine ehrenamtliche Pflegekraft des Ambulanten Kinderhospizes München angewiesen. "Juliane schnell zum Einkaufen schicken? Das geht nicht!", sagt Mutter Britta D. Juliane falle es schwer, Gefahren einzuschätzen, sie sei schnell abgelenkt und unkonzentriert. Eine Straße zu überqueren, Busfahren oder auf eine größere Menschenansammlung zu treffen, überfordere sie.

Zusätzlich plagen Juliane epileptische Anfälle, und eine chronische Neurodermitis nagt an ihrem Selbstbewusstsein. "Nur im Schwimmbad blüht Juliane auf. Ich erkenne dann mein Kind nicht wieder", erzählt die Mutter. Ihre trockene, juckende Haut, ihr halbseitig gelähmter Körper, der nicht so kann, wie das ehrgeizige Mädchen gern will, sei dann für mehrere Stunden vergessen. So wünscht sich Juliane sehr einen dreitägigen Aufenthalt mit ihrer Mutter in einem Hotel im Allgäu. Hier kann sie nicht nur schwimmen, sondern auch an den Solebehandlungen teilnehmen, die ihrer Haut gut tun. Doch solche besonderen Ferien sind kostspielig und die Krankenkasse übernimmt den beinahe vierstelligen Betrag nicht. Der SZ-Adventskalender möchte der 15-Jährigen den Wunsch erfüllen.

Was Julianes Mehrfachbehinderung verursacht hat, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Ein Virus in der Schwangerschaft, vermuten die Ärzte. Ein Impfschaden nach einer Sechsfachimpfung, vermutet die Mutter. Mittlerweile wurde die Impfkombination, die vielleicht auch die acht Monate alte Juliane geschädigt hat, vom Markt genommen. An ihrer Diagnose änderte dies aber nichts. "Ich ahnte damals schon, was auf meine Tochter und unsere Familie zukommen wird", erzählt Britta D., die viele Jahre im sonderpädagogischen Bereich arbeitete. Doch, dass es häufig sehr schmerzhaft ist, das habe sie sich nicht vorstellen können. Besonders die Begegnungen mit Gleichaltrigen verletzen Juliane: Sie sei die Dümmste, höre sie häufig. Auch von der Pflegeversicherung fühlt sich die Familie schikaniert. All zwei Jahre muss überprüft werden, ob Juliane ihre Pflegestufe 2 behalten darf. Dafür kommt eine Gutachterin des Medizinischen Dienstes. Sie möchte sehen, was Juliane kann und vor allem was nicht: vom Toilettengang bis zu Greifübungen. Juliane belaste das sehr. Kaum sei das aktuelle Gutachten abgeschlossen, fürchte sie sich schon vor dem nächsten. "Ein völliger Unsinn ist das. An Julianes Diagnose wird sich nichts ändern", sagt Barbara Schachtschneider. Sie leitet die Fachstelle für pflegende Familien des Ambulanten Kinderhospiz München und begleitet, informiert und unterstützt Familie D. seit neun Jahren: "Juliane ist ein wunderbares Kind. Ihre Eltern sind Helden." Aber in der bayerischen Politik und den Köpfen der Menschen gebe es noch viel zu tun: "Nicht die Norm, sondern Vielfalt macht das Leben doch erst besonders."

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