SZ-Adventskalender:Lichtblicke in einer schwierigen Lebenssituation

Unter Demenz leiden nicht nur die unmittelbar Betroffenen, sondern auch die Angehörigen. Der Sozialdienst Germering unterstützt sie bei der Pflege und der Betreuung - unter anderem mit dem Café Zeitlos und dem Projekt Tipi.

Petra Fröschl

- Wenn ein Mensch altersdement wird, geht das - im Vergleich zu einem Schlaganfall oder einem anderen körperlichen Leiden - meistens schleichend. Das Erinnerungsvermögen lässt nach, mit der Konzentration will es nicht mehr recht klappen und einfache, ja alltägliche Dinge fallen plötzlich schwer. Dass ein Mensch an Hirnleistungsschwäche leidet, wird häufig jedoch erst dann bemerkt, wenn etwas passiert ist. Erst dann geht er zum Arzt, erst dann wird eine Demenz diagnostiziert. "Die Angehörigen sind dann richtig gefordert", sagt Rosemarie Ladwig.

Die Familientherapeutin muss es wissen. Seit fast 20 Jahren arbeitet sie mit demenzkranken Menschen, seit sieben Jahren ist sie beim Germeringer Sozialdienst für diesen Bereich zuständig. "Lebenserinnerungen haben mich schon immer fasziniert", sagt Ladwig. Auch wenn sich Demenzpatienten häufig nicht mehr richtig artikulieren können, sei ihre nonverbale Kommunikation doch erstaunlich.

Die Fähigkeiten der Demenzpatienten zu fördern, sie aus ihrer sozialen Isolation zu holen und den Angehörigen ein verlässlicher Partner zu sein - das hat sich der Sozialdienst zum Ziel gesetzt. Um der demografischen Entwicklung und der steigenden Zahl an Demenzpatienten Rechnung zu tragen, wurden in den letzten Jahren mehrere Angebote geschaffen, die genau auf diesen Personenkreis zugeschnitten sind. Da gibt es das Café Zeitlos, das immer am letzten Donnerstag im Monat im Mehrgenerationenhaus Zenja seine Pforten öffnet. Durch gemeinsames Singen, Spielen und Musikhören werden die sozialen und kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer aktiviert. Da gibt es das Angebot "Lichtblick", bei dem die Betroffenen von geschulten Helfern stundenweise in ihrer vertrauten Umgebung betreut werden. Denn Sicherheit und Geborgenheit sind für Demenzpatienten sehr wichtig. Und da gibt es die Samstagsgruppe am Monatsersten von 10 bis 16 Uhr.

All diese Angebote richten sich an vergleichsweise rüstige Senioren mit leichter bis mittelschwerer Demenz, die noch zu Hause leben - im schweren Stadium ist eine Rundum-Versorgung im Pflegeheim nötig. Alle Angebote zielen darauf ab, die nahen Angehören - meistens sind es Ehepartner, Töchter oder Schwiegertöchter, die sich um die Senioren kümmern - zu entlasten. Denn für sie ist die Versorgung des Patienten oft eine Riesenbelastung. "Im Vergleich zu einer körperlichen Erkrankungen geht es nicht nur um Pflege, sondern auch um Betreuung", betont Ladwig. "Da ist der Angehörige gleich doppelt gefordert." Nach Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft stehen pflegende Angehörige nicht selten unter einem hohen psychischen, physischen und sozialen Druck. Viele berichten davon, dass sich ihre Gesundheit verschlechtert, Kontakte verloren gehen und sie ihren Beruf und ihre Hobbys für die Pflege aufgeben. Als besonders belastend wird es empfunden, wenn der alte Mensch aggressiv ist, schreit oder Wahnvorstellungen entwickelt. Hinzu kommt eine permanente Angst, dass etwas passiert, der Betroffene zum Beispiel vergisst, die Herdplatte auszumachen, das Essen oder Trinken verweigert.

Niemand kann und muss diese schweren Aufgaben alleine erfüllen. "Auch im Interesse des Kranken ist es wichtig, mit den eigenen Kräften zu haushalten und sich frühzeitig nach Möglichkeiten der Entlastung umzusehen", empfiehlt die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft. Auch Rosemarie Ladwig hat beobachtet, dass die Nachfrage nach den Angeboten zwar steigt, die Angehörigen aber erst dann zur Beratung kommen, wenn sie bereits stark an ihre Grenzen stoßen. "Unser Wunsch ist, dass das schon früher passiert." Neben den Beratungsgesprächen bietet der Germeringer Verein auch eine Gesprächsgruppe, Tagesseminare und intensivere Kurse für pflegende Angehörige an. Momentan betreut er zwischen 60 und 90 Demenzpatienten, Männer und Frauen halten sich in etwa die Waage.

Vergleichsweise neu, aber beim Sozialdienst doch sehr gefragt, ist die Tagesbetreuung im privaten Haushalt ("Tipi"): Eine Gastgeberin öffnet ihre Wohnung an zwei bis drei Tagen à sechs Stunden für drei bis vier Demenzpatienten, die sie dort gemeinsam mit einer ausgebildeten Helferin betreut. Es wird gespielt, gesungen, gegessen und spazieren gegangen. Momentan nehmen zwölf Senioren das vom Sozialministerium vorübergehend geförderte Modellprojekt in Anspruch. Im kommenden Jahr soll es erweitert werden, neue Gastgeberinnen werden dafür gesucht. "Voraussetzung ist ein Herz für ältere Menschen", sagt Ladwig. Für besonders rüstige Senioren gibt es das Angebot "Tipi aktiv", bei dem zwei Betreuerinnen mit drei bis vier Senioren einmal pro Woche Ausflüge unternehmen. Dabei setzt Ladwig auf die Kraft der Natur. "Die Farben, Formen und Gerüche sind gut für die Nerven und wirken anregend", sagt sie.

Ihr Ziel für 2013? "Wir wollen Tipi und Tipi aktiv weiter ausbauen und den Angehörigen auch weiterhin ein verlässlicher Partner sein", sagt Rosemarie Ladwig. Der SZ-Adventskalender möchte einen Beitrag dazu leisten.

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