SZ-Adventskalender:Familienvater in Not

Der arbeitslose Mujo Kovač kann sich den Auszug aus seiner schimmelbefallenen Wohnung nicht leisten und muss um die Gesundheit seiner beiden kleinen Töchter fürchten

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Mujo Kovač öffnet die Fotos auf seinem Handy, lächelt stolz und zweigt ein Bild seiner beiden Töchter. "Ich liebe meine Kinder über alles", sagt der 51-Jährige. Für seine Zweijährige und seine acht Monate alte Tochter will er ein Vorbild sein, doch im Moment hat Kovač, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, das Gefühl, er habe versagt. Nach einem Arbeitsunfall verlor der Osteuropäer seine Anstellung. Weil seitdem das Geld noch knapper ist als zuvor, kann er es sich nicht leisten, mit seiner Frau und den beiden Kindern aus seiner schimmelbefallenen Wohnung auszuziehen. Die Sorge um die Gesundheit seiner Kinder ist groß. "Die Kinderärztin hat uns gesagt, wir müssen so schnell wie möglich umziehen", sagt er. Nur wie er das schaffen soll, weiß Kovač nicht. Auch die Couch der Familie, die kaum noch zusammenhält, kann der 51-Jährige nicht ersetzen. An Kleidung und Schuhen für die schnell wachsenden Kinder mangelt es ständig. Bei der Anschaffung einer neuen Couch und Kinderkleidung sowie Spielzeug für seine beiden Töchter möchte der SZ-Adventskalender die Familie unterstützen.

Bereits vor seinem Arbeitsunfall vor drei Jahren war das Geld für Mujo Kovač knapp. Vor sechs Jahren ist er, damals noch alleinstehend, in seine aktuelle Wohnung gezogen. "Es war alles frisch gestrichen", sagt Kovač. Die Räume hatten einen guten Eindruck auf ihn gemacht, aber schon ein paar Wochen nach dem Einzug zeigte sich der Schimmel. Immer wieder hat er deswegen seinen Vermieter kontaktiert, doch der, so erzählt der 51-Jährige, reagiere nicht, sei gleichgültig und gibt der Familie die Schuld an dem Schimmelproblem. Kovač zieht sein Handy hervor, zeigt Bilder der Wände, des schimmeligen und feuchten Kellers. Auch einen Wasserrohrbruch hatte es vor einigen Monaten im Haus gegeben. Der Vermieter reagierte kaum. "Wie kann es sein, dass jemand so etwas vermietet", sagt der Mann. Für ihn ist das unfassbar. Immerhin ist die Wohnung nicht nur vom Schimmel befallen, es ist in den Räumen auch zugig und auch eine ordentliche Heizung gibt es nicht. "Es zählt nur das Geld. Wo bleibt die Menschlichkeit?", fragt er. Kovač muss mit Hilfe von Radiatoren, die viel Strom verbrauchen, und einem Holzofen heizen. Eine neue Wohnung auf dem freien Markt kann sich der Familienvater nicht leisten. Anspruch auf eine Sozialwohnung hätte er zwar, aber die Wartelisten sind lang.

Foto für Adventskalender 2018

Den Schimmel im Eck und an den Wänden sieht die Kinderärztin als gesundheitsgefährdend für die beiden Mädchen an.

(Foto: Matthias Döring)

Es ist vor allem die Sorge um seine Familie, die den Mann nachts oft wach hält. Dazu kommen seine gesundheitlichen Probleme. Vor etwa drei Jahren traf den LKW-Fahrer bei der Arbeit die Boardwand eines Lasters an der Schulter und verletzte ihn schwer. Monatelang konnte er nicht mehr in seinem Job arbeiten, körperlich ist er noch immer eingeschränkt. Schon bald nach dem Unfall wird Kovač entlassen. Das sei zwar eigentlich rechtlich nicht so einfach möglich, aber wie Dominik Kling von der Sozialen Beratung der Diakonie Fürstenfeldbruck erklärt: "Es gibt Arbeitgeber, die wissen, dass es sich ein bestimmter Personenkreis nicht leisten kann, einen Rechtsstreit zu führen." So war es offenbar auch bei Kovač. Eine Rechtsschutzversicherung hatte er damals noch nicht. Für Kovač besonders frustrierend: Mittlerweile muss er Sozialleistungen beziehen. Das sei für ihn kaum zu ertragen. Seine Situation erscheint dem Mann ausweglos. "Ich fühle mich alleingelassen", sagt er. Die sieben bis acht Bewerbungen, die er pro Monat verschickt, haben ihm bisher keine neue Anstellung gebracht.

Aus seiner Wohnung kann er nicht ausziehen, mit seinem Vermieter befindet er sich mittlerweile im Rechtsstreit. Dazu kommt die ständige Sorge um die Gesundheit seiner Kinder und seiner Frau sowie die Angst vor einem seiner Nachbarn, der die Familie unter Alkoholeinfluss bereits mehrmals bedroht hat. Durch die ständige Belastung und den Stress leidet der 51-Jährige mittlerweile auch unter extremen Bluthochdruck, auch seine Diabetes hat sich verschlechtert.

Krankheit und Armut

Krankheit und Armut treffen häufig aufeinander. Mindestens einmal pro Woche berät Dominik Kling von der Diakonie Fürstenfeldbruck Betroffene. Auch in der Beratung der VdK-Kreisgeschäftsstelle nehmen die Fälle zu, wie Geschäftsführer Felix Hechtel erklärt. Kling betont: "Wie in kaum einem anderen Land hängt die Bildung von der Herkunft ab und das wiederum bestimmt auch über den Beruf und somit das Einkommen." Gerade wenn der Hauptverdiener ausfällt, verschlechtert sich die Situation der gesamten Familie oft drastisch. "Das Leben mit der Armut wirkt sich auch auf die psychische Gesundheit aus", sagt Kling. Wer mit einer permanenten Existenzangst konfrontiert sei, habe ein deutlich höheres Risiko auch psychisch zu erkranken. "Bevölkerungsgruppen, die besonders von Armut betroffen sind, haben ein signifikant erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko", sagt Kling. Dabei könne Krankheit jeden treffen, wie Hechtel betont. Zwar seien hauptsächlich Personen über 50 betroffen. "Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie in jungen Jahren eine schwere Krankheit bekommen." Etwa jeder fünfte habe laut Hechtl im Lauf seines Lebens mit einer Berufsunfähigkeit zu rechnen. In Deutschland erhalten fast 1,5 Millionen Menschen eine Erwerbsminderungsrente. Der ausgezahlte Durchschnittsbetrag liegt etwa bei 766 Euro brutto. BERJ

"Du bist gut, wenn du arbeitest, aber wenn dir etwas passiert, wirst du vergessen", findet der Kovač, der seit 20 Jahren in Deutschland lebt und bis zu seinem Unfall immer gearbeitet hat. Aufgeben will er trotzdem nicht. Die Hoffnung, es wieder alleine zu schaffen, treibt ihn an. Für seine Frau, für seine Kinder.

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