SZ-Adventskalender:Endlich eine eigene Bleibe

Isabelle Schmitt, Adventskalender

Annika Müller lebt allein mit ihrer Katze. Ihre Autonomie ist der jungen Frau sehr wichtig.

(Foto: Matthias Döring)

Annika Müller wünscht sich eine neue Couch

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Glücklich sitzt Annika Müller (Name geändert) auf ihrer fleckigen Couch in ihrer eigenen Wohnung und streichelt ihre graue Katze. "Mein Mädchen", nennt sie das alte Tier liebevoll. "Ich bin glücklich alleine zu leben. Das ist, was ich immer wollte", sagt die 28-Jährige. Seit eineinhalb Jahren lebt sie in der Drei-Zimmer-Wohnung in Fürstenfeldbruck, und dass sie das geschafft hat, ist nicht selbstverständlich. Annika Müller hat eine Lernbehinderung. Vom Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung wünscht sie sich eine neue Couch. Die alte ist nicht nur fleckig, sondern auch recht abgeschabt.

Bevor sie in ihre eigene Wohnung zog, lebte Annika Müller in einer betreuten Wohngruppe in Olching. Diese Wohngruppe sei schon sehr selbständig, erklärt Alexander Huber, Leiter von "Wohnen mit Perspektive", einer gemeinnützigen Gesellschaft der Stiftung Kinderhilfe. Von dort aus sei der direkte Weg in die eigene Wohnung möglich gewesen. Die junge, schmale Frau ist froh darüber. "Hier entscheide ich selbst, wann ich den Müll runterbringe und die Spülmaschine ausräume", sagt sie. Diese Autonomie ist ihr sehr wichtig.

Ganz alleine muss Annika Müller ihr Leben nicht meistern. Sie hat eine gesetzliche Betreuerin, die ihr auch geholfen hat, die Wohnung zu finden, über eine Anzeige. "Auf normalem Weg wäre das nicht gegangen", sagt die Betreuerin, die nicht namentlich genannt werden möchte. "Wir sind sehr dankbar, dass der tolle Vermieter aus sozialem Engagement heraus Annika eine Chance gegeben hat und das Vertrauen hat, dass das klappt. Sonst würde das nicht gehen." Müller lebt in einem Mehrfamilienhaus in Fürstenfeldbruck und kann dort dauerhaft bleiben. Sie bekommt auch Hilfe von Heidi Apfelbach-Enders. "Ambulant begleitetes Wohnen" heißt das. Die Erzieherin kommt zwei- bis dreimal pro Woche für ein bis zwei Stunden ins Haus und schaut darauf, dass die Wohnung in Ordnung gehalten wird, dass immer Essen im Kühlschrank ist, dass Annika sich etwas kocht und vernünftig isst. Die junge Frau neige dazu, zu wenig zu essen, sagt Apfelbach-Enders. Außerdem besprechen die beiden, wie Müller sich ihr Geld einteilt. Sie lebt von Grundsicherung und dem geringen Lohn, den sie in der Behindertenwerkstatt der Caritas verdient, wo sie im Gastronomiebereich tätig ist.

Von ihrem Geld muss sie einen Anteil an der Miete der Wohnung zahlen, der Großteil kommt vom Bezirk Oberbayern. Dazu kommen die alltäglichen Ausgaben. Die alte Katze ist krank und braucht Medikamente, immer wieder muss sie auch zum Tierarzt. Die junge Frau hängt sehr an dem Tier, das schon in der Familie war, als Annika noch zuhause lebte. Für Sonderausgaben wie eine Couch bleibt da nicht wirklich etwas übrig.

Vor wenigen Jahren starben beide Eltern kurz hintereinander, an Krebs und an einem Herzinfarkt. Ein Schock für Annika Müller. Besonders zu Festen wie ihrem Geburtstag oder natürlich jetzt zu Weihnachten fehlen ihr die Eltern. Sie hat Tränen in den Augen, als sie davon erzählt. Beide seien Kämpfer gewesen, aber sie hätten es trotzdem nicht geschafft. Dann fängt sie sich wieder. "Ich bin auch eine Kämpferin", sagt sie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: