Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:"Wir wollen ganz viele Medaillen gewinnen"

Die Olchinger Turnerinnen erzählen, wofür sie neue Keulen, Reifen und Bänder brauchen und wie der Adventskalender dabei helfen kann.

Von Johanna Haas, Olching

"Wir wollen ganz viele Medaillen gewinnen", ruft Carolin Anzinger. Die Turnerinnen des Teams für Rhythmische Sportgymnastik haben sich für die Special Olympics 2023 qualifiziert. Dafür benötigt es viel Übung, und das geht nur mit der geeigneten Ausrüstung. Deshalb wünschen sich die Sportlerinnen neue Reifen, Bälle, Bänder und Keulen. Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte ihnen den Wunsch erfüllen.

Drehungen, Sprünge und Choreografien, passend zur Musik - das ist die Leidenschaft der Sportlerinnen. Ebenfalls besonders wertvoll ist für sie die gemeinsame Zeit als Team. Dazu gehören Turnerinnen Melanie Scharff, Anna Maria Martin, Ivana Duric, Carolin Anzinger, Flavia Dercho, Patrizia Schmid und Sarah Baierl. Sie sind zwischen 13 und 30 Jahre alt, und bis auf Sarah und Patrizia, die beiden Jüngsten, haben sie alle eine geistige Behinderung. Die inklusive Turnerinnen-Gruppe des Vereins "Eltern behinderter Kinder Olching" trainiert zweimal pro Woche, und das eben sehr erfolgreich. Bei den Special Olympics dürfen allerdings nur die Turnerinnen mit geistiger Behinderung antreten. "Die Weltspiele sind nicht inklusiv", erklärt Manuela Brehmer, die Vorsitzende des Vereins.

Sowohl der Verein, der ausschließlich von Spendengeldern lebt, als auch die Sportlerinnen selbst können sich die neuen Geräte nicht leisten. Also trainieren sie bislang eben mit dem, was da ist. Und das klappt schon ziemlich gut. Melanie Scharff, 30, ist seit sechs Jahren dabei und mittlerweile sogar in Level drei. "Das heißt, dass ich schon schwierige Choreografien mit komplizierten Drehungen machen kann", erklärt sie. Ihre Lieblingsgeräte sind der Reifen und das Band. Das Seil und die Keule, die mag sie überhaupt nicht.

Die Keule ist das Gerät, das die Turnerinnen am wenigsten schätzen

Die Keule - ein langer Stab mit ovalem Ende - ist ein Gerät, das auch bei den anderen Gruppenmitgliedern nicht gut ankommt. Die Turnerinnen sollen damit jonglieren und die Keule in den Händen hin und her schwingen. Nur die Besten könnten ihn sogar zwischen den Zehen balancieren und danach hochwerfen können, erzählen die sechs jungen Frauen, die beim Zeitungstermin da sind.

Bänder und Reifen sind wesentlich beliebter in der Gruppe. "Am besten sie sind bunt, gemustert und mit Glitzer", schwärmt Carolin. Denn dann würden sie auch zu den Kostümen passen. Bei ihrem Wettkampf in Regensburg im Sommer trugen die Mädchen Kleider mit Glitzer. Überhaupt war der Wettkampf "top", wie Ivana sagt. Die Olchinger Sportlerinnen gewannen einige Auszeichnungen und qualifizierten sich für die Weltspiele in Berlin. Und wieso sollte die Erfolgssträhne da schon enden? "Wir werden noch ganz viele Medaillen gewinnen - in Gold und Silber", sagt Flavia.

Ehrgeiz und Optimismus teilen alle

Diesen Ehrgeiz und Optimismus teilen alle. Auch für Menschen mit Behinderung kann das Leben erfüllt und gleichberechtigt sein - je nachdem, wie sie angenommen und unterstützt werden. Diese Einstellung teilt auch Melanie. Sie hat eine nicht identifizierbare geistige Behinderung. Doch davon hat sich Melanie nicht unterkriegen lassen. Im Gegenteil: Sie ging in Fürstenfeldbruck zur Schule und arbeitet jetzt in einer Behindertenwerkstätte. Außerdem wohnt sie in einer Wohngruppe in der Buchenau, zusammen mit ihrer Tanzpartnerin Carolin.

Die Zeit in der Gruppe und der regelmäßige Sport hat Melanie geholfen, aus sich herauszukommen. "Früher war sie unglaublich schüchtern, ohne Selbstbewusstsein und sehr still", erzählt Vorsitzende und Betreuerin Brehmer. Der Sport helfe den jungen Frauen "gerader zu gehen", wie es Brehmer nennt. Also kein "Mäuschen" mehr zu sein und selbstsicher durchs Leben zu schreiten. Außerdem lernen sie, wie der Sport ihren Körper verändert. Wie gut Bewegung tut und dass es "da draußen noch etwas anderes gibt als den Fernseher und Chips."

Diese positiven Auswirkungen des Vereinslebens nimmt auch Anna Marie Martin wahr. Die Hobby-Athletin mit Trisomie 21 jobbt in einem Kindergarten in Gröbenzell. Und Carolin Anzinger arbeitet genau wie Melanie in einer Behindertenwerkstätte. In ihrer Freizeit ist sie auch eine begabte Judo-Kämpferin. Das ist nicht ihre einzige Leidenschaft, denn da ist noch der Tanz, den sie schon sehr früh für sich entdeckt hat. Als Kind machte sie bei der Kindergarde in Karlsfeld mit, und vor sechs Jahren wechselte sie zur Rhythmischen Sportgymnastik nach Olching. Und da blieb sie dann auch.

Genau wie Sarah. Sie ist eines der "Unified-Mädchen" der Gruppe. Also eine der beiden, die keine Behinderung haben. Trotzdem ist die 13-Jährige schon seit sechs Jahren dabei. Wieso? Normalerweise entstehe zwischen den Gruppenmitgliedern mit und ohne Behinderung irgendwann ein so großer Leistungsunterschied, dass sie die Mannschaft verlassen, sagt Brehmer. Doch Sarah ist dageblieben. Es mache einfach Spaß. Das gemeinsame Erleben, die gemeinsame Freude über Medaillen, die Gespräche. "Es ist grandios, dass sie solange bei der Gruppe bleibt", sagt Brehmer.

Flavia ist neu in der Gruppe und die Ersatz-Sportlerin

Flavia ist neu in der Mannschaft. Seit einem Jahr trainiert die Autistin fleißig Rhythmische Sportgymnastik. Bei den Weltspielen der Special Olympics anzutreten, traut sie sich trotzdem noch nicht zu, dazu brauche sie mehr Übung. Aber sie ist die Ersatz-Sportlerin, falls eine der andere ausfällt. Aber sie zeige vollen Einsatz und feuere die anderen an, sagt Brehmer. Flavias Wunsch an den Adventskalender der SZ war eigentlich, dass "dieses blöde Corona endlich weggeht". Doch mit der Alternative, nämlich "coolen neuen Geräten", sei sie auch einverstanden. Besonders, weil die Reifen durch das ständige Hin- und Herwerfen schnell kaputt gehen.

Für die Mannschaft ist der Verein vor allem wegen seiner Angebote wertvoll. Sie können gemeinsam in die Disco, ins Theater oder zu Konzerten gehen. "Das könnten sie sonst nicht. Weil sie sich vielleicht nicht trauen", sagt Brehmer. Doch der Ebk-Olching stellt ihnen stets jemanden zur Seite, auf den sie sich beziehen können, der für sie da ist und sie versteht.

Verständnis - etwas, das Brehmer zufolge immer noch fehlt. Die Gesellschaft sei noch nicht bereit und weit entfernt von Inklusivität. Dabei seien diese Mädchen genauso "normal" wie alle anderen. "Die Mädchen regen sich über Jungs auf und die Jungs lästern über die doofen Mädchen", sagt Brehmer. Der einzige Unterschied sei, dass ihnen manche Wege immer noch verwehrt blieben.

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