Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:Ein Raum für sich alleine

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Klaus Pohl fehlt in seinem Appartement ein Schrank

Als Klaus Pohl (Name geändert) im Juli 2018 endlich wieder in eine eigene Wohnung zog, war er glücklich, dass er wieder einen Raum ganz für sich hatte, mit einer Tür zum Zumachen. "Ich war so froh", sagt er. Zuvor hatte er fast ein Jahr lang in einer Obdachlosenunterkunft in Gröbenzell in einem Sechsbettzimmer gewohnt, mit Mitbewohnern aus verschiedenen Ländern. Pohls Sozialwohnung in der Altenwohnanlage der Stadt, ein Einzimmerapartment, war komplett leer, als er sie bezog. Der heute 62-Jährige besaß nicht einmal ein Bett. Nach und nach bekam er gebrauchte Möbel geschenkt, Pohl weiß genau, woher jedes einzelne Teil stammt. Manches hat er sich zusammengespart, was wegen seiner schwierigen finanziellen Situation langwierig ist. Pohl lebt von Sozialhilfe und stottert in sehr kleinen Raten zwei Geldstrafen ab. Was noch fehlt, ist ein Schrank, Pohls Hemden hängen offen auf Kleiderstangen. Den Schrank wünscht er sich vom SZ Adventskalender. Warme Kleidung und Schuhe wären auch nicht schlecht, Pohl besitzt überwiegend Sachen für warmes Wetter, kurzärmelige Hemden und kurze Hosen.

Die Hemden hat er sich in Thailand machen lassen. Dorthin war er 2014 nach einer heftigen Pechsträhne ausgewandert. Bei einer Überschwemmung war 2013 sein Haus in einer Gemeinde im Landkreis stark beschädigt worden, eine Elementarversicherung hatte er nicht. Pohl erlitt einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall, er kam ins Krankenhaus und verlor deswegen seinen Beruf als selbständiger Subunternehmer. Dann ging die Ehe nach 33 Jahren in die Brüche. Pohl stand vor den Scherben seines bisherigen Daseins. Mit dem Geld, das nach dem Verkauf des Hauses noch da war, könnte er in Thailand eine Weile günstig leben, dachte er sich. Zunächst ging alles gut, er baute dort ein Haus, hatte ein Auto.

Doch dann wurde er in Thailand schwer krank, vermutlich durch eine Infektion. An seinem linken Bein sind die kreisförmigen Narben der äußerst schmerzhaften Entzündung noch zu sehen. Pohl musste im April 2017 Hals über Kopf per Flugzeug ausreisen. Im Krankenhaus Fürstenfeldbruck sagten ihm die Ärzte, dass er wohl nicht überlebt hätte, wenn er später gekommen wäre. Fast drei Monate musste er in der Klinik bleiben, er war während dieser Zeit aber nicht krankenversichert. Daraus resultiert eine der Geldstrafen. Die zweite bekam er, weil er lange keinen Unterhalt für ein uneheliches Kind gezahlt hat.

Als er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hatte Pohl keine Bleibe. Eine Weile reichte das übrige Geld für günstige Hotelzimmer. Dann musste er in die Unterkunft ziehen. Als er Sozialhilfe beantragte und seine Mutter eine Auskunft zu ihren Vermögensverhältnissen geben sollte, brach sie den Kontakt ab, ebenso sein Bruder. Von den drei ehelichen Kindern besucht ihn nur die jüngere Tochter ab und zu. Auch ohne Corona wäre Weihnachten einsam für Klaus Pohl.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2020 / ihr
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