SZ-Adventskalender:Alles für die Kinder

Gasira Soule ist vor ihrem gewalttätigen Mann geflüchtet. Die Mutter von drei Söhnen hat kaum Aussicht auf eine Arbeitsstelle und muss deshalb Bezüge des Jobcenters in Anspruch nehmen

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Kaum war Leon auf der Welt, fing für seine Mutter Gasira Soule das Martyrium an. Sie und ihr Mann hatten wenige Monate zuvor geheiratet, sich auf den Sohn, auf die Zukunft als kleine Familie gefreut. Aber manchmal gehen Träume nicht in Erfüllung und manchmal endet das, was so schön begonnen hat, viele Jahre später mit einem lauten Knall. "Es hat schon bald angefangen. Jeden Tag diese Anschuldigungen, jeden Tag Schikanen", sagt Gasira Soule (Name von der Redaktion geändert). Ihr Gesicht bleibt unbewegt. Es sind die Züge einer Frau, die gelernt hat, ihr Gesicht zu wahren, auch wenn das, was hinter verschlossenen Türen passiert, noch so grauenvoll sein mag.

"Er hat bestimmt, wo ich in der Wohnung sein darf. Wenn er im Wohnzimmer war, durfte ich es nicht betreten. Fernsehen, telefonieren - das hat er nicht erlaubt", sagt sie. So hat alles angefangen. Als vier Jahre später der zweite Sohn geboren wurde, lag die Ehe schon in Trümmern. Alles was übrig geblieben war, war ein Minenfeld. Jeder Schritt, jedes Wort, jede Handlung konnte Anlass für einen der Streits sein, die am Ende nur unter Beistand der Polizei wieder zur Ruhe kamen.

Schließlich, an einem dieser bleigrauen Tage im Winter vor wenigen Jahren, eskaliert die Situation. Es ist nicht das erste Mal, dass Gasira die Fäuste ihres Mannes im Gesicht treffen, aber es ist das erste Mal, dass er sie und die Kinder vor die Türe setzten will. Um jeden Preis. "Es war ihm egal, wo wir unterkommen, selbst wenn wir auf der Straße hätten schlafen müssen", sagt sie. Aber ihre Kinder schutzlos zurückzulassen, das wäre undenkbar gewesen für die bald 40-jährige Mutter.

Hätte die Streife damals nicht das Jugendamt verständigt, wer weiß, ob Gasira dann überhaupt je die Kraft gefunden hätte, einen Schlussstrich unter die elf Jahre Ehe zu ziehen. "Ich mache mir Sorgen um ihre Kinder", hat die Frau damals am Telefon zu ihr gesagt. Jetzt hatte sich also die offizielle Stelle eingeschaltet. Gasira, die es gewohnt war, ihrem Mann zu verzeihen, die eine traurige Routine im Verteilen zweiter Chancen entwickelt hat, wurde schwach. "Ich habe ihr gesagt, die Situation hat sich beruhigt", erzählt sie. "Aber als er von dem Anruf erfahren hat, ist es ganz schlimm geworden", sagt sie und wird einen Moment lang still. Sie schlägt die Hände vors Gesicht und schluckt. Stockend erzählt sie weiter: von den Gewaltausbrüchen, von den Anschuldigungen und den Demütigungen, die sie über sich ergehen lassen musste. Es ist einer der seltenen Momente, in denen sie mit sich ringt. Egal wie schlimm die Schikanen sind, von denen sie erzählt, wie grausam der Ex-Mann, Gasira bleibt meist gefasst. Weil sie Mutter ist, weil sie stark sein muss. Weil sie will, dass es ihren Kindern gut geht und sie sich keine Sorgen machen müssen.

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Schließlich, so erzählt Gasira, sei der Leidensdruck so groß geworden, dass nur noch eine Flucht ins Frauenhaus in Frage kam. Aber auch hier kommt sie kaum zur Ruhe. Der Exmann bedroht sie, will die Kinder sehen. "Es wäre besser gewesen, ihn nie wieder zu sehen", sagt sie. Aber am Ende eines langen Rechtsstreits bekommt er das Umgangsrecht für die Kinder. Mit der Liebe, dachte sie, wäre sie von nun an durch. Aber dann, ganz unerwartet lernt sie doch jemanden kennen. Der neue Mann in ihrem Leben trägt sie auf Händen. Doch nach wenigen Wochen fällt der Satz, der die noch fragile heile Welt der Alleinerziehenden mit voller Wucht zertrümmert. "Wenn du geschieden bist, dann will ich dich heiraten. Aber die beiden Kinder müssen weg." Mehr muss sie nicht hören. "Ich habe ihn aus der Wohnung geworfen", sagt sie, die Stimme ganz fest. Natürlich, gegangen ist er nicht freiwillig . Wieder der Streit, wieder ein Anruf bei der Polizei, wieder zwei Beamte vor der Türe. Einen Monat später erfährt Gasira, dass sie schwanger ist. "Vater wollte er zwar sein, aber nur auf dem Papier, denn er wusste, dann bekommt er einen deutschen Pass." Ihre Worte klingen bitter.

Heute ist Gasira alleine mit ihren drei Kindern. Das jüngste ist jetzt knapp ein Jahr alt und tagsüber in der Krippe. Die beiden älteren Söhne besuchen die Schule. Vormittags erledigt Gasira die Dinge, die im Haushalt anfallen und hangelt sich von Termin zu Termin, von Amt zu Amt, damit nachmittags, wenn die Kinder zu Hause sind, Zeit für sie bleibt. Wenn sie von ihnen erzählt, werden Gasiras Züge weich. Sie lächelt viel. "Ich tue für sie alles, was ich kann", sagt sie. Der Kleine brauche noch sehr viel Aufmerksamkeit und Pflege, aber auch David und Leon sollen nicht zu kurz kommen. Einer ihrer Wünsche wäre es, mit dem Ältesten zusammen ins Kino zu gehen. "Ich war vor ein paar Wochen gemeinsam mit David. Leon hat auf den kleinen aufgepasst." Eigentlich wäre sie gerne mit allen gemeinsam gegangen. Aber die Angst, dass das Baby während der Vorstellung schreit, ist zu groß. "Ich habe Angst, dass das die anderen Besucher stört und ich mit dem Kleinen raus müsste. Dann hätten wir umsonst bezahlt", sagt sie. So schnell könne sie das dann nicht mehr nachholen.

Als Alleinerziehende ist es für Gasira schwer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Derzeit lebt sie von Bezügen des Jobcenters. Deshalb kommen die Kinder, was Geschenke angeht, oft zu kurz. Weil Weihnachten vor der Türe steht, wünscht sie sich vor allem, dass sie warme Winterkleidung und Geschenke für die Kinder besorgen kann. Etwas von Lego zum Beispiel, weil sie das ganz besonders mögen. Und dann gäbe es da noch die Waschmaschine, die den Geist aufgibt. Bei drei Kindern gibt es einiges an Wäsche. Aber den wichtigsten Wunsch wird ihr kein Geld der Welt erfüllen können. "Ein stabileres und sicheres Leben für die Kinder."

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