Süddeutsche Zeitung

Stunde der Gartenvögel:Corona-Krise lässt Interesse an der Natur steigen

Bei der alljährlichen "Stunde der Gartenvögel" machen in diesem Sommer so viele Menschen mit wie nie zuvor. Sie sehen im Landkreis vor allem Amseln, Meisen und Sperlinge - und machen auch überraschende Beobachtungen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Deutlich mehr Menschen als sonst zeigen in Corona-Zeiten offenbar Interesse an der Natur vor der Haustür. Dieses Fazit zogen der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Naturschutzbund (Nabu) nach der diesjährigen "Stunde der Gartenvögel", bei der so viele Naturbeobachter mitmachten wie nie zuvor. Im Landkreis Fürstenfeldbruck beteiligten sich an der Vogelzählaktion im Mai 470 Freiwillige, im Vorjahr waren es 243 gewesen. "Das sind fast doppelt so viele Teilnehmer", freut sich Angelika Dester, die in der LBV-Kreisgruppe Fürstenfeldbruck für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Bayernweit waren es 25 500 Teilnehmer, bundesweit fast 160 000. In 300 Gärten im Landkreis wurden insgesamt 7352 Vögel gesichtet. Die Naturschutzverbände hoffen nun, dass die neuen Naturbeobachter dabei bleiben und auch künftig ihre Beobachtungen melden.

Es scheint so, als hätten viele Menschen auch im Landkreis während der Zeit der Ausgangsbeschränkungen den Wert der Natur in ihrer unmittelbaren Nähe neu kennen und schätzen gelernt. Bei der Stunde der Gartenvögel waren Vogelfreunde an drei Tagen im Mai dazu aufgerufen, von einem ruhigen Platz im Garten, auf dem Balkon oder vom Zimmerfenster aus Beobachtungen zu machen und von jeder Vogelart, die sie im Laufe einer Stunde gleichzeitig sahen, die jeweils höchste Anzahl zu notieren. Hilfe für jene, die bei der Identifizierung von Vogelarten noch unsicher sind, gibt es auf den Internetseiten der Naturschutzverbände, wo die Vogelarten porträtiert werden.

Ein besonderes Auge galt es in diesem Jahr auf die Blaumeisen zu werfen, denn schon vor der Vogelzählung erreichten LBV und Nabu bayernweit Informationen über etwa 1500 Fälle von kranken oder toten Blaumeisen. Als Ursache wurde ein Bakterium ermittelt, das wohl ausschließlich bei Meisenarten Lungenentzündungen verursacht. Zumindest ein Teil des Bestandsrückgangs ist deshalb laut LBV mit dem Blaumeisensterben zu erklären. Im Landkreis beträgt der Rückgang der kleinen, niedlichen Meisen 18 Prozent: Gesichtet wurden 384 Exemplare in etwas mehr als der Hälfte aller Gärten, was aber immer noch Platz sechs unter den im Landkreis am häufigsten beobachteten Vogelarten ausmacht.

Auf den ersten fünf Plätzen finden sich fast immer dieselben Vogelarten, in bisweilen veränderten Reihenfolgen. In diesem Jahr wurde die Amsel am häufigsten gesehen - mit 939 Exemplaren in 98 Prozent der Gärten. Das ist außergewöhnlich und gelingt annähernd nur noch der Kohlmeise, die mit 843 Exemplaren auf Platz zwei liegt und in 87 Prozent der Gärten gesichtet wurde. Im Vorjahr hatte die Amsel Platz drei eingenommen. Damals war der Feldsperling der häufigste Gartenvogel, diesmal ist er auf Platz vier - hinter seinem Verwandten, dem Haussperling. Bei beiden Sperlingsarten bedeuten 721 und 759 gezählte Exemplare nun jedoch einen Rückgang um 28 (Feldsperling) und 17 Prozent (Haussperling). Beide Sperlingsarten kommen gerade mal in der Hälfte der Gärten vor. Auf Platz fünf der Rangfolge finden sich die Stare mit 653 Exemplaren.

Indes wurden nur 160 Grünfinken und damit um ein Viertel weniger als im Vorjahr gesichtet. Die Bestände des Grünfinken, der auch unter dem Namen Grünling bekannt ist, nehmen schon seit 2013 ab, unter anderem aufgrund des Trichomonaden-Erregers. Auch Buchfinken (minus 14 Prozent), Rotkehlchen (minus elf Prozent) und Goldammern (minus 51 Prozent) wurden weniger im Landkreis gezählt.

Doch es gibt auch Gewinner unter den Vögeln, Mehlschwalben und Mauersegler zum Beispiel. Beide Arten sind, weil sie im Flug Insekten fangen, durch das Insektensterben gefährdet. Unter diesem Aspekt erfreulich ist deshalb, dass die Vogelbeobachter im Landkreis jetzt 143 Mehlschwalben meldeten - das ist ein Plus von 167 Prozent - und 116 Mauersegler - das sind sogar 395 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Mehlschwalben reihten sich damit auf Platz zwölf ein, die Mauersegler auf Platz 16. Jedoch könne dieser Zuwachs die Verluste der vergangenen 15 Jahre nicht wettmachen, heißt es beim Nabu. Ein Grund für die Zunahme könnten in diesem Jahr Spätrückkehrer aus dem Süden gewesen sein. Auch die verhältnismäßig große Ringeltaube, außerhalb der Städte die häufigste Taubenart, wurde mit 131 Exemplaren um 22 Prozent, die Türkentaube mit 116 Exemplaren um 26 Prozent häufiger gesichtet.

Die nächste Zählung steht vom 8. bis 10. Januar 2021 mit der "Stunde der Wintervögel" an. Die Naturschutzverbände hoffen, dass das gestiegene Interesse der Vogelbeobachter weiter bestehen bleibt. Wer bis dahin mehr für die Natur in seinem Garten und damit auch für den heimischen Vogelbestand tun möchte, dem rät der LBV, auf heimische, Beeren tragende Sträucher zu setzen, auf alte Bäume, bunte Staudenbeete, auf duftende Wiesenkräuter, einen kleinen Teich oder begrünte Fassaden.

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SZ vom 27.06.2020
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