Wenn Eltern streiten und ihnen ihr Kind bei der Lösung des Konfliktes hilft, hat es möglicherweise eine Ausbildung zum Streitschlichter absolviert. Diese Möglichkeit gibt es für die Schülerinnen und Schüler im Landkreis Fürstenfeldbruck seit 23 Jahren. Finanziert wird das Projekt von der Bürgerstiftung für den Landkreis, vermittelt wird das Wissen von Lehrkräften verschiedener Schulen. Am Freitag sind 160 in diesem Schuljahr ausgebildete Schülerstreitschlichter geehrt worden, die Feier wurde künstlerisch gestaltet vom Improvisationstheater In impro veritas. Die stellvertretende Landrätin Martina Drechsler lobte das Projekt als „beispielhaft in ganz Bayern“.
„Ihr tragt dazu bei, dass unsere Schulen sicherer und harmonischer werden“, betonte sie. Denn schließlich sei es alltäglich, nicht immer einer Meinung zu sein. Wie man in solchen Konflikten zu einer friedlichen Einigung kommt, das lernen die Schülerstreitschlichter in ihrer ein Schuljahr dauernden begleitenden Ausbildung. „Das Angebot gibt es für alle Schulen“, erklärt Grit Ullmann, die Geschäftsführerin der Bürgerstiftung, die die Ausbildungskosten für Lehrkräfte übernimmt.
Die Pädagogen geben dann ihr Wissen, altersgerecht aufbereitet, an jene Schüler weiter, die sich für das Projekt angemeldet haben. Allerdings nehmen nicht alle Schulen diese Möglichkeit wahr. Vor zwei Jahren beteiligten sich 15 Grund- und Mittelschulen, vier Realschulen, sechs Gymnasien sowie zwei Privatschulen und ein sonderpädagogisches Zentrum. Im Schuljahr 2018/2019 waren mehr als 290 Streitschlichter im Einsatz, davon 211 neu ausgebildete. Mittlerweile wurden über die Jahre mehr als 2000 Schülerinnen und Schüler ausgebildet.
Anja Stoecker ist Beratungslehrerin am Graf-Rasso-Gymnasium und seit 15 Jahren Ausbilderin für Streitschlichter. Für sie ist es „das tollste Projekt“. Die Heranwachsenden entwickelten sich in der Ausbildung spürbar weiter. „Die wachsen dran.“ Vermittelt werden Fähigkeiten wie Empathie, Geduld, Zuhören, das Auseinandersetzen mit eigenen Stärken und Schwächen sowie eine gewaltfreie Kommunikation. Auch für sie persönlich sei es die „beste Ausbildung, die ich je hatte“. Neben den sozialen Kompetenzen, die man in allen Lebensbereichen braucht, ist das Engagement als Streitschlichter nach Stoeckers Auffassung für die Schüler auch später bei den Bewerbungen für einen Arbeitsplatz ein großer Vorteil.
„Die lernen fürs Leben“, findet auch Ullmann. Die Bürgerstiftung war eine der ersten Institution in Bayern war, die ein solches Projekt auf den Weg gebracht hat. Margarete Blunck, Erziehungsmediatorin am Christoph-Prost-Gymnasium in Gilching und Ausbilderin für die eine Woche dauernde Lehrer-Streitschlichter, spricht von einem „Vorreiterprojekt“ und geht noch einen Schritt weiter: „Die Lehrerdichte, die hier ausgebildet wird, gibt es nirgendwo“. Fürstenfeldbruck sei ein „Vorbild-Landkreis“.
Stoecker bedauert trotzdem, dass nicht all ihre Kollegen und auch alle Schüler sich zum Streitschlichter ausbilden lassen. Das gehöre in den allgemeinen Lehrplan. Nach Ansicht der Pädagogin nämlich „ist Unterricht nur möglich, wenn die Beziehungsebene zwischen Lehrern und Schülern gut ist“. „In jeder Klasse, in der mehrere Streitschlichter sitzen, gibt es eine Chance auf ein besseres Klassenklima.“ Thomas Frey vom Schulamt sieht es mit Blick auf die sozialen Kompetenzen ähnlich: „Du kannst etwas, was andere nicht können.“