Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck/Puchheim:Das große Chaos bleibt aus

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Wegen des Warnstreiks sind die S-Bahnhöfe am Montag wie leergefegt. Doch auch auf den Straßen im Landkreis ist überraschend wenig los. Die meisten Busse verkehren fahrplanmäßig.

Von Ariane Lindenbach, Puchheim

Menschenleer ist der Bahnsteig Richtung Geltendorf am Montagmorgen am S-Bahnhof Puchheim. Auch am Gleis gegenüber, in Richtung München, wo um diese Uhrzeit Menschen normalerweise dicht gedrängt auf die Züge warten, um in die Arbeit, zum Arzt, in die Uni oder zum Einkaufen in die Stadt zu fahren, ist es weitgehend verwaist. "EVG-Streik: Fern - und Regionalverkehr aktuell eingestellt. S-Bahnen bis vsl. 15 Uhr eingestellt. Informationen unter bahnhof.de/zuege" steht in weißer Schrift auf der blauen Anzeigentafel. Nur vier Männer in leuchtend orangefarbener Arbeitskluft sind mit einem gelben Minibagger etwa auf halber Höhe des Bahnsteigs mit Ausbesserungsarbeiten am Bahnsteigpflaster zugange; sie nutzen die Ruhe aus.

Am Fahrkartenautomaten steht dann aber doch eine Frau im mittleren Alter. Nein, nein, sagt sie, sie wisse von dem Streik und wolle momentan nirgendwo hinfahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie brauche ein Bahnticket und wolle jetzt, möglichst ungestört von anderen Fahrgästen, am Automaten nachsehen, welches am günstigsten ist. Von der Treppe, die in die Unterführung führt, steigt eine andere Frau herauf, in der rechten Hand trägt sie einen großen Koffer. Offensichtlich möchte sie irgendwohin fahren, aller Wahrscheinlichkeit nach München. Entsprechende Fragen beantwortet sie zweimal mit Kopfnicken. Ob sie von dem Streik im öffentlichen Nah-und Fernverkehr nichts mitbekommen habe? Die Frau schüttelt den Kopf und trägt ihren großen Koffer den Bahnsteig entlang.

Auf der anderen Seite des Bahnhofs, wo die Buslinien 830 nach Lochhausen sowie 832 nach Olching abfahren, haben sich drei Menschen vor dem Schneeregen auf die überdachte Bank geflüchtet. Sie warten alle auf den Bus Richtung Olching. Vor dem Wartehäuschen auf dem Busparkplatz stehen zwei Linienbusse, "Betriebsfahrt" steht bei beiden vorne auf ihrem Display über der Frontscheibe. "Ich denke, die Busse fahren", sagt eine ältere Frau aus dem Kreis der Wartenden. Wie Sie ergänzt, hatte sie sich in der vorigen Woche bei einem Busfahrer erkundigt.

Und tatsächlich gerät das Display des einen Busses in Bewegung. "832 Olching" steht jetzt darauf, die drei Wartenden steigen ein. Im anderen Bus erklärt der Fahrer, dass er nichts von einem Streik wisse. Er sei erst vor zwei Monaten aus Rumänien, gekommen, von dem Arbeitskampf habe er nichts mitbekommen, erzählt er in flüssigem Englisch.

Auch in Germering scheint der Busverkehr von dem Großstreik nicht betroffen zu sein. "Die Busse fahren ganz normal", berichtet Oberbürgermeister Andreas Haas. Ein Mitarbeiter der Griensteidl GmbH in Gröbenzell, die im Auftrag des MVV einen Teil des Busverkehrs im Landkreis abdeckt, bestätigt diese Beobachtungen. "Bustechnisch wird man es im Landkreis wohl gar nicht merken", vielleicht könnte es Einschränkungen bei jenen Linien geben, die nach München fahren, vermutet der Mann. Die Arbeit können nur diejenigen Angestellten niederlegen, die in einem Tarifvertrag gebunden sind. Für den Streik am Montag wurden die Kooperationspartner von MVV und MVG demnach gebeten, ihr Angebot auszuweiten.

Das Verkehrsaufkommen auf der Lochhauser Straße, die von Puchheim nach Gröbenzell führt, ist an diesem Montagmorgen nicht höher als sonst. Das hat der ADAC am frühen Morgen auch schon gemeldet; der Autoklub hatte noch am Sonntag vor langen Staus gewarnt. Aber offenbar können viele Menschen von zu Hause aus arbeiten - eine Option, die seit der Pandemie ganz neue Ausmaße angenommen hat.

Der S-Bahnhof in Gröbenzell toppt den in Puchheim noch, was die Tristesse angeht: Kein Lebewesen auf dem Bahnsteig. Selbst die Anzeigentafel scheint zu streiken: "Anzeige zurzeit leider nicht möglich. Bitte Zugbeschilderung und Ansagen beachten." In Gröbenzell gibt es direkt am Bahnhof keine Bushaltestellen. Das erklärt die Leere.

In der Kirchenstraße sitzt Gündan Aksoy am Taxistand in seinem Wagen und wartet auf Kunden. Mehr Arbeit beschere ihm der Streik eigentlich nicht, höchstens weniger Verdienst, erklärt der Taxifahrer lachend. Er war am frühen Morgen bereits in München, hatte eine Tour ins Zentrum. Die habe zwei Stunden gedauert, statt wie sonst nur eine. Der Fahrpreis für die Strecke bleibe gleich, egal wie lang er brauche, sagt Aksoy. Trotzdem versteht er die Streikenden. "Alles wird immer teurer", da sei es für ihn vollkommen verständlich, dass die Menschen im reichen München um mehr Lohn kämpfen.

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