Süddeutsche Zeitung

Straßenbau:Antiquierte Verkehrspolitik

Nicht jede Landstraße muss maximal ausgebaut werden

Kommentar von Heike A. Batzer

Die Corona-Zeit und mit ihr das verstärkte Interesse am Radfahren haben die Notwendigkeit von Radwegen noch einmal verdeutlicht. An vielen Stellen im Landkreis fehlt es noch an speziellen Fahrspuren für Radler. Die Angelegenheit ist bisweilen kompliziert, weil es, um Radwege anlegen zu können, auch entsprechender Flächen bedarf. Die befinden sich vielerorts am Rande der Felder und damit im Besitz der Landwirte. Und diese wissen um ihre Verhandlungsmacht. Immer wieder scheitert der Bau von Radwegen, weil Grundstücksbesitzer nicht oder zu teuer verkaufen wollen.

Deshalb ist auch jener neue Radweg, der nun vom Grafrather Ortsteil Mauern zur Landkreisgrenze führt, ein Kompromiss, weil auch der grundabtretende Bauer dort künftig mit seinen landwirtschaftlichen Maschinen an den Radlern vorbeifahren darf. Den Kompromiss muss man nicht gut finden, doch ohne ihn gäbe es den Radweg wohl überhaupt nicht. Und dass er an der Kreisgrenze endet, kommt zwar ein wenig schildbürgerlich daher, aber vielleicht ist ein Stück Radweg zunächst einmal besser als kein Radweg.

Der gleichzeitige Ausbau der löchrigen Kreisstraße zur modernen Überlandstraße indes ist Zeugnis einer antiquierten Verkehrspolitik, zu der das Bekenntnis zum Radverkehr nicht so recht passen will. In regelmäßigen Abständen beklagen die Grafrather, dass eben jene vor 15 Jahren ausgebaute FFB 6 im Abschnitt zwischen Grafrath und Mauern von Autos und Motorrädern als Rennstrecke missbraucht wird. Ungeachtet dieser Erkenntnis wurde die Strecke nun auch im weiteren Verlauf optimiert. Nun werden auch dort Ausflügler und jene, die von der Autobahn A 96 kommen und die Trasse als Abkürzung nutzen, richtig Gas geben. Gelegenheit macht Diebe, heißt es so schön, und viele Autofahrer werden die Gelegenheit nutzen. Dass Grafraths Bürgermeister die Fahrbahn am Ortseingang zu Mauern gerne noch mehr verschwenkt hätte, als dies nun geschehen ist, zeigt, dass er um die Gefahren zu hoher Geschwindigkeiten dort weiß. Eine zukunftsweisende Verkehrspolitik aber würde nicht jeder Verbindungsstraße auf dem flachen Land einen maximalen Ausbaustandard aufzwingen.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2020
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