Süddeutsche Zeitung

Stellen bleiben frei:Freiwillige können Zivis nicht ersetzen

Den sozialen Einrichtungen fehlen Helfer, auch weil mit dem Ende des Zivildienstes Stellen weggefallen sind.

Petra Fröschl

Nicht überall entwickelt sich der Bundesfreiwilligendienst (BFD) zum Renner. Zwar wird in diesem Jahr in ganz Deutschland mit 60 000 Bewerbern auf die 35 000 vorhandenen Plätze gerechnet. Doch im Landkreis Fürstenfeldbruck haben viele Einrichtungen nach wie vor Mühe, geeignete Kandidaten zu finden. Sie erklären sich das geringe Interesse mit den unattraktiven Konditionen, die der "Bufdi"-Job im Vergleich zum Zivildienst mit sich bringt. "Bei uns ist der Übergang völlig missglückt", sagt beispielsweise Thomas Boll, der Geschäftsführer des Kreisjugendrings (KJR).

Nach Angaben des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben sind im Landkreis momentan 55 Bufdis beschäftigt, 29 Männer und 26 Frauen. Die meisten von ihnen sind jung, nur einer ist über 27. Doch Zivildienstleistende gab es weit mehr. Nach Angaben von Boll beschäftigte der KJR zuletzt immer drei bis vier junge Männer gleichzeitig. Sie unterstützten den Materialverleih, das Spielmobil und das Haus für Jugendarbeit in Gelbenholzen. "Probleme, Leute zu finden, hatten wir nie", sagt Boll. Nun ist das anders: Für den BFD habe es gerade einmal zwei Anfragen gegeben, doch die verliefen im Sande. "Das, was die Zivis geleistet haben, kann auf keinen Fall über die Bufdis aufgefangen werden", sagt der KJR-Chef.

Karina Werner, die Vorsitzende des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt (Awo), sieht das genauso. Im ambulanten Dienst seien immer zwei, drei Zivis beschäftigt gewesen, die mit den Senioren spazieren gingen, ihnen vorlasen oder sie anderweitig begleiteten. "Das war für die alten Menschen sehr viel Lebensqualität und auch die jungen Männer haben davon profitiert", sagt Werner. Diese Einbuße könne weder durch Ehrenamtliche noch durch 400-Euro-Kräfte kompensiert werden. Nach Angaben der Vorsitzenden erhielt die Awo für den BFD lediglich eine Anfrage aus Magdeburg, doch da hätte sie eine Unterkunft zur Verfügung stellen müssen. Das geringe Interesse erklären sich Werner und Boll durch die Freiwilligkeit, den schlechteren Verdienst (Zivildienstleistende bekamen 500, Bufdis erhalten 330 Euro) und die Tatsache, dass die Zeit nicht als Wartesemester angerechnet wird.

Auch für Rainer Bertram, den Kreisgeschäftsführer des Roten Kreuzes, können die zwei Freiwilligen, die im Rettungsdienst arbeiten, kein Ersatz für die sieben oder acht Zivis sein, die das BRK vorher hatte. "Die 35 000 geförderten Bufdi-Plätze, die es bundesweit gibt, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir mal 90 000 Zivis hatten", sagt er. In Bruck sei der Bundesfreiwilligendienst zäh angelaufen, doch jetzt gebe es eine steigende Nachfrage. "Wir können aber keine neuen Stellen besetzen, so lange das Kontingent an geförderten Stellen nicht aufgestockt wird", sagt Bertram. Da sei die Politik gefragt.

Doch es gibt auch positive Stimmen: Jochen Wagner, der Leiter des Brucker Altenpflegeheims Josefstift, hat zwei junge Frauen als freiwillige Helferinnen im Pflegebereich engagiert. Sie bleiben jeweils ein Jahr und sind ein guter Ersatz für die Zivis, deren Einsatz sich wegen der immer kürzer werdenden Zivildienstzeit am Ende gar nicht mehr rentiert habe. "Wenn es gelingt, dass sie langfristig bei uns bleiben, wäre das ein echter Gewinn", sagt Wagner. Denn die jungen Frauen brächten sehr viel Schwung in die Einrichtung. Relativ groß war der Run auf die Stellen auch an der Brucker Kreisklinik, wo nun fünf Bufdis arbeiten. "Wir waren selbst ein bisschen überrascht", sagt Personalleiterin Gisela Hillreiner. Möglicherweise habe das mit dem doppelten Abiturjahrgang zu tun - "aber das wird sich zeigen."

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SZ vom 30.01.2012
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