Starkbieranstich:Rituelles Auspeitschen

Im Veranstaltungsforum kommen die Liebhaber der hohen Stammwürze zusammen, um den Starkbieranstich zu begehen und das Derblecken zu erleben. Dass ausgerechnet der Pirat Andreas Ströhle das erste Fass anzapfen darf, ist dabei reiner Zufall

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

Es gibt nur einen Salvator und den schon seit über 370 Jahren. Bernsteinfarben, als Krönung einen standfesten Schaum, so erfreute er früher schon die Mönche, die auf diese Weise elegant das Fastengebot unterliefen. Das interpretierten sie so: "Trinken bricht das Fasten nicht". Ach was, fasten. Die Bierliebhaber aus Stadt und Land pilgern an diesem Abend ins Veranstaltungsforum, um sich beim Starkbieranstich zu amüsieren und sich an dem Gebräu zu laben.

Und sie kommen voll auf ihre Kosten, Glyphosat hin oder her. Harry Stadlmayer von der Paulaner-Brauerei nimmt bei der Begrüßung mit einem Rechenexempel den Dampf raus. Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung müsse man täglich 450 000 Liter (das ist der mittlere Ausschank eines großen Wiesnzeltes) Bier trinken um einen gesundheitlich bedenklichen Wert zu erreichen. Das schaffen nicht einmal exzessive Säufer.

Bevor Jürgen Kirner als Bruder Barnabas Stadträte und Politiker aller Couleur "zur starkbiergetränkten Fürstenfelder Sado-Maso-Kur, zum rituellen Auspeitschen in den ehrwürdigen Klostermauern" begrüßt muss natürlich erst der Gerstensaft fließen. Dieses Mal ist keiner der drei anwesenden Bürgermeister fürs Anzapfen vorgesehen. Der Veranstalter lässt der Willkür freien Lauf und das Los entscheiden. Stadtrat Andreas Ströhle ist der "Glückliche". Als Pirat und Doktor der Philosophie, zudem als blutiger Laie löst er die Aufgabe ganz ordentlich. Nach zwei Luftnummern gelingt ihm ein satter Treffer, mit drei Schlägen und unter der Assistenz von Harry Stadlmayer zischt das Bier unter dem Hallo des Publikums in die Krüge. In Anspielung auf die 18 Prozent Stammwürze und acht Volumenprozent Alkohol ermuntert Stadlmayer das Publikum "Probiert's es, dann spürt's es."

"Die abgewatschten Eminenzen und selbsternannten Exzellenzen" bekommen nicht nur das Bier zu spüren, sondern auch die Häme des Krügelredners. Und der hat nicht die Absicht, an diesem Abend irgendjemand zu schonen. Nach Landes- und Bundespolitik stehen die Lokalpolitiker in der Schusslinie. Den Oberbürgermeister Klaus Pleil begrüßt Kirner besonders herzlich, fordert ihn auf, sich seine Gäste schön zu trinken und legt los über die Sehnsucht der BBV nach eigenen Herrscherbauten, wie Königslichtspiele, Eissportpalast und Viehmarktplatz-Kolosseum. Andreas Lohde (CSU) sieht er als Suppenversalzer mit Löschzwang. Mit dem Zuruf, "bei 6,3 Millionen Neuverschuldung, da brennt's doch ned' in Bruck", schlägt Kirner elegant den Bogen zum Sanierungsfall Brucker Stadtverwaltung. Zweiter Bürgermeister Erich Raff solle nicht immer gegen den Haushalt stimmen. "Nix kürzen, nehmt's auf, vertebartzt es", ruft der Krügelredner in den Saal. "Bau dir ein Denkmal", fordert er "Raffi" auf, "solange du noch Bürgermeister bist". Ein Sportpalast in der Buchenau mir Handballparadies, Luxuseisstadion für den Klausi und Fünf-Sterne American-Football-Eldorado, das wär's doch. Egal wie hoch die Schulden sind, als Kommune könne man ohnehin nicht Pleite gehen.

Was zunächst als Kompliment daherkommt ist dann doch als hinterfotziger Seitenhieb gegen die SPD zu werten. Gegen das "Skelettgickerl" Florian Pronold kämen Philipp Heimerl und Axel Lämmle ja noch gut weg. Aber besser wäre eine 16-Prozent-SPD, die die richtigen Forderungen stellt, als 40-Prozent-SPD, die eine CSU ist. Vor der BBV, der Rest SPD und den "grünen Zwergen" um Karin Geissler müsse sich Lohde und die CSU nicht fürchten. Den nicht anwesenden Landrat Thomas Karmasin tröstet der Derblecker über die täglich anstürmenden 3000 Flüchtlinge hinweg und verweist auf 17 Millionen Wirtschaftsflüchtlinge, "die wir vor 25 Jahren integriert haben". Die anwesenden Gemeinde- Kreis- und Stadträte qualifiziert Kirner als ländliches Bodenpersonal und politisch geringfügig Beschäftigte ab.

Der Spaß beim Publikum steigert sich nach dem Derblecken gewaltig mit dem Auftritt der Couplet-AG. Ohne Zweifel, neben Kirner, der Höhepunkt des Abends. Das liegt vor allem an Bianca Bachmann. Sie ist eine Vollblut Komödiantin voller Temperament und Charme, kurzum eine Wucht. Mit ihren Mitspielern Jürgen Kirner, Berni Filser und Bernhard Gruber macht sie richtig Stimmung. Die erotische Hammerwirkung eines respektablen Bierbauchs auf sie bekommen die von ihr ausgewählten "Bierbauchhasi", Andreas Lohde und Karl Danke (BBV) hautnah zu spüren. Die Gstanzln, unterstützt von Gitti Walbrun aus der Fernsehserie "Dahoam is dahoam", enden mit einer Spitze gegen Bruck: "Wer a Geld hat, kann si' a Haus hinstellen, wer kans hat, lasst si in Stadtrat wählen".

Traditionell tritt beim Salvator der Gewinner des vergangenen Paulaner-Solo-Kabarettwettbewerbes auf. Thomas Rottenbiller hatte nach dem turbulenten Verlauf einen schweren Stand. Sein Brachialhumor hat nichts mit feiner Klinge zu tun. Er haut seine Kraftausdrücke dem Publikum vor die Füße, mit enormer Bühnenpräsenz. Doch wirken die Witze über die "Mauersegler" aus der ehemaligen "Dädarädädä" angestaubt. Ein kürzerer Auftritt hätte seinen Abgang sicher verbessert.

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