Gerade hat der Olchinger Speedway-Matador Martin Smolinski wieder mit 20 Metern Vorsprung einen Lauf unter dem Jubel der Zuschauer vor drei Konkurrenten gewonnen und seine Fans auf der Ehrenrunde mit dem Vorderrad in der Luft gegrüßt. 3000 Zuschauer – so viele wie lange nicht mehr – sind zu den traditionellen German Open an Fronleichnam ins Olchinger Speedway-Stadion gekommen. Zweieinhalb Stunden lang sehen sie spektakuläre Motorradrennen mit waghalsigen Überholmanövern bei 84 Kilometern pro Stunde – und ihr „Smoli“ hält vorne mit. Vor dem letzten von fünf Läufen liegt Smolinski, der seit einigen Wochen noch mehr ist als Speedway-Profi, auf Platz zwei knapp hinter dem Franzosen David Bellego,
Speedway ist in Olching seit langem eine große Nummer. 1951 eröffnet, erlebte die Bahn besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren einen Ansturm der Fans dieses speziellen Motorsports. 15 000 Zuschauer bevölkerten regelmäßig das Stadion-Oval mit der exakt 390 Meter langen Bahn, die mit rotem Sand belegt ist und die Fans in den Kurven regelmäßig mit einer Lage Dreck beehrt.
„Ich komme jedes Jahr hierher“, erklärt ein älterer Münchner, der mit seinem erwachsenen Sohn auf der Anhöhe des Stadions sitzt, bisher aber vom Flugsand verschont geblieben ist. „Das gehört dazu, das ist einfach ein geiler Sport“, sagt der langjährige Besucher, der mit „Smoli“ auf dem Treppchen rechnet. Jürgen Buchwald, 59, hat den Massenansturm der Fans noch als Kind erlebt. 1974 war Buchwald, der aus Bopfingen bei Aalen angereist ist, das erste Mal beim Speedway in Olching dabei. „Volle Hochachtung“, sagt er, habe er vor Smolinski: „Er ist der Einzige, der sich für die Randsportart aktuell einsetzt.“
Speedway in Deutschland hatte vor 40 und 50 Jahren in den Zeiten des Kielers Egon Müller sein Massenpublikum, auch im Fernsehen. Nach Müller, der heute 76 Jahre alt ist, waren deutsche Fahrer, wie der Erdinger Karl Maier als mehrfacher Langbahn-Weltmeister, immer noch erfolgreich. Doch der Hype wanderte später vor allem in Richtung Polen weiter, wo viele internationale Speedway-Profis heute ihr Geld verdienen.

Auch Martin Smolinski, Jahrgang 1984, fuhr schon in der polnischen Liga. Seinen ersten Profivertrag unterschrieb er, der von Anfang an auf der Olchinger Heimbahn übte, mit 20 Jahren in England. Erfolge stellten sich bald ein. 2006 gewann Smolinski, der zuvor eine Ausbildung als Zweiradmechaniker absolviert hatte, erstmals die German Open in Olching. Es folgten bis 2023 weitere fünf Siege bei der mit internationalen Profis gespickten Veranstaltung. „Entscheidend ist mein Kampfgeist“, betonte der achtmalige deutsche Speedwaymeister immer wieder, „ich bin wahnsinnig ehrgeizig.“
Ob sein Ehrgeiz bei seinem tragischen Trainingsunfall im Mai 2020 in Leipzig eine Rolle spielte, ist ungewiss. Es war nicht sein erster Sturz mit Knochenbrüchen, aber diesmal erwischte es ihn besonders schlimm. Mit einem schweren Hüftschaden musste er auf die Intensivstation und war danach zwei Jahre außer Gefecht. „Ich danke den Doktoren, dass ich wieder laufen konnte“, so Smolinski damals erleichtert. Mit einer künstlichen Hüfte nahm der Vater eines heute sechsjährigen Sohnes die Rennen wieder auf. „Die spüre ich immer wieder mal“, sagt er heute, aber das ist nebensächlich, wurde er damit doch noch zweimal Langbahn-Weltmeister. Martin Smolinski ist inzwischen 40 Jahre alt. Wann sich seine Rennkarriere dem Ende zuneigt, ist ungewiss.

Patricia Erhart ist 21 und eine der wenigen Frauen, die sich in die Speedway-Männerdominanz wagt. Bei jedem Start an diesem Tag hat sie Probleme mit der Kupplung und verliert da schon zehn Meter auf die Konkurrenz, sodass es am Ende nur zum letzten Platz reicht. „Es ist eine Ehre für uns, hier bei den Profis mitfahren zu dürfen“, sagt ihr Vater Michael Erhart, der sich nach jedem Lauf sofort um das Motorrad seiner Tochter kümmert. Gerade wechselt er das Hinterrad aus und stellt den Vergaser neu ein. „Erfahrung, Erfahrung und nochmal Erfahrung“, sagt der Vater, sei entscheidend in dieser Sportart. Und: „Patricia braucht einfach einen Trainer.“ Dazu wären Sponsoren notwendig, die auch beim Motorrad helfen würden. „Unser Material ist uralt“, klagt der Vater, der Smolinski für dessen Unterstützung dankbar ist.
Patricia Erhart irritieren ihre letzten Plätze nicht spürbar. „Das ist mein Sport“, sagt die Gröbenzellerin, die mit sechs Jahren auf einem kleinen Motorrad im Olchinger Stadion angefangen und mit 13 Jahren ihr erstes Speedway-Rennen bestritten hat. Sie fühle sich gegenüber den Männern nicht benachteiligt. „Beim Fahrgefühl bin ich im Vorteil“, sagt die gelernte Mechatronikerin und Berufskraftfahrerin, die in einer Spedition auch einen Lkw steuert. Auch ihre Mutter Andrea Erhart ist Teil des „Familienhobbys“, wie sie sagt. Zwar habe sie nach drei Schulterbrüchen und einem Schlüsselbeinbruch ihrer Tochter im vergangenen Jahr immer wieder Angst um Patricia. Doch die Mutter weiß: „Ihr Herz hängt an diesem Sport.“

In den Pausen zwischen den Rennen pilgern die Fans ins Fahrerlager und bauen sich vor der Box von Martin Smolinski auf. Zusammen mit seinen Mechanikern arbeitet der Profi dort immer wieder an der Optimierung seines Motorrads. Zündung, Düse, Übersetzung, Luftfilter, Abstimmung an die Temperatur anpassen: Das sind die Dinge, die den Fahrer ständig umtreiben. Danach kommt er aus der Box, um geduldig Autogramme zu geben und Fotos machen zu lassen.
Im letzten Lauf ändert sich nichts mehr: Der 32-jährige Franzose Bellego gewinnt die German Open mit einem Punkt Vorsprung. Smolinski muss in ein Stechen um Platz zwei gegen den Polen Jakub Jamróg, 33. Er verliert das Rennen und wird Dritter.
Der Speedway-Star ist nicht nur Profi mit seinem eigenen Unternehmen „Smolinski 84“. Seit März dieses Jahres ist er auch Vereinsvorsitzender des Motorsport-Club Olching (MSCO). Dass Smolinski dieses Amt – auch als Aushängeschild – übernommen hat, hat im Verein große Euphorie ausgelöst. „Es herrscht Aufbruchstimmung bei uns“, schwärmt sein Vorgänger Stefan Ehrnböck, der jetzt sein Stellvertreter ist.
Einen neuen Bier-Sponsor, eine Firma aus dem Bayerischen Wald, habe man auch schon. Alles passe prima mit dem 75-jährigen Vereinsjubiläum zusammen, das der MSCO am 12. Oktober mit einem Rennen um das „Goldene Band“ begehen will. „Ich war schon mehr Tage für den Verein unterwegs als in der Werkstatt“, bekräftigt Smolinski, als er auf die vergangenen Wochen zurückblickt. „Mein Ziel“, kündigt er an, „sind 5000 Zuschauer bei den nächsten German Open 2026.“