SPD-Wahlkampf:Königliche Attitüde

Lesezeit: 1 Min.

Erst eine kurze Internetrecherche verrät: das ominöse Plakat ist Teil des SPD-Wahlkampfes. (Foto: Christian Hufnagel/OH)

Monarchische Amtszeiten sind undemokratisch, behauptet ein Plakat am Brucker S-Bahnhof. Doch wer steckt eigentlich dahinter und was will er uns sagen?

Kolumne von Florian J. Haamann

Gerade einmal 20 Minuten. So kurz war Louis-Antoine de Bourbon, Adelsexperten auch bekannt als Ludwig XIX., im Jahr 1830 französischer König. Theoretisch zumindest. Denn nachdem sein beim Volk eher unbeliebter Vater Karl X. von den Juli-Revolutionären bedrängt abdanken musste, ging der Titel auf ihn über. Doch noch vor der offiziellen Ernennung gab er die Krone weiter an seinen Neffen Henri d'Artois. Viel erreicht hat Ludwig in seinen 20 Minuten übrigens nicht. Dennoch ist er ein Rekordhalter: als Monarch mit der kürzesten Amtszeit. Auf der anderen Seite des Spektrums steht Karl Friedrich von Baden der von 1738 bis 1811 ganze 73 Jahre als Regent amtieren konnte.

Irgendwo dazwischen lässt sich Landrat Thomas Karmasin einordnen, der nun seit 1996 als volksnaher Provinzgraf über den Landkreis herrscht. Das freilich passt nicht allen. Und so findet sich am Brucker Bahnhof ein Plakat, das Karmasin zwar nicht persönlich anspricht, aber durchaus ihn meint: "Monarchische Amtszeiten sind undemokratisch", ist da zu lesen, darunter der Hashtag #ZEITFUERDENWECHSEL. Klingt auf den ersten Blick wie eine wirklich pfiffige Parole, wirft beim genaueren Nachdenken aber doch einige Fragen auf: Was genau ist eine monarchische Amtszeit überhaupt und warum soll es undemokratisch sein, wenn ein Politiker bei freien Wahlen mit zugelassener Opposition dreimal in seinem Amt bestätigt wird? Ab wie vielen Jahren wird so eine Amtszeit undemokratisch? Und müsste dann nicht beispielsweise auch die SPD in Bremen, wo sie seit dem Krieg durchregiert, und in Brandenburg, wo sie seit der Wiedervereinigung an der Macht ist, die Ämter des Ministerpräsidenten endlich mal freiwillig an die CDU abgeben?

Denn, soviel verrät eine kurze Internetrecherche, das Plakat stammt von eben jener SPD. Direkt ersichtlich ist es nicht, aufgedruckt ist nur der Name Dr. Christoph Maier. Der Genosse, den bisher wohl die wenigsten Landkreisbürger kennen, will im kommenden Jahr Karmasin sein Amt streitig machen. Ob es dafür ausreicht, den eigenen Doktortitel und nicht einmal die Partei zu erwähnen sowie den politischen Gegner einfach wegen seiner langen Zeit in der Regierungsverantwortung als undemokratisch zu titulieren, wird sich am 15. März zeigen.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: