Süddeutsche Zeitung

Eichenau:Partei der Geduldigen

Die Eichenauer SPD feiert ihr 100-jähriges Bestehen und erhält aufmunternde Worte vom FDP-Bürgermeister.

Von Karl-Wilhelm Götte, Eichenau

Die SPD präsentiert sich gerne als eine stolze Partei, auch deshalb, weil es sie schon lange gibt. In Eichenau existiert der Ortsverein seit 1922 - also 100 Jahre. Dieses Jubiläum feierte die Partei in der mit 200 Genossen und Gästen aus dem ganzen Landkreis vollbesetzten Friesenhalle mit Festreden und Musik, locker moderiert von Erik Hoeschen. Dazu lag eine SPD-Speisekarte aus. Das Gericht "Große Koalition" war ein Zwiebelsteak und die "Kleine Koalition" ein paniertes Schnitzel. Der lokale SPD-Chronist Andreas Knipping beklagte fehlenden Parteinachwuchs, brachte aber auch das dauerhafte Motto seiner Partei auf den Punkt: "Wir zeichnen uns durch historische Geduld aus."

Wohl wahr: Es hat sehr lange - exakt 50 Jahre - gedauert, bis die SPD auf Bundesebene wieder einmal alle wichtigen Spitzenämter besetzt. In Eichenau ist die Partei davon etwas weiter entfernt. Dort ist die SPD-Fraktion auf vier von 24 Gemeinderatsmandaten zusammengeschrumpft und einen eigenen Bürgermeisterkandidaten hat man zuletzt gar nicht mehr aufgestellt. Doch das hielt die Hauptrednerin Ronja Endres nicht davon ab, vor allem von der Vergangenheit der Eichenauer SPD zu schwärmen. Endres ist die bisher kaum wahrgenommene Co-Vorsitzende der Bayern-SPD. Das ist erstaunlich, ist doch die 36-jährige Regensburgerin eine durchaus eloquente Rednerin, die die Versammlung gleich mehrmals erheiterte. Doch Endres, die auch dem SPD-Bundesparteivorstand angehört, wurde auch ernst, als sie an das Verbot der Eichenauer SPD 1933 erinnerte und dass fünf Eichenauer SPD-Genossen in der Nazizeit ins KZ-Dachau gesperrt wurden. Sie zeigte sich auch überzeugt, dass "das braune Pack immer noch herumläuft" und man sich diesem entgegenstellen müsse.

Endres kündigte an, dass die SPD auch die nächsten hundert Jahre gebraucht werde, weil sie unter anderen für Bildungsgerechtigkeit, grüne Energie und gut bezahlte Arbeit stehe. "Die Genossen in Eichenau brennen dafür, ihre Gemeinde besser zu machen", so die bayerische Landeschefin überzeugt. Das hörte Eichenaus Bürgermeister Peter Münster (FDP) natürlich gerne. Er hatte in seinem Grußwort den politischen Konkurrenten zum Jubiläum natürlich auch gelobt und dem Jubilar Mut gemacht, indem er eine Bemerkung zum angeblichen Niedergang der SPD von seinem Vorredner Michael Schrodi aufgriff. "Ich gehöre auch einer Partei an", so Münster, "die schon öfter totgesagt wurde." Der Olchinger Schrodi, seit 2017 SPD-Bundestagsabgeordneter und finanzpolitischer Sprecher seiner Partei, hatte zuvor süffisant gemeint: "Die wichtige Aufgabe der Opposition überlassen wir jetzt der CSU."

SPD-Ortschronist Knipping, auch ein Spezialist für Eisenbahngeschichte, ließ zu seinem launigen Vortrag immer wieder historische Dokumente auf einer Leinwand einblenden. Da waren Parteimitgliedsmarken aus früheren Zeiten zu sehen oder alte Ausgaben des SPD-Mitteilungsblattes "Hallo Nachbarn"; ebenso ehemalige lokale Politgrößen. Auch Fernsehmann Harald Schmidt war 1990 als junger Mann mal bei einer SPD-Veranstaltung in der Friesenhalle dabei. Der 70-jährige Knipping, seit 50 Jahren Parteimitglied, zeichnete das in der Öffentlichkeit wahrgenommene Bild der SPD von einem "neoliberalen sozialen Abbauverein" - sprich Verantwortliche zusammen mit den Grünen für die Einführung von Hartz IV 2005 gewesen zu sein, das für Millionen von Menschen bis heute Armut und Ausgrenzung bedeutet - und einer Partei, die mit Geduld die Politik in die richtigen Bahnen lenke. Zu Knippings Parteibefund gehörte aber auch die Feststellung, dass der SPD die jungen Menschen fehlen. "Die klassische Arbeiterpartei sind wir nicht mehr", machte der ehemalige Richter am Sozialgericht keinesfalls überraschend deutlich.

Die musikalische und kabarettistische Umrahmung sollten an diesem Jubiläumsabend die "Wellküren" übernehmen, doch das Frauen-Trio wurde von einer Coronainfektion ausgebremst. Einen Tag vor der Veranstaltung sprangen die "nouWell cousines" ein. Angeführt von Michael Well am Akkordeon standen seine Tochter, die Cellistin Maria Well, und seine Nichte Maresa Well, Tochter von Christoph "Stofferl" Well, als Geigerin mit ihm auf die Bühne. Die Wells, die offenbar über ein unerschöpfliches Reservoir an Musikerinnen und Musikern verfügen, hatten den Abend schon mit dem schmissigen Stück "Der große Atlantik" eröffnet und schlossen ihn zum großen Vergnügen Festversammlung mit weiterer fetziger und sehr melodischer Musik.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5662011
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/flha
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.