Germering:Fünf Sinne werden eins

Germering: Zentimetergenau positioniert ist die Schrottskulptur von Oliver Beran und Vera Greifs Werk zum Thema Sehen.

Zentimetergenau positioniert ist die Schrottskulptur von Oliver Beran und Vera Greifs Werk zum Thema Sehen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Künstlerin Vera Greif leitet und organisiert ein Kunstprojekt, das unter dem Namen "Sinn-Ergie" im Forum der Stadthalle Germering ausgestellt wird.

Von Konstantin Hadzi- Vukovic, Germering

"Die Sinne trügen nicht, das Urteil trügt." Als Johann Wolfgang Goethe diesen Satz sagte, kannte er die Wirkung von Kopfhörern und VR-Brille nicht. Wäre er so ausgestattet durch eine Kunstausstellung gelaufen, wer weiß, ob er seine Einschätzung nicht revidiert hätte. Mit der Wirkung von Technologie auf die menschlichen Sinne befasst sich die aktuelle Kunstausstellung in der Stadthalle Germering.

In der Ausstellung mit dem Namen "Sinn-Ergie" verschmelzen fünf Sinne, acht Werke von acht Kunstschaffende zu einer einzigen Ausstellung. Mitgewirkt haben Oliver Beran, Vera Greif, Eva Maria Kränzlein, Daniel Mihaila, Margherita Moroder, Brigitte Storch, Giuseppe Tore und Lutz Walczok. Anderthalb Jahre lang kamen sie einmal im Monat zusammen, um sich kreativ auszutauschen.

Der Name sei vielleicht etwas banal, sagt Vera Greif. "Wir haben ganz einfach einen Namen gebraucht. Sinne sind halt immer mit Energie verbunden".

Germering: Lutz Walczok zeigt seine Objektarbeit in Keramik und Ton "Blaues Brot 3D".

Lutz Walczok zeigt seine Objektarbeit in Keramik und Ton "Blaues Brot 3D".

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Künstlerinnen und Künstler kennen sich seit Jahren. Ein Teil arbeitete vor vier Jahren beim Projekt "Magic Forest" zusammen. Der "harte Kern", wie ihn Lutz Walczok nennt, blieb zusammen, einige neue seien zu dem von Vera Greif geleiteten Projekt dazugekommen. Es handele sich nicht um eine feste Gruppe. Eher sucht die ausgebildete Fotografin sich ein Team aus, mit dem sie zusammenarbeiten will. "Dabei kommen nur Personen in Frage, die ich kenne und mit denen ich bereits gearbeitet habe", sagt Greif.

Von drei Phasen spricht sie, in denen so eine Ausstellung entstehe. In der ersten Phase treffen sich die Kunstschaffenden häufig und recherchieren zum gewählten Thema. "Man arbeitet sich langsam in das Thema ein und diskutiert sehr viel", erläutert Greif. Das sei die Vorproduktion. Jeder entschied sich für einen Sinn.

Danach mache sich jeder für sich selbst ans Werk, immer im Austausch mit den anderen. "Jeder muss dabei hin und wieder für das große Ganze zurücktreten", erklärt Vera Greif - das Ego also klein halten. Schließlich komme man zum Resultat. Das sei aber als Gesamtkunstwerk zu betrachten. "Ohne die anderen gäbe es keine Ausstellung."

Germering: "Ich sehe Dich", nennt Eva Maria Kränzlein ihre Porträts.

"Ich sehe Dich", nennt Eva Maria Kränzlein ihre Porträts.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die einzelnen Kunstwerke zeigen einen ähnlichen Geist. Es wird sichtbar, dass die Acht als Team zusammengearbeitet haben. In jedem Teilstück spiegelt sich das Individuelle des Einzelnen wider. Als Brücke zwischen diesen einzelnen Teilstücken dient der Klang.

Daniel Mihaila, Kulturförderpreisträger der Stadt Germering, baute eine virtuelle Soundkulisse für die Ausstellung auf, die die Werke der anderen verbindet. Er interpretiert zudem die Arbeit seiner Kolleginnen und Kollegen durch Geräusche und Klänge. Die Besucher können mit VR-Brille und Kopfhörern durch den Raum gehen. Dabei passen sich die Geräusche dynamisch an, je nachdem wo man steht.

Die Gesichter sind so verfremdet, dass sie Fragen aufwerfen

Das erste Puzzlestück heißt "Ich sehe dich". Es sind 16 Porträts, gemalt von Eva Maria Kränzlein. Sie entschied sich für den Sinn "Sehen". Den Portaits gemeinsam ist, dass sie den Betrachter anschauen. Durch Übermalungen und Überarbeitung mit verschiedenen Materialien werden die Gesichter so verfremdet, dass sie Fragen aufwerfen. Das Gesicht als Kulmination des Sehens und Gesehenwerdens liegt hier im Fokus.

Aus den von Mihaila ausgestatteten Kopfhörern hört man Menschen tuscheln und kichern, während man die Gesichter beobachtet und sich von diesen beobachtet fühlt.

Der zweite bildende Künstler ist Giuseppe Tore, der sich für eine Videoinstallation entschieden hat. "No Comment" ist ihr Name. Es handelt sich um ein deutlich politisches Werk. Tore hat alte Überwachungskameras und Monitore installiert, auf denen die Besucher in Echtzeit selbst zu sehen sind. Unterbrochen wird das immer wieder von Aufnahmen aus dem Internet, zum Beispiel von einer Dokumentation über Gefangene in China.

Brigitte Storch hat sich mit dem Geruchssinn befasst. Überall im Raum hat sie kleinen Dufttürme aufgestellt. Es riecht nach Lorbeerblättern, Pfingstrosen und Lavendel. Gerüche könnten ganz unterschiedliche Emotionen hervorrufen, Angst und Ekel ebenso wie Freude und Wohlbefinden.

Germering: In der Stadthalle zeigt Margherita Moroder das Objekt "Eroberung der Praline".

In der Stadthalle zeigt Margherita Moroder das Objekt "Eroberung der Praline".

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Das monumentalste Kunstwerk, das sofort ins Auge sticht, ist das Kunst-Hand-Werk von Oliver Beran. Zum Gießereimodellbauer ausgebildet, bedient sich der Künstler der "Upcycling Iron Fire Art" und kreiert aus Alteisen und Schrottteilen seine Kunst. Seine Schülerinnen und Schüler des Eugen-Papst-Förderzentrums in Germering halfen ihm, die überdimensionale Hand zu bauen, die natürlich das Fühlen darstellen soll.

"Acht Künstler" ist der Name der Videoinstallation von Vera Greif. Ziemlich logisch, da auf einer großen Leinwand die bewegten Augen, Münder und Nasen der acht Kunstschaffenden zu sehen sind, die die Ausstellung gestaltet haben. Dabei wechseln sich in einem Splitscreen die einzelnen Bilder immer wieder ab, so dass man sich kaum auf einen Einzelnen fokussieren kann. "So werden die acht Künstler immer als Kollektiv erfasst", erklärt Greif.

Den Einfluss von Technologie auf unsere Sinne versucht Lutz Walczok mit seiner Arbeit "Blaues Brot 3D" und "Wertvolles Selbstverständnis" darzustellen. Einen Laib Brot und eine Breze aus Keramik stellte er her. Das Brot in Blau und die goldene Breze erscheinen fast lebensecht. Verstärkt wird das Spiel mit den Sinnen dadurch, dass der Geruch von frisch gebackenem Brot versprüht wird. Abstrakte Kunst oder vielleicht unsere Zukunft in ein paar Jahren? Genau diese Überlegung wolle er anstoßen, sagt Walczok.

Germering: Margherita Moroders Werk "Nerventasten".

Margherita Moroders Werk "Nerventasten".

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Das letzte Werk "Nerventasten" von Margherita Moroder geht auf den Tastsinn ein. Kunst zum Anfassen stellte sie her. So soll das Bild, das sie mit der Prickeltechnik herstellte, auf ausdrücklichen Wunsch der Künstlerin angefasst und erfühlt werden.

Dann spürt man nicht nur das glatte Papier, sondern auch das eingeprägte Muster. Eine Überraschung enthält ihr Kunstwerk "Die Eroberung der Praline".

Als letzten Künstler könnte man den Raum bezeichnen. "Er wurde von Anfang an mit einbezogen und ausgesucht", sagt Greif. Er sei perfekt für Installationen. Die Position der Gegenstände hat Daniel Mihaila geplant, alles musste auf den Zentimeter genau stehen. So ist die Anordnung der Werke eine bewusste künstlerisch-ästhetische Entscheidung.

Ziel der Ausstellung sei es, einen Wow-Effekt zu erzeugen und zu beeindrucken. Etwas anderes zu präsentieren und zu zeigen, dass ein Konzept dahintersteckt. Darüber sind sich alle acht Kunstschaffenden einig, und das ist ihnen auch gelungen. "Viele Besucherinnen und Besucher wünschen wir uns natürlich auch", sagt Greif.

Die aktuelle Ausstellung in der Stadthalle Germering ist zu sehen bis Sonntag, 19. März, jeweils Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von 17 bis 20 Uhr, Freitag und Samstag von 17 bis 21 Uhr, sowie am Sonntag von 15 bis 19 Uhr.

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