Tradition:Umzug zu Ehren von Sankt Silvester

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Der Türkenfelder Silvesterritt ist eine Tradition, mit der der Heilige geehrt wird. Viele Gespanne und Reiter nehmen teil. Auf einem Wagen wird das Modell der Türkenfelder Kirche durch den Ort gezogen. (Foto: Johannes Simon)

Der Heilige, der im vierten Jahrhundert Papst war, soll Türkenfeld 1807 vor einer Tierseuche bewahrt haben. Heute ist der Silvesterritt ein Ereignis mit vielen Zuschauern.

Von Karl-Wilhelm Götte, Türkenfeld

Menschen strömen aus allen Richtungen in die Ortsmitte von Türkenfeld. Der Silvesterritt ist das Jahresereignis in der 3800-Einwohner-Gemeinde. Dicht gedrängt stehen die Besucherinnen und Besucher an der Weggabelung vor der Sparkasse. Die örtliche Feuerwehr sorgt für Ordnung. Gegenüber werden Burger und Bratwürste gebraten. Die Erwachsenen halten Bierflaschen in der Hand oder prosten sich mit Sekt zu. Alles passt zum Silvestermorgen und in wenigen Minuten beginnt bei Sonnenschein mit Glockenläuten der Türkenfelder Pfarrkirche um Punkt zwölf Uhr der Umzug – dreimal an der Kirche vorbei. Dort hat die lokale und überregionale CSU-Politprominenz Aufstellung genommen, um den Zugteilnehmern zuzuwinken. 

Mit dem jährlichen Umzug wird der heilige Silvester geehrt, der im Jahr 1807, so die Überlieferung, den Ort vor einer Tierseuche bewahrt hat. Bürgermeister Emanuel Staffler eröffnet den Silvesterritt. Nachdem das Blasorchester Türkenfeld und die Blaskapelle Türkenfeld, beide feiern demnächst das 50- und hundertjährige Bestehen, den Silvesterritt musikalisch begleitet haben, führen ganz vorn drei festlich gekleidete Reiterinnen auf ihren Pferden den Zug an.

Die barocke Heiligenstatue des Sankt Silvester wird der Prozession vorangetragen und dann neben dem provisorischen Altar aufgestellt. (Foto: Johannes Simon)

Beate Maier, Andrea Merkl und Johanna Müller vom Türkenfelder Riegerhof reiten stolz voran. Es kommen Wagen vorbei, die große Modelle der Pfarrkirche und des Schlosses Türkenfeld transportieren. Der Reit- und Fahrverein Moorenweis macht mit und eine große Delegation mit vielen kleinen Ponys vom Ponyhof Pflaumdorf löst besonders bei den Kindern Begeisterung aus. Bei den Älteren kommen die Ausflüge mit ihren Kindern zum Ponyhof in Erinnerung.

Auch der Ponyhof Pflaumdorf ist beim Silvesterritt dabei. (Foto: Johannes Simon)

Junge Familien haben sich unterhalb der Kirche am Straßenrand platziert. Ein Dutzend Buben und Mädchen sitzt brav aufgereiht vor den Eltern auf Bänken. „Wir sind Stammgäste“, sagt Nadja Vollrath, gebürtige Türkenfelderin. Sie ist mit ihren Kindern Nico und Marie gekommen. „Ich bin sicherlich schon zehnmal dabei“, erzählt sie. Dass so viele Zuschauer gekommen sind, wundert sie nicht. Vollrath sagt: „Die meisten wissen nicht, was man am Silvestervormittag machen soll.“

Hinter ihr steht ein älteres Ehepaar, das aus Fürstenfeldbruck gekommen ist. Edigna und Martin Deininger kommen ebenfalls schon viele Jahre zum Silvesterritt. „Wir sind Einheimische, das ist ein Pflichttermin für uns.“ Es wird nicht nur geritten, bald laufen die Hunde, auch Australien Shepherds, vom örtlichen Hundeverein an der Pfarrkirche vorbei, angeführt von Andrea Fesenmeir. Etwas verloren wirken zwei Esel, die von Nicole Wunder geführt werden. „Ich komme aus Purk bei Moorenweis“, sagt Wunder im Laufen, „und bin ganz privat hier.“

Ursula Plachetka kam mit ihren Eseln aus Geltendorf nach Türkenfeld zum Silvesterritt. (Foto: Johannes Simon)

Sie alle haben den Segen vom Pfarrer Maurus Mayer vor der Pfarrkirche erhalten. Für ihn ist es eine Premiere, er hat erst kürzlich die Pfarrstelle in Türkenfeld übernommen. Sieben Jahre war Mayer zuvor als Pfarrer in Oberstdorf tätig. Er ist 64 Jahre alt und wird wohl in Türkenfeld in den Ruhestand gehen. Der ist in der katholischen Kirche mit 70 Jahren vorgesehen.

Für Pfarrer Maurus Mayer ist es der erste Silvesterritt. (Foto: Johannes Simon)

„Es ist großartig, was ich hier sehe“, sagt er und freut sich spürbar darauf, die Segnung vorzunehmen und eine kleine Botschaft an die Menschen zu halten. „Wichtig ist, dass ich nicht zu lange rede“, sagt der Pfarrer. Drei Minuten hat er sich vorgenommen und die hält er auch ein. „Seid gütig zu jedermann, seid wachsam und habt euch von Herzen lieb“, gibt er den Menschen mit auf den Weg.

Nach einer guten halben Stunde ist das dreimalige Vorbeikommen des Zuges zu Ende. Pferde, Kutschen, Hunde und Esel kehren zu ihren Aufstellplätzen zurück. Bürgermeister Staffler muss noch eine Botschaft loswerden: „Wir haben es uns bequem gemacht.“ Man solle nicht nur etwas fordern, sondern auch selbst einen Beitrag leisten. Wen er damit genau meint, behält er für sich. Dann leert sich Türkenfelds Ortsmitte langsam wieder.

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