200 Jahre Tradition:Dank für Schutz vor einer Tierseuche

200 Jahre Tradition: Ein Abbild der Pfarrkirche wird bei dem Umzug mitgeführt.

Ein Abbild der Pfarrkirche wird bei dem Umzug mitgeführt.

(Foto: Günther Reger)

In Türkenfeld findet bei frühlingshaften Temperaturen wieder der Ritt zu Ehren des heiligen Silvester statt. 2000 Menschen schauen zu.

Seit mehr als 200 Jahren zählt der Silvesterritt in Türkenfeld zu den bedeutendsten Brauchtumsveranstaltungen der Ammersee-Lech-Region. Auch wenn die Tradition wegen Corona zwei Jahre unterbrochen war, hat der Umritt wieder zu seiner gewohnten Schönheit gefunden. Weit mehr als 2000 Zuschauer säumen nach Schätzung eines Sicherungspostens der Freiwilligen Feuerwehr bei frühlingshaftem Wetter die Straße von der Eisenbahnbrücke bis zur Pfarrkirche, vor der Father John und Diakon Weiß von einem Podest aus die Segensgebete sprechen.

Father John kommt aus Uganda und hat in Türkenfeld viele Unterstützer, die ihm mit Spenden helfen, den Aufbau eines Schulzentrums in seiner Heimat zu finanzieren. Eine große Ehre sei es für ihn, den Segen mit der Reliquien- Monstranz und Weihwasser erteilen zu dürfen, sagt er.

200 Jahre Tradition: Father John spendet den Segen.

Father John spendet den Segen.

(Foto: Günther Reger)

"Der Ritt zum Jahresende mit Segnung für Tier und Mensch hat uns schon sehr gefehlt", sagt Robert Gasteiger. Er sei "schon mindestens zwanzig Mal" dabei, und streicht seinem Freiberger Hengst über die ausgekämmte Mähne. Zum Zwölf-Uhr-Läuten setzt sich der Festzug in Bewegung. Etwa 120 herausgeputzte Pferde verschiedener Größen und Rassen, einige Esel und ein Dutzend Hunde hatten sich auf dem Schulhof aufgestellt.

Ganz vorne hinter dem Polizeiauto führt Kreuzreiterin Beate Maier vom Pferdehof Rieger den Festzug an. Stolz trägt sie die neue Schärpe, die der Brauchtumsfreund Hubert Mayer hat anfertigen lassen. Dahinter folgen die Blaskapelle, Fahnenabordnungen der örtlichen Vereine sowie Bürgermeister Emanuel Staffler mit Gemeinderäten und Honoratioren aus dem gesamten Landkreis.

200 Jahre Tradition: Die Kreuzreiter führen den Zug an.

Die Kreuzreiter führen den Zug an.

(Foto: Günther Reger)

Mitgeführt werden Modelle der Pfarrkirche, des Fugger-Schlosses und der Krieger-Gedächtniskapelle. Weithin glänzt im Sonnenlicht die Figur des Heiligen Silvester, die das Jahr über im Schloss aufbewahrt wird. Seit die Gemeinde nach langen Verhandlungen und, wie manche meinen, mit Unterstützung des Heiligen im Jahr 1980 selbständige Kommune bleiben konnte, ist Silvester nicht nur Schutzpatron für Tiere, sondern auch für die Gemeinde.

Seit den Sechzigerjahren hat Hans-Peter Schattmann vom Ponyhof in Pflaumdorf unweit vom Kloster Sankt Ottilien kaum einen Silvesterritt ausgelassen. Diesmal hat er 45 Reiter, überwiegend Kinder, motivieren können, mit ihren Ponys und Kleinpferden über Feld- und Waldwege nach Türkenfeld zu kommen. "Ich habe als kleiner Junge angefangen und heute sind meine Enkel schon mit dabei", erzählt er. Die jüngste Enkelin Liana, neun Monate, darf in einem von einem Mini-Pony gezogenen Leiterwagen mitfahren.

200 Jahre Tradition: Kleine Menschen werden von kleinen Ponys durch Türkenfeld gezogen.

Kleine Menschen werden von kleinen Ponys durch Türkenfeld gezogen.

(Foto: Günther Reger)

Einen weiten, auch strapaziösen Weg haben Leo und Martin Schmid auf sich genommen, um einer alten Tradition folgend mit einem präparierten Heuwagen mit einem Modell der Willibaldkirche darauf von Jesenwang nach Türkenfeld zu kommen. Berta und Betti schlagen sich tapfer, lobt Leo seine süddeutschen Kaltblüter, die es auch gelassen hinnehmen, als beim Gutshof Reichertsried bei Kottgeisering ein Kamera-Team dazustößt, um die Anfahrt für einen Fernsehbeitrag zu filmen.

"Mit der Alpenkette als Kulisse, die an einem schönen Föhn-Tag wie heute zum Greifen nahe scheint", gibt das sicher ein schönes Bild, glaubt Martin Schmid. Die Teilnahme am Silvesterritt ist seit etwa 25 Jahren für den Freundeskreis St. Willibald selbstverständlich. Im Gegenzug kämen die Türkenfelder jedes Jahr mit einem Modell ihrer Pfarrkirche zum Willibaldritt, erzählt der Vorsitzende.

200 Jahre Tradition: Mit roten Jacken, schwarzen Kniebundhosen und weißen Strümpfen trägt die Musikkapelle Türkenfeld auch optisch zum Silvesterritt bei.

Mit roten Jacken, schwarzen Kniebundhosen und weißen Strümpfen trägt die Musikkapelle Türkenfeld auch optisch zum Silvesterritt bei.

(Foto: Günther Reger)

Laura Nierhaus, die in Dünzelbach einen kleinen Reitstall betreibt, lässt sich von einem Pony auf einem kleinen "Marathon- Trainingswagen" ziehen. Die Wanderreiter Sebastian Siebenhütter und Lea Genitheim sind 16 Kilometer von Egling herübergeritten und freuen sich darauf, wie schon mindestens ein Dutzend Mal, dazu beitragen zu können, dass das von Türkenfelder Bauern im Jahre 1807 abgelegte Gelöbnis eingelöst werden kann.

Damals flehten die Bauern den Heiligen an, als eine Seuche in der Gegend wütete. Weil ihre Pferde weitgehend verschont blieben, versprachen sie, ihm alljährlich an seinem Todestag mit einer Pferdeprozession zu danken. Nach der Segnung dankt Bürgermeister Staffler allen Mitwirkenden und wünscht ihnen und allen Zuschauern ein Jahr 2023, in dem sich die Menschen verstärkt der traditionellen Werte besinnen, in Anbetracht von Krisen zusammenstehen und mit Zuversicht ein friedvolles Leben führen können. Zum Abschluss spielte die Blaskapelle "Gott mit dir, du Land der Bayern".

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