Sicherheit am Bahnsteig:Gefährliche Luftverwirbelungen

Nach dem tödlichen Unfall von Fürstenfeldbruck stellt sich die Frage: Wie steht es eigentlich um die Sicherheit am Bahnsteig? Die Bahn hat einen Mindestabstand zum Gleis vorgeschrieben - doch die wenigsten Fahrgäste halten sich daran.

Gerhard Eisenkolb

Die Frage musste kommen nach dem tragischen Unfall in Fürstenfeldbruck: Wie sicher ist man eigentlich auf dem Bahnsteig, wenn ein Zug mit hoher Geschwindigkeit vorbeifährt? Die Antwort eines Bahnsprechers macht nachdenklich - und ratlos zugleich. Es gibt nämlich Bereiche, in denen sich Wartende nie aufhalten dürfen.

Bahnsteig FFB

Fahrgäste müssen am Bahnhof einen Mindestabstand von 80 Zentimetern zur Bahnsteigkante einhalten.

(Foto: Günther Reger)

Jeder, der nicht den vorgeschriebenen Mindestabstand von 80 Zentimetern zur Bahnsteigkante einhält, wenn ein Regionalzug mit Tempo 120 oder gar ein ICE mit Tempo 150 vorbeibraust, riskiert sein Leben. Darauf weist die Bahn ausdrücklich hin.

Allerdings ist es nicht so, dass vorbeifahrende Züge einen Sog erzeugen, der Unvorsichtige quasi automatisch aufs Gleis mitreißt. Das, was von den Betroffenen zuerst als Druckwelle und dann als Sog wahrgenommen wird, sind in Wirklichkeit starke Luftverwirbelungen. Sie sind so heftig, dass sie auch erwachsene, kräftige Menschen aus dem Gleichgewicht bringen können. Und wer dann in Richtung des vorbeidonnernden Zuges stürzt, schwebt in Lebensgefahr.

Erst wer hinter der weißen Sicherheitslinie steht, ist - so die Auskunft der Bahn - "nach menschlichem Ermessen sicher". Und selbst dort sollten kleine Kinder vorsichtshalber an der Hand gehalten werden. Auch im angeblich sicheren Bereich kann den Wartenden nämlich beispielsweise ein aufgespannter Regenschirm einfach aus der Hand gerissen werden.

In Fürstenfeldbruck sind die Sicherheitsstreifen noch zusätzlich schraffiert, um zu signalisieren, dass hier niemand etwas zu suchen hat. Als Tabuzonen gelten auch die beiden schmalen Streifen zwischen den beiden Treppenabgängen zur Fußgängerunterführung und den Gleisen. Diese dürfen generell nicht betreten werden. Gerade hier ist das Gedränge der Pendler in den Stoßzeiten aber oft besonders groß.

Wer schon mal längere Zeit auf dem Bahnsteig auf eine S-Bahn warten musste, weiß, dass viele die Sicherheitslinie einfach ignorieren. Daran ändern auch die zahlreichen Hinweisschilder und die Lautsprecherdurchsagen nichts, mit denen Schnellzüge ankündigt werden. Vor allem Jugendliche, die Ohrstöpsel tragen und Musik hören, erreichen die Durchsagen nicht. Auch das weiß die Bahn, deshalb bietet sie in Schulen Aufklärung über die Gefahren des Zugverkehrs an.

Die Bahn dokumentiert zwar alle Unfälle, nicht jeder spektakuläre Fall ist aber auch nachzulesen. So ist etwa der tödliche Unfall eines 24-Jährigen, der vor zwei Jahren im fränkischen Forchheim von den Luftverwirbelungen eines ICE mitgerissen worden war, im Jahresbericht der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes nicht zu finden.

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