Serie: SZ im Dialog:Ohne Schilder, Markierung und Bordstein

Peter Wehrle von der Agenda 21 fordert für der Olchinger Hauptstraße die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer. Seine Idee von "Shared Space" stößt beim Bürgermeister aber auf Skepsis

Von Karl-Wilhelm Götte, Olching

Das Klageritual ist lange bekannt: Die Olchinger schimpfen über die Enge auf der Hauptstraße, den zunehmenden Verkehr dort und fehlende Parkplätze vor den Geschäften. Fußgänger haben tagsüber Mühe die Einkaufsstraße zu überqueren und auch Radfahrer leben gefährlich. Auch Autofahrer müssen ihre Augen überall haben und reaktionsschnell sein. Das Anliegen von Peter Wehrle vom Arbeitskreis Agenda 21, vorgetragen im SZ-Café, ist es seit vielen Jahren, der Stadt Olching nahezubringen, dass die viel befahrene Hauptstraße zu einer "Gemeinschaftsstraße" werden soll. Der Fachausdruck dafür ist "Shared Space". Doch Wehrle findet für sein Vorhaben keine Verbündete. Weder die Stadt noch der einflussreiche Gewerbeverband können sich mit einer umfassenden Verkehrsberuhigung anfreunden.

Olching: Verkehr in HAUPTSTRASSE

Fußgänger, Radler und Autofahrer sollen laut der Agenda 21 auf der Hauptstraße in Olching die gleichen Rechte haben.

(Foto: Johannes Simon)

"Shared Space" bedeutet, dass alle Verkehrsteilnehmer, also Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer, auf einer ebenen Fläche gleich behandelt werden. Auf der Straße fehlen Markierungen, Schilder und Ampeln. Es gibt nur die Unterscheidung zwischen "Straße" und "Pflaster", also zwischen Fahren und Gehen. Die Nutzer der Straße stimmen in optischer Interaktion ihr Verhalten aufeinander ab; Schilder als Regulierung werden nicht mehr benötigt. Dazu hat der Agenda-Arbeitskreis ein sehr detailliertes Konzept zur Umwandlung der Hauptstraße in eine Gemeinschaftsstraße ausgearbeitet. Die sind auf www.Olching.de nachzulesen. Da alle gleichzeitig auf der Straße sind, werde aufeinander Rücksicht genommen, so die Erfahrung aus anderen Städten. "Die Absenkung der Bürgersteige könnte in einem ersten Schritt passieren", so Wehrle. Kürzlich hatte er eine gewisse Sympathie für das Agenda-Vorhaben beim Olchinger Gewerbeverband ausgemacht. Der Verband hat besonders an der Einkaufsstraße eine gewichtige Stimme.

Olching: SZ trifft LESER / Cafe Ganser

Peter Wehrle vom Arbeitskreis Agenda 21 nutzt die Aktion "SZ im Dialog" für eine fortschrittliche Anregung.

(Foto: Johannes Simon)

Doch da ist offenbar bei Wehrle der Wunsch der Vater des Gedankens. "Das ist nicht realisierbar", sagt Rudolf Miller vom Vorstand des Gewerbeverbandes und mit einem Haushaltswarengeschäft an der Hauptstraße angesiedelt. "Das ist die einzige Straße, die die Landwirte mit ihren Mähdreschern benutzen können", bringt Miller noch ein zusätzliches Argument in die Debatte ein, das bisher noch keine Rolle spielte. Die Mähdrescher könnten nur die vier Meter hohe Bahnunterführung an der Hauptstraße benutzen, um auf die andere Seite der Bahn zu kommen. Dass sich die Fußgänger sicherer auf der Hauptstraße bewegen könnten und für diese die Attraktivität der Hauptstraße steigern könnte, ist für den Gewerbeverband offenbar kein schlagendes Argument. Diskutierte verkehrliche Veränderungen auf der Olchinger Hauptstraße führen regelmäßig zu Protest der Anwohner in den Nebenstraßen, die eine Verlagerung des Autoverkehrs dorthin befürchten. Bereits um die Jahrtausendwende sammelten die Anwohner schon mal etwa 2000 Unterschriften.

Auch im Olchinger Rathaus ist man skeptisch, was "Shared Space" betrifft. "Das kann ich mir gut rund um die Paulusgrube und den Bereich der S-Bahnstation vorstellen", sagt Bürgermeister Andreas Magg (SPD). Das Areal steht zur baldigen Bebauung an. Auf der Hauptstraße überwiege der Durchgangsverkehr. Auch Schwerlastverkehr fahre dort entlang. Magg sicher: "Da brauchen die Fußgänger klar abgegrenzte und geschützte Bereiche." Auch gäbe es bei der Hauptstraße, die eine Kreisstraße ist, kaum Einwirkungsmöglichkeiten der Stadt. Der Bürgermeister erinnert daran, dass sich das Landratsamt sogar gegen Tempo 30 gestellt habe, weil die Straße eine Durchgangsstraße ist. Bei der Bürgerbeteiligung zur Paulusgrube sei "Shared Space" kontrovers diskutiert worden. "Besonders viele Mütter zeigten sich besorgt um ihre Kinder", so Magg .

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