Serie: Genuss Erleben:Im Hafen der Mooskuh

Serie: Genuss Erleben: Auch wenn er nur selten Zeit dafür findet, geht Richard Braun in seiner Freizeit gerne zum Jagen. Falls er doch einmal ein paar Wildenten schießt, stehen die anschließend auf der Tageskarte.

Auch wenn er nur selten Zeit dafür findet, geht Richard Braun in seiner Freizeit gerne zum Jagen. Falls er doch einmal ein paar Wildenten schießt, stehen die anschließend auf der Tageskarte.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Wo heute in Grafrath das Wirtshaus "Dampfschiff" ist, legte früher das Shuttle-Boot zum Ammersee ab.

Von Valentina Finger

Einmal sei einem Kochlehrling das Schnitzel angebrannt, erzählt Richard Braun. Er habe es servieren wollen, doch als Chef habe er durchgreifen müssen: "Ich habe ihm gesagt, wenn er es gut genug für einen Gast findet, kann er es ja auch selber essen", sagt Braun, der mit seiner Frau Sandra das Wirtshaus "Dampfschiff" in Grafrath (Kreis Fürstenfeldbruck) leitet. Der Gast bekam ein neues Schnitzel - und der Lehrling hat nie wieder ein Stück Fleisch anbrennen lassen.

Richard Brauns Familie ist seit mehr als 100 Jahren in der Gastronomie tätig. Eine Urkunde, die seinem Urgroßvater 1903 als Gastwirt verliehen wurde, hängt in der Gaststube seiner jetzigen Gaststätte. Die Wände dort sind voll mit alten Original-Fahrplänen des Dampfers, nach dem das Lokal benannt ist, sowie Fotos von Anlegesteg, Schiff oder Kapitän. Von der Amper-Anlegestelle am heutigen Biergarten startete von 1880 an das Shuttle-Boot zwischen dem Grafrather Bahnhof und Stegen am Ammersee. Sonntagsausflügler aus München gingen dort an Bord der "Mooskuh", wie ansässige Bauern das Schiff aufgrund seiner lauten Pfeif-Geräusche nannten.

Nach etwa 40 Jahren wurden die Dampferfahrten eingestellt, die Touristen kamen nun auf anderen Wegen zum Ammersee. Doch noch immer kann man vor dem Restaurant ein Boot zu Wasser lassen. Heute schwimmen dort jedoch eher Schlauchboote, auch welche, die man mieten und mit denen man bis nach Fürstenfeldbruck fahren kann. So sehr Braun diese lange Tradition seines Gasthauses schätzt, so seien die Hobby-Kapitäne für den Betrieb nicht immer vorteilhaft. "Viele, die hier ablegen, parken bei uns. Ich hatte schon Sonntage mit nur zwölf Gästen und keinen leeren Parkplatz mehr für weitere", sagt er.

Einige Bootsfahrer kehren aber auch im Biergarten ein. Der ist im Dampfschiff vom hellen Kiesbelag bis zur Selbstbedienung traditionell. Bei dem Speise-Angebot sticht der Steckerlfisch vom Holzkohlegrill heraus. Im Sommer spielt manchmal auch eine Musikgruppe auf. Etwa alle zwei Wochen laden die Brauns sonntagnachmittags eine Band zu einem kostenlosen Konzert ein. Für alle, die ihr Essen selbst mitbringen, heißt das dann: Gratis-Schmaus mit musikalischer Untermalung. Was für die Kinder umsonst ist, hat die Wirte viel gekostet: Seit zwei Jahren gibt es am Garten einen gut ausgestatteten Spielplatz.

Auf die erhöht über dem Biergarten gelegene Terrasse des Restaurants ist Richard Braun stolz. Die Überdachung ist gleichzeitig eine Fotovoltaik-Anlage. Der Strom, der damit erzeugt wird, wird komplett selbst verbraucht. Freilich reicht er nur für einen Bruchteil des Gaststättenbetriebs. Rentabel sei das nicht. In 20 Jahren käme er vielleicht bei Null heraus, sagt Braun. Doch darum gehe es ihm nicht: "Ich habe zwei Kinder, die eine Zukunft wollen. Irgendetwas sollte jeder für die Umwelt tun."

Serie: Genuss Erleben: SZ-Grafik

SZ-Grafik

Zwischendurch zischt und dampft es unter dem Dach. Das kommt von den Vorrichtungen, mit denen Braun Mücken fernhält. Erfolgreich, wie sich Gerüchten über die juckende Plage auf der Dampfschiff-Terrasse zum Trotz herausstellt. Richard Braun hat Ahnung von Technik. Vor vielen Jahren hat er einst Fluggerätemechaniker gelernt. Durch die Hotelfachschule und den Bayerischen Wirtebrief, den er gemeinsam mit seiner Frau gemacht hat, ist er allerdings schon seit Langem Vollblut-Gastronom, der sieben Tage in der Woche selbst in der Küche steht.

In die bayerische Küche schleicht sich auch mal ein Thai-Curry ein

Was er dort mit seinem Team kocht, ist geradlinige bayerische Küche, in die sich mal ein Thai-Curry oder ein Weideochsen-Carpaccio einschleicht. Wer vorab oder generell lieber etwas teilen möchte, ist mit Flammkuchen gut beraten. Den gibt es auch vegetarisch mit Zucchini, Auberginen und Paprika. Ohnehin haben Vegetarier im Dampfschiff mehr Wahlmöglichkeiten als nur Käsespätzle oder Salat. Freitags ist Ofenkartoffel-Tag, je nach Saison stehen verschiedene Pilz-Speisen oder sogar Trüffel-Ravioli auf der Karte. Ein solides Veggie-Gericht ist die Schmankerl-Platte: Kroketten, Mix-Gemüse und Rösti auf einer Tomatencreme. Verzichtet man auf die Rösti, wird der Teller vegan.

Auch wenn er nur selten Zeit dafür findet, geht Braun in seiner Freizeit gerne zum Jagen. Falls er doch einmal ein paar Wildenten schießt, stehen die anschließend auch auf der Tageskarte. Sein Wild bekommt er meist von befreundeten Jägern, die beispielsweise bei Gilching auf die Pirsch gehen.

Dampfschiff Grafrath

Qualität: ●●●●●●○○○○

Service: ●●●●●●●●○○

Ambiente: ●●●●●●●●○○

Preis/Leistung: ●●●●●●●○○○

Adresse: Graf-Rasso-Straße 40, Grafrath

Telefon: 081 44/13 14

Internet: www.dampfschiff.com

Anfahrt/Parken: S4 Geltendorf (Haltestelle Grafrath), Parkplatz am Haus

Öffnungszeiten: täglich 9-22 Uhr (durchgehend warme Küche, auch Frühstück)

Keine Kartenzahlung möglich

Richtig kreativ werden die Dampfschiff-Gastronomen bei der Zusammenstellung ihrer Aperitif-Empfehlungen: Es gibt nicht nur Hugo und Aperol, sondern zum Beispiel Himbeer-, Rhabarber- und Grüner-Apfel-Spritz. Wer das Bodenständige bevorzugt, trinkt ein Bier. Auch wenn der Bestellprozess aufwendig ist, bezieht Richard Braun von mehreren Brauereien. "Ich wollte Weißbier, Dunkles und Helles eben jeweils von den Besten", sagt der in München geborene und in Emmering aufgewachsene Wirt. Er selbst mag weder Alkohol noch Kaffee. Und auch beim Wasser lässt er lieber die Kohlensäure weg.

Wenn der 41-Jährige durch seine Speisekarte blättert, muss er oft schmunzeln. "Zu fast jedem Gericht gibt es eine Geschichte", sagt er. So habe sein Vater aus einem Urlaub im ehemaligen Jugoslawien eine Vorliebe für die Würzsoße Ajvar mitgebracht. Seitdem ist der Fleischspieß mit Ajvar und Zwiebelringen gelistet.

Sein Vater hat Braun auch beigebracht, dass man als Gastwirt manchmal hart sein muss, um einen Restaurant-Betrieb am Laufen zu halten. Als er sich früher einmal beim Ausbeinen geschnitten habe, habe sein Vater ihn nur gefragt: "Weinst du jetzt oder kochst du weiter?" Richard Braun hat weitergekocht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: